Kommentar
15:46 Uhr, 04.03.2005

EUR/USD EXPRESS-ANLEIHE: Kapitalgarantierte Acht-Prozent-Chance für Dollar-Optimisten

Dass Garantieprodukte nicht zwangsläufig kompliziert und undurchsichtig sein müssen, haben wir Ihnen schon in der letzten Ausgabe des ZertifikateJournals anhand der „SOFIA Saison-Strategie 2011 plus“ (ISIN DE 000 LBB 0WN 8) beweisen können. Nun läuft (noch bis 24. März) die Zeichnungsfrist für ein weiteres Vollkasko-Produkt, das sich nicht nur wohltuend vom leidigen „Frühlings-“, „Zinsleiter“- und „Von hinten durch die Brust ins Knie“-Gedöns abhebt, sondern obendrein endlich mal einen neuen Basiswert erschließt: JP Morgan hat eine „Express-Anleihe“ auf die Währungsrelation EUR/USD entwickelt, mit der Erträge von bis zu 8 Prozent p.a. möglich sind (ISIN DE 000 JPM 0WF 9).

Das Wörtchen „Express“ deutet bereits an, wohin der Hase läuft – wie bei den Namensvettern von der HypoVereinsbank winkt eine regelmäßig wiederkehrende Chance auf vorzeitige Rückzahlung des auf maximal sechs Jahre laufenden Papiers. Allerdings funktioniert das System hier genau umgekehrt; damit man sein Kapital (und seine Rendite) bekommt, muss der Basiswert nicht seitwärts tendieren oder steigen, sondern fallen. Dreh- und Angelpunkt ist der Referenzpreis, der am Emissionstag (31. März) bei 85 Prozent des dann festgestellten EUR/USD-Kurses fixiert wird. Ist ein US-Dollar also auch am Monatsende noch 1,32 Euro wert, würde die „magische Marke“ also bei 1,122 liegen. Nach einem Jahr, im März 2006, wird dann zum ersten Mal nachgeschaut: Hat der „Greenback“ bis dahin so kräftig aufgewertet, dass der sich die 1,122 Euro wieder von unten anschauen darf, gibt’s neben 100,00 Euro Emissionspreis 8,00 Euro Bonus zurück. Falls nicht, verlängert die Laufzeit sich um ein Jahr und im März 2007 geht das Spielchen von vorne los. Ist die Schwelle nun erreicht oder unterschritten, winkt neben dem vorzeitigen Ende eine Zahlung von 116,00 Euro (100 + 2 x 8,00); ansonsten folgt die nächste Verlängerung.

Nach diesem Prinzip verlaufen auch die nächsten drei Jahre, bevor im März 2011 (also am sechsten Stichtag) die endgültige Entscheidung ansteht: Entweder, der EUR/USD- hat nach fünf vergeblichen Anläufen nun endlich die Hürde des Referenzpreises unterschritten, dann darf man sich über 148,00 Euro (100 + 6 x 8,00) freuen. Oder es geht auch jetzt wieder schief und die Rückzahlung beschränkt sich auf die Kapitalgarantie von 100,00 Euro. Nominell geht dann zwar nichts verloren, doch da keine Mindestverzinsung fließt, ist man sechs Jahre der Inflation schutzlos ausgeliefert. Bei einem kalkulierten Kaufkraftverlust von zwei Prozent p.a. wären die 100,00 Euro also real nur noch 88,80 Euro wert (minus 11,2 Prozent) – ein Problem, das freilich für sämtliche Garantieprodukte betrifft und leider gerne unterschätzt wird.

Um es ganz klar zu sagen: Ja, diese „Express-Anleihe“ ist eine Wette auf eine Dollar-Renais-sance – doch das kann kein Kritikpunkt sein. Denn erstens wohnt allen Kupon-Strukturen ein gewisser Wettcharakter inne und zweitens ist dieser selten so einfach durchschaubar wie in diesem Fall. Hier gibt’s keine komplexen Formeln, keine 20 Einzelaktien und keine jährlich wechselnden Referenzniveaus, sondern nur einen Basiswert und eine maßgebliche Barriere. Ob die wie gewünscht an einem der Stichtage unterschritten wird, steht genauso in den Sternen wie die Antwort auf die Frage, ob bei den Zielkupon-Anleihen (vgl. ZertifikateJournal 03/05) keine Aktie allzu stark nach unten „abhaut“ und dadurch sämtliche Ertragschancen vernichtet. Zugegeben, momentan sieht es nicht so aus, als würde der Euro bald dermaßen schwächeln, dass die Rechnung schon am ersten Stichtag aufgeht. Doch genau aus diesem Grund hat JP Morgan ja sechs Chancen auf Rendite eingebaut und gerade vor dem Hintergrund des von starken Auf- und Abwärtstrends gekennzeichneten Langfrist-Charts sollte man sich nicht zu der Prognose verleiten lassen, dass der Euro gegenüber dem Dollar auch in Zukunft immer weiter steigen muss. Derlei langfristige Währungsprognosen sind weder möglich noch seriös.

Dennoch ist das Papier natürlich nicht für jeden Investor interessant. Wer bereits US-amerikanische Aktien oder Anleihen bzw. entsprechende nicht währungsgesicherte Zertifikate oder Fonds im Depot hat, braucht kein zusätzliches Dollar-Risiko und sollte sich deshalb zurückhalten. Für defensive Investoren, deren Bestand bislang vor allem Euro-Bonds und „klassische“ Garantie-Produkte umfasst, stellt die „Express-Anleihe“ dagegen eine echte Bereicherung dar, die zu einer bis dato nicht möglichen Währungsdiversifikation führt – denn im Gegensatz zu klassischen Fremdwährungsanleihen ist ja nur der Ertrag, nicht jedoch das Kapital an sich Wechselkurseinflüssen ausgesetzt. Schade bloß, dass diese Struktur (noch) nicht in einer steuereffizienten Variante angeboten wird, mit Schutzgrenze bzw. Airbag statt Garantie…

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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