Kommentar
23:55 Uhr, 12.12.2008

Es besteht kein Zweifel: Auslöser für die Kreditkrise war der Ölpreis

Erwähnte Instrumente

  • WTI Öl
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    Aktueller Kursstand:   (JFD Brokers)

Die Kreditkrise hat ganz direkte Auswirkungen auf die Produktion von Rohstoffen. Dies liegt an zwei miteinander verwandten Ursachen. Einerseits führte die Kreditkrise dazu, dass neue Kredite kaum noch erhältlich sind, was kreditfinanzierten Unternehmen Schwierigkeiten bereitet. Außerdem fielen die Rohstoffpreise so kräftig zurück, dass die Grenzkosten bei manchen Rohstoffen bereits erreicht oder sogar unterschritten wurden. Somit müssen teure Projekte in zusätzliche Projekte auf Eis gelegt werden, wodurch die Nachfrage erneut sinkt. Die Folge ist, dass die Zahl der Nachfrager im Markt schnell sinkt, während noch immer die gleiche Menge an Rohstoffen verfügbar ist. Dies belastet den Preis.

Gerade im Energiesektor ist zu beobachten, dass das Angebot nur sehr behäbig bis garnicht auf die gesunkene Nachfrage reagiert. Die OPEC beschloss zwar zum 1. November eine Förderquotensenkung um 1,5 Millionen Barrels täglich, konnte diese aber nur mit Ach und Krach innerhalb ihrer Mitgliedsstaaten durchsetzen. Eine Senkung Ende November konnte nicht durchgesetzt werden, die Entscheidung wurde auf den 18. Dezember vertagt. Tage, in denen der Ölpreis weiter fiel, bis auf unter 44 Dollar am 5. Dezember. Saudi Arabien stellte sich lange quer, da das Land nicht erwartet hatte, dass auch seine Käufer in Asien und China weniger nachfragen werden. Eine Förderquotensenkung, die ein OPEC-Land durchführt, kommt einem freiwilligen Marktanteilsverzicht gleich, da alle Länder außerhalb der OPEC ihre Fördermengen nicht verändern. Versuche, Norwegen und Russland als große Ölexportländer in die OPEC aufzunehmen, sind zwar gut gemeint, sind aber zum scheitern verurteilt. Norwegen passt schon als europäisches Land nicht in die OPEC. Russland äußerte sich zwar angetan von der Beitrittsidee, da so der Ölpreis "beeinflusst" werden könnte, so die Worte Putins. Russland will es aber zur Bedingung machen, auch nach einem OPEC-Beitritt noch weiter autark über seine Fördermengen selbst bestimmen zu können. Da die OPEC ihre Macht alleinig aus der gemeinsamen Förderquotenregelung bezieht, dürfte das Ölkartell unter diesen Bedingungen einen Beitritt Russlands niemals genehmigen.

Auf Seiten der Energieunternehmen ist ein Investitionsrückgang und ein Aufschub bei der Durchführung neuer Projekte zu beobachten. Dies gilt für staatliche wie private Unternehmen. Zahlreiche kleinere Erdölunternehmen in der Wertschöpfungskette, besonders jene mit hohem Fremdkapitalanteil, werden wahrscheinlich im Zuge der Kreditkrise aus dem Geschäft gedrängt werden.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die weltweite Ölproduktion im Zuge der Kreditkrise in den nächsten Jahren fallen wird. Zum einen dadurch, dass die OPEC große Mengen an Restkapazitäten aufbauen kann. Zum anderen schlichtweg dadurch, dass Unternehmen sich neue Projekte nicht mehr leisten können. Viele Ölkonzerne sehen sich nun erneut mit der Situation konfrontiert, investiert zu haben, als die Ölpreise nahe einem Hochpunkt notierten. Nun droht die gleiche Situation wie in den 80er Jahren: Auch damals investierten viele Unternehmen in neue Projekte, die sich in den darauffolgenden Jahren niedrigster Ölpreise als Verlustgeschäft herausgestellt haben. Selbst wenn der Ölpreis sich jetzt wieder erholt - die Preisschwelle, zu der sich Ölkonzerne jetzt noch bereit erklären werden, im großen Stil in neue Projekte zu investieren, liegt nun deutlich höher als bisher.

Die Kreditkrise: Auslöser Erdöl

Der eigentliche Auslöser der Kreditkrise war nach Ansicht von CIBC World Markets der Ölpreis, der zwischen den Jahren 2002 und 2008 so deutich gestiegen ist, wie nie zuvor. Die Preiszuwächse sind weitaus größer als in den Ölkrisen der 70er und 80er Jahre. Auch damals löste der Ölpreis eine Rezession in den Industrieländern aus - und CIBC World Markets stellt die berechtigte Frage: "Warum soll das nicht auch dieses Mal so gewesen sein?". Wir wissen heute, dass sich die USA seit Dezember 2007 in einer Rezession befinden (NBER-Studie http://www.boerse-go.de/artikel/zeigen/articleId/1047217). Die EU und Japan folgten im zweiten Quartal (CIBC-Studie). Die Finanzkrise als solche, die sich in dramatisch steigenden Zinssätzen im Interbankenmarkt äußerte, begann so richtig erst im dritten Quartal 2008 (siehe Grafik 1). Somit ist klar, dass der Ölpreis eine wichtiger, wenn nicht der entscheidende Auslöser der Kreditkrise war.


