Essen auf Rädern: Venture Capital schlägt zu
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VC stürzt sich nämlich vermehrt auf einen Bereich, der schon einmal grandios gescheitert ist: dem online Handel von Lebensmitteln und Lieferservices. Der erste Versuch des Online-Vertriebs von Lebensmitteln blieb letztlich als eine der größten Pleiten der Dotcom-Zeit in Erinnerung.
Grandioses Scheitern
Webvan hieß das Unternehmen, welches den Vertrieb von Lebensmitteln revolutionieren wollte. Es wurde 1998 gegründet und ging 1999 an die Börse. 25 Mio. Aktien wurden zu einem Preis von 15 USD ausgegeben. Das waren knapp 8% der Gesamtaktien. Am ersten Tag des Handels schloss die Aktie 65% über dem Ausgabepreis. Das Hoch wurde noch 1999 bei 34 USD erreicht. Das Unternehmen war damit zeitweise über 10 Mrd. USD wert. Das Problem dabei war allerdings ziemlich offensichtlich. Webvan erwirtschaftete ein Jahr später nicht einmal 200 Mio. USD Umsatz und schrieb einen Verlust von fast 500 Mio. Der Verlust überstieg den Umsatz um einen Faktor größer 2.
Jetzt, 13 Jahre nach der Pleite, entdeckt Venture Capital (VC) die Idee neu. Die Mittelzuflüsse in den Sektor erreichen Anfang 2014 ein Rekordhoch. Ganz neu ist die Branche für VC nicht. Seit 2009 steigen die jährlich investierten Beträge im Durchschnitt an. Auch die Anzahl an Transaktionen nimmt zu auf zuletzt 30 im ersten Quartal 2014. Das Interesse des Sektors am online Vertrieb ist groß. Es muss also Chancen geben, auch wenn die bisherige Erfahrung im online Vertrieb von Lebensmitteln eher schlecht war.
Im Gegensatz zu Webvan machen die Unternehmen heute viele Fehler nicht. Webvan wollte in 26 Städten in den USA seine Services anbieten. Dabei war der Plan in jeder Stadt ein eigenes Vertriebsnetz aufzubauen, inklusive Lagerhäusern und LKW Flotte. Das kostet natürlich Unmengen an Geld. Geld, welches auch munter investiert wurde, ohne jemals den notwendigen Ertrag zu bringen. Die Fehler der allzu aggressiven Expansion und die Illusion ein eigenes Vertriebsnetz aufbauen zu müssen, werden heute nicht wiederholt. Aber reicht es, Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, um erfolgreich zu sein?
Diesmal ist alles anders
Es stimmt, diesmal ist wirklich vieles anders. Das heißt aber nicht automatisch, dass es auch besser ist. Die meisten Lieferservices im Lebensmittelbereich verzichten auf ihre eigene Infrastruktur (vor allem Warenhäuser) und nutzen die vorhandenen Möglichkeiten. Anstatt Lebensmittel selbst zu beschaffen wird einfach in Geschäften eingekauft, die bereits vorhanden sind. Damit fällt ein sehr großer Teil der Infrastrukturerfordernisse weg. Zudem gibt es nicht das Risiko, ein Lagerhaus voller Lebensmittel zu haben, die dann keiner bestellt. Das ist also schon einmal ein Fortschritt.
Trotzdem: es bleiben viele Probleme. Die Margen im Lebensmittelhandel sind bereits sehr klein. Wer zusätzliche Kosten hat, kann kaum etwas verdienen. Webvan war so ein Beispiel. Die Kosten waren viel zu hoch im Vergleich zum konventionellen Lebensmittelhandel. Das hat sich bis heute nicht geändert. Selbst wenn Unternehmen auf ihre eigenen Lagerhäuser verzichtet, braucht es immer noch Menschen, die die Bestellungen annehmen, die Waren kaufen und dann liefern. Pro Einkauf und Lieferung kommen so schnell 30 bis 45 Minuten zusammen. Selbst beim Mindestlohn für Einkäufer und Lieferanten würde ein 100 EUR Einkauf dann 4 bis 8% teurer werden. Viele Start-ups versuchen diese Kosten zu umgehen, indem sie einen Teil der Marge des Einzelhändlers bekommen. Sie erhalten quasi eine Provision für die gekauften Lebensmittel. Ob das reicht, um wirklich Gewinne zu erwirtschaften, muss noch abgewartet werden.
Zusätzliche Kosten entstehen durch die Notwendigkeit, einen Großteil der Einkäufe und Lieferungen in einem engen Zeitfenster abzuwickeln. Es ist schließlich wenig praktikabel Fleisch und andere Frischwaren vor der Tür stehen zu lassen. Für gewöhnlich dürften Lieferungen früh morgens oder am frühen Abend erwünscht sein, wenn man zu Hause ist.
Die Lieferung von Lebensmitteln ist sicherlich nicht nutzlos. Man spart sich viel Zeit und teils auch Ärger. Ob das einem Großteil der Bevölkerung aber reicht, um einen höheren Preis zu zahlen, sei dahingestellt. Letztlich dürfte der Erfolg dieses Geschäftsmodells vom Preis abhängen. Die meisten Start-ups machen zwar vieles richtig, weil sie die Kosten gering halten, haben dafür aber ganz andere Probleme. Immer mehr Unternehmen drängen auf den Markt. Darunter die ganz großen Namen wie Walmart oder Amazon. Konkurrenz belebt das Geschäft. Jeder der Dienste hat ein eigenes Konzept. Letztlich gibt es aber wenig, um sich zu differenzieren als den Preis. Wieso sollte ich bei Walmart bestellen, wenn Amazon 2% günstiger ist?
Ich persönlich bin skeptisch. Die Margen erscheinen mir zu klein, um aus dem Geschäftsmodell Gewinn zu schlagen. In der Vergangenheit haben sich durchaus Beispiele gefunden, die zeigen, dass es funktionieren kann. In den USA ist Peapod seit Ende der 80er Jahre auf dem Markt. In Großbritannien ist Ocado mit einem Umsatz von knapp 800 Mio. GBP vergangenes Jahr zu einer ernstzunehmenden Größe geworden. Der Gewinn lässt allerdings noch auf sich warten. Geht alles gut, dann könnte Ocado in den kommenden Jahren eine leicht positive Nettomarge erreichen.
Alternativen für Anleger
Als Anleger kann man von dem Trend durchaus profitieren, auch wenn es aktuell nicht gerade verlockend erscheint. Im Gegensatz zu Unternehmen, die selbst Lebensmittel oder auch fertiges Essen (z.B. Pizza) liefern, sind Firmen sehr erfolgreich, die die Angebote poolen. Darunter fallen in Deutschland Lieferando oder Lieferservice.de. Hier gibt man seine Postleitzahl ein und findet alle Restaurants, die zu einem nach Hause liefern. Das klingt sehr einfach, ist aber äußerst effektiv. In den USA ist vor wenigen Tagen GrubHub an die Börse gegangen. GrubHub macht nichts anderes, als Lieferservices zu poolen. Wird über GrubHub bei einem Restaurant oder Lebensmittelhändler bestellt, erhält GrubHub eine Provision von 13,5% des Bestellwertes. Ohne große Infrastruktur und damit verbundenen Kosten kann ein ziemlich hoher Umsatz und letztlich auch Gewinn erwirtschaftet werden. Der Erfolg hängt letztlich davon ab, wie viele Nachahmer es gibt und ob diese den Preiskampf eröffnen.
Clemens Schmale
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