Kommentar
11:52 Uhr, 30.01.2007

EU-Transparenzrichtlinie: Was bringt Sie wirklich?

Am 20. Januar 2007 trat das Gesetz zur Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie, das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) in Deutschland in Kraft. Ziel der Richtlinie ist die europaweite Bekanntgabe und Speicherung von wichtigen Unternehmensinformationen in Datenbanken. Anlegern soll durch die Erhöhung der Transparenz eine ausreichende Grundlage für ihre Investitionsentscheidung geschaffen werden. Auf die betroffenen Unternehmen in organisierten Märkten (alle Segmente außer dem Freiverkehr) kommen eine Vielzahl von Änderungen ggü. der bisherigen Praxis zu.

www.traders-journal.de (Im folgenden kurz "TJ") sprach mit Robert Wirth, Geschäftsführer der DGAP GmbH, einer Tochter des börsennotierten Online-IR-Dienstleisters EquityStory AG.

TJ: Herr Wirth, die EU-Transparenzrichtlinie ist zwei Jahre nach der Verabschiedung nun auch in Deutschland geltendes Recht. Ist die neue Gesetzeslage schon bei den Unternehmen angekommen?

RW: Bei den meisten Unternehmen mit Sicherheit. Es gab Informationsveranstaltungen von Rechtsanwälten, der BaFin und auch eine ganze Reihe von der DGAP mbH. Manchmal ist den Unternehmenslenkern aber die Tragweite des neuen Gesetzes noch nicht ganz klar.

TJ: Wie war die Rechtslage vorher und wie gingen Unternehmen bisher mit ihren verschiedenen Publizitätspflichten um? Bedeuten die Neuerungen mehr Bürokratie oder sogar eine Erleichterung?

RW: Das TUG regelt viele Bereiche des Wertpapierhandelsgesetzes und Verordnungen neu. Zudem kann noch das EHUG hinzu. So pauschal kann man die Frage daher gar nicht beantworten. Stimmrechtsmitteilungen z. B. mussten auch nach altem Recht bereits in einem Börsenpflichtblatt veröffentlicht werden, der Gesetzgeber hat aber neue Schwellen eingezogen, so dass nun bereits ab 3 Prozent gemeldet werden muß. Neu aber sind Zwischenmitteilungen: börsennotierte Unternehmen, die keine Quartalsberichte erstellen, sind nun auch verpflichtet sogenannte Zwischenmitteilungen zu publizieren. Aufgrund der Tatsache, dass neue Pflichten hinzugekommen sind, kann man nicht von einer Erleichterung sprechen. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern aber war der Transparenz-Standard in Deutschland schon viel höher, so dass die Umstellung hierzulande weniger Kopfzerbrechen bereiten dürfte als in osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten.

TJ: Das Gesetz verlangt eine europaweite Verbreitung von wichtigen Unternehmensnachrichten. Wie genau kann eine börsennotierte Gesellschaft dies sicherstellen und wem obliegt die Veröffentlichungspflicht?

RW: Die Idee der Europäischen Union ist, allen Anlegern in Europa harmonisierte Unternehmensinformationen zur Verfügung zu stellen und das möglichst zur gleichen Zeit, um eine größtmögliche Transparenz zu erreichen. Daher ruht die Richtlinie auf zwei Säulen: zum einen der aktiven europaweiten Verbreitung und zum anderen der dauerhaften Speicherung in einer nationalen Datenbank. Die europaweite Verbreitung, also die erste Säule, müssen die Unternehmen selbst sicherstellen, indem die Informationen einem Bündel an Medien zugeleitet werden, die die Nachricht europaweit verbreiten können. Natürlich kann man keine Zeitung oder kein Finanzportal zwingen, Unternehmensinformationen auch zu veröffentlichen. Daher genügt es, den Medien diese Informationen zuzuleiten. Da der gesamte Vorgang schon recht komplex ist und auch die BaFin entsprechende Bestätigungen benötigt, werden sicher 99 Prozent aller Unternehmen einen Dienstleister damit beauftragen, wie es jetzt bei der Ad-hoc-Publizität auch der Fall ist, also z. B. die DGAP mbH.

TJ: Können Sie für unsere Leser die wichtigsten Änderungen durch die Umsetzung der Transparenzrichtlinie ggü. dem bisher geltenden Recht zusammenfassen?

RW: Entscheidend für den aktiven Anleger dürfte sein, dass er an Informationen zu Insiderkäufen- und verkäufen (Directors´ Dealings), sowie Stimmrechtsmitteilungen (wenn bedeutende Anteilsgrenzen über- oder unterschritten werden) durch die aktive Verbreitung jetzt schneller kommt als früher. Zudem müssen Unternehmen, die bislang keine Quartalsberichte erstellt haben, auch Zwischenmitteilungen über den Geschäftsverlauf erstellen. Durch die Einführung neuer Anteilsgrenzen, z. B. bei 3 Prozent, erfährt der Anleger auch früher, wann sich ein Fonds einen bedeutenden Anteil an einem Unternehmen sichert. Da die Unternehmen bei Nichtbeachtung auch mit empfindlichen Strafen geahndet werden können, werden sich wohl auch alle Emittenten daran halten. Durch die vorgeschriebene Speicherung im Unternehmensregister sind alle Informationen über Jahre sehr leicht auffindbar.

TJ: Wichtige Unternehmensnachrichten werden zukünftig in Datenbanken zentral auf Dauer gespeichert werden. Welche Kategorien von Nachrichten fallen darunter und wo kann der interessierte Anleger darauf zugreifen?

RW: Die Unternehmensinformationen werden in der Datenbank www.unternehmensregister.de gespeichert. Es umfasst alle wichtigen Kapitalmarktinformationen, also z. B. Ad-hoc-Mitteilungen, Directors´ Dealings, Stimmrechtsmitteilungen, Gesamtstimmrechte, Zwischenmitteilungen, Vorabbekanntmachungen zu Finanzberichten, die Finanzberichte selbst und sonstige Kapitalmarktangaben gemäß § 30e WpHG – das sind Änderungen, die Auswirkungen auf die Rechte der Aktionäre oder Anleiheeigner haben.

TJ: Wie ist Ihre Einschätzung: Sind die Neuerungen alles in allem sinnvoll oder ein weiterer Baustein des Bürokratiehauses Marke Brüssel?

RW: Einiges erscheint auf den ersten Blick etwas absurd. Manchmal auch deswegen, weil die Transparenz in Deutschland an sich schon sehr gut funktioniert. Es ist immer schwierig, für alle 27 EU-Staaten passende Regelungen zu finden. Und man kann sich als Unternehmenslenker natürlich fragen, warum man seine Informationen so breit streuen soll. Andererseits wenn man es nicht macht, werden die Märkte sicher nie zusammenwachsen. Wie jede Konsenslösung auf EU-Ebene gibt es Licht und Schatten.

TJ: Was ist für die betroffenen Unternehmen nun der sinnvollste Weg, unter Abwägung der Kosten, des Aufwandes und der Rechtssicherheit: Alles selber machen, alles einem Dienstleister übergeben oder ein Mittelweg?

RW: Die Kosten für die europaweite Verbreitung der Mitteilungen macht ja nun mit Abstand das geringste Budget der gesamten neuen Gesetzeslage aus. Ich denke, wenn ein Vorstand auf Kosten der Aktionäre ein wohlverdientes Optionsprogramm für sich in Millionenhöhe ausübt, dann ist es nicht zu viel verlangt, dies mit einer Mitteilung für zweihundert Euro dem Kapitalmarkt aktiv mitzuteilen. Selbst ganz kleine Unternehmen sollten damit kein Problem haben. Selber machen ist zudem gar nicht so einfach. Ich würde es immer einem Profi überlassen.

TJ: Zum Schluss noch die obligatorische Frage: Als Online-IR-Dienstleister müssen Sie doch der Entwicklung überwiegend mit einem lachenden Auge entgegen sehen. Was erwarten Sie für Ihr Unternehmen? Und wie sehen Sie die Konkurrenzsituation im Lichte der veränderten Publizitätspflichten?

RW: Die DGAP ist seit über 10 Jahren eine Institution bei der Erfüllung von Meldepflichten für börsennotierte Gesellschaften. Wir haben zum 20.01.07 zahlreiche neue Services eingeführt, um alle Pflichten, die europaweit verbreitet werden müssen, abzudecken. Wir helfen den Emittenten, alle neuen Pflichten zu erfüllen. Das kommt bei unseren Kunden – und das sind bei einem Marktanteil im Ad-hoc-Bereich in Deutschland von 75 Prozent sehr viele – sehr gut an. An unserem Ziel für das Jahr 2007 Umsatz und Ertrag mit über 25 Prozent zu steigern hat sich nichts geändert, auch wenn neue Wettbewerber auf den Plan treten. Wir sehen dem Geschäftsjahr 2007 also eher mit zwei lachenden Augen entgegen.

TJ: Herr Wirth, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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