Bild 1: Ölpreisveränderungen damals und heute

CIBC World Markets geht einen Schritt weiter und erklärt in ihrer Studie, dass die Ölimporte der USA kreditfinanziert waren. Die Neuverschuldung nahm gigantische Ausmaße an, als die Ölpreise in den Jahren 2007 und 2008 immer schneller anstiegen. Auch die Nahrungsmittelpreise stiegen in dieser Zeit. Dies führte zu einem massiven Wohlstandstransfer von den Ölimport- zu den Ölexportländern. "Immer wenn es in der Vergangenheit zu schnellen und großen Wohlstandstransfers auf der Welt gekommen ist, war eine Rezession die Folge", führen die Analysten der kanadischen Großbank CIBC weiter aus.


Bild 2: Rezession begann vor Kreditkrise
Ölpreis für längere Zeit niedrig erwartet

Wir rechnen im Rohstoff-Report nun damit, dass der Ölpreis mindestens bis zum Jahr 2010 auf einem Niveau von 50 Dollar oder darunter bleiben wird. Die Folgen eines solchen Niedrigpreises sind verheerend. Die Grenzkosten im weltweiten Durchschnitt liegen bei 65 Dollar. Saudi Arabien hat sich "geoutet" und das erste Mal in der Öffentlichkeit ein Ölpreisziel für neue Projekte von 70-75 Dollar genannt. Neue Projekte liegen in der OPEC bei Grenzkosten von 85 Dollar pro Barrel - außerhalb der OPEC dürften Ölpreise von 100 Dollar nötig sein, um zusätzliche Ölfördermengen an den Markt bringen zu können.

Abu Dhabi kann seinen Büroturm, welcher der höchste der Welt werden sollte, wegen der Kreditkrise nicht mehr weiter bauen. Grund: Obwohl hier die reichsten Araber investierten, waren sie auf Kredite angewiesen, um den Bau durchzuführen. Diese Kredite sind nicht mehr verfügbar. Außerdem wurde der Bau zu Ölpreisen von 70 oder 80 Dollar geplant und begonnen, zahlreiche weitere Projekte wurden in der Gewissheit, dass die Ölpreise jetzt nur noch weiter steigen werden, ebenfalls mit Krediten finanziert. Ölpreise von 50 Dollar oder darunter für eine verlängerte Zeitdauer wird dazu führen, dass viele Ölunternehmer in den arabischen Ländern ihre Schulden nicht mehr bezahlen können. Das Risiko politischer Instabilität gerade in Saudi Arabien wächst nun von Tag zu Tag, an dem der Ölpreis auf einem niedrigen Niveau liegt. Nach Meinung des Rohstoff-Reports hat auch die erhöhte Marinepräsenz vor dem Horn von Afrika mit diesem erhöhten saudischen Risiko zu tun.

Im Folgenden möchten wir einzelne Unternehmen betrachten, die im Zuge der Kreditkrise Änderungen an ihren Finanzierungs- und Investitionsplänen durchführen mussten.

Kreditkrise wirkt auf Ölunternehmen

Saudi Arabian Oil Co., Aramco wird das Projekt zur Erschließung für das Manifa-Offshore-Ölfeld mit Snamprogetti neu ausschreiben. Snamprogetti ist soll sich erneut um das Bieterverfahren bewerben, an dem bereits die Unternehmen Bechtel, Technip und Foster Wheeler teilnehmen. Snamprogetti ist ein Tochter des italienischen Saipem-Konzerns. Das Projekt zur Erschließung des Manifa-Offshore-Ölfelds soll neu ausgeschrieben werden, nachdem der Ölpreis deutlich gefallen ist. Saudi Aramco, die staatliche saudische Ölgesellschaft, will Kosten sparen. Bis Mitte des Jahres 2011 soll das Ölfeld dann bei erfolgreicher Erschließung 900,000 Barrels Erdöl pro Tag fördern - die Wahrscheinlichkeit ist nun aber hoch, dass der Produktionsbeginn des Feldes durch die neuen Verhandlungen verzögert wird.

Das Frachtunternehmen Svithoid Tankers meldete Insolvenz an, nachdem sein Hauptkunde, der Erdgashandelskonzern Catalyst Energy Group Inc. wegen geringerer Verfügbarkeit von Krediten seinerseits Insolvenz anmelden musste.

Petrobras, die staatliche brasilianische Ölgesellschaft, hat Probleme, seine Felder in der Tiefsee zu erschließen, da die Lieferanten für Bohrinseln und Bohrausrüstung nicht wie vereinbart liefern können. Viele der Lieferanten sahen sich im dritten Quartal plötzlich mit der Situation konfrontiert, die Ausrüstung nicht mehr fertigen zu können, da ihr Banken alle Kreditlinien quasi über Nacht strichen. Nun steht Petrobras vor der Wahl, diese Kredite ersatzweise zu gewähren, oder sich neue Lieferanten zu suchen. Dies würde neue Verzögerungen und höhere Kosten bedeuten.

Viele Unternehmen versuchen auch, ihre Investitionspläne auf das zu beschränken, was sie aus ihrem Cashflow finanzieren können. Die kanadischen Ölsandproduzenten Suncor und Petro-Canada haben Pläne zum Kauf von Ölsandinfrastruktur verschoben und dies unter anderem mit Finanzierungsproblemen begründet. Der US-Erdgaskonzern Chesapeake Energy hat seine Investitionspläne dreimal innerhalb nur eines Monats gekürzt.

Nur wenige Unternehmen haben Wege gefunden, die schlechte Verfügbarkeit von Krediten zu umgehen. Der russische Ölmulti Rosneft hat ein Abkommen mit der chinesischen Energieunternehmen CNPC Sinopec getroffen. Die Chinesen werden den Russen Kredite für den Bau einer Pipeline gewähren, während Russland den Chinesen im Austausch langfristige Öllieferungen versprechen. China kann sich auf diesem Wege eine langfristige Garantie für einen strategischen Rohstoff sichern, und schafft es gleichzeitig, andere potenzielle Abnehmerländer auszusