EU-Automobilindustrie: Volle Auftragsbücher, hohe Inflation
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Wir gehen davon aus, dass die derzeitige große Unsicherheit negative Auswirkungen auf die Automobilindustrie haben wird. Allerdings hat die Branche bereits seit vielen Jahren mit einer Reihe von Herausforderungen zu kämpfen wie zum Beispiel dem Diesel-Abgasskandal, der Schwäche des chinesischen Marktes, der Covid-19-Pandemie und der Halbleiterknappheit. In das aktuelle Umfeld ist sie daher bereits mit sehr niedrigen Produktionsmengen und hohen Preisen eingetreten. Infolgedessen erzielten viele Autohersteller im Jahr 2021 Rekordmargen, während die Zulieferer weiter unter Druck gerieten, weil die hohen Inputkosten und die Bereitstellung von mehr Ausrüstung für Hybrid-, Elektro- und Premiumfahrzeuge nicht ausreichten, um die Auswirkungen der Produktionskürzungen auszugleichen.
Aus der Analyse der Daten und zahlreichen Gesprächen mit Branchenvertretern ergeben sich für uns vier wesentlichen Schlussfolgerungen:
1. Die direkten Auswirkungen der Umsatzeinbußen als Folge der Ukraine-Russland-Krise sind für die meisten Automobilunternehmen minimal.
2. Das Risiko einer Unterbrechung der Lieferketten mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Automobilproduktion scheint im Großen und Ganzen überschaubar. Die jüngste IHS-Schätzung ging von 2,5 Millionen verlorenen Einheiten im Jahr 2022 aus. Wir senken unsere globale Produktionsprognose und erwarten nun ein Wachstum von plus sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das entspricht einem Produktionsvolumen von 81 bis 82 Millionen Fahrzeugen.
3. Das Risiko einer sich verschlechternden Nachfrage aufgrund eines geringeren Verbrauchervertrauens ist schwer einzuschätzen. Derzeit gibt es allerdings kaum Daten, die dies untermauern. Wir sind der Ansicht, dass die niedrigen Lagerbestände und der Nachholbedarf letztlich den Schaden für die Preisgestaltung begrenzen dürften. Weitere Produktionskürzungen aufgrund von Unterbrechungen in den Lieferketten sind jedoch nicht auszuschließen. Daher dürften die Margenziele, insbesondere für die Zulieferer, schwieriger zu erreichen sein. Wir haben deshalb in unseren Annahmen bereits einen Margenrückgang von 100 bis 200 Basispunkten gegenüber 2021 berücksichtigt.
4. Der größte Gegenwind für den Sektor dürfte von den Inputkosten kommen, insbesondere von den höheren Rohstoffpreisen. Die Auswirkungen auf die Aussichten der verschiedenen Automobilhersteller in diesem Jahr dürften sehr unterschiedlich sein, was möglicherweise einige Chancen eröffnet, zumindest auf relativer Basis. Wir glauben, dass die Automobilhersteller aufgrund ihrer längerfristigen Rohstoffbeschaffungsverträge in einer besseren Position sind als die Zulieferer und dass sie angesichts des knappen Fahrzeugangebots eine gewisse Preissetzungsmacht haben. Insbesondere die deutschen Premium-Hersteller sind unserer Meinung nach durch ihre hohe Preissetzungsmacht besser geschützt, so dass ihre Aussichten für das Jahr 2022 weitaus weniger Risiken bergen als die der Volumenhersteller. Der größte Teil ihrer Rohstoffnachfrage für dieses Jahr ist bereits vertraglich geregelt. Zudem sind ihre Prognosen eher zurückhaltend. Unter den Zulieferern sehen wir zum einen diejenigen als besser geschützt an, die sich bereits Rohstoffverträge und Preise für das Jahr gesichert haben; und zum anderen die Firmen, deren größte Inputkosten Chips oder elektronische Komponenten sind und nicht Metalle oder Ölderivate.
Wir bevorzugen weiterhin Auto- und Reifenhersteller gegenüber Zulieferern. Die Preissetzungsmacht der deutschen Premium-Autobauer, niedrigere Gewinnschwellen – die laufenden Kostensenkungsbemühungen seit 2018 tragen Früchte – und die erfolgreiche Rohstoffabsicherung bieten unserer Ansicht nach immer noch Schutz in einem sich verdunkelnden Makrokontext.
Das größte Risiko wäre nach unserer Einschätzung ein sofortiger Gas- oder Ölstopp aus Russland, der möglicherweise zu einem großen Preisschock führen würde, der Deutschland oder ganz Europa in eine Rezession stürzen könnte. Dies würde zu einem massiven Rückgang des verfügbaren Einkommens der Verbraucher und der Nachfrage führen. In diesem Fall würden eine geringere Produktion und ein Margendruck die Erträge dämpfen, was sich entsprechend auf die Aktienkurse auswirken würde.
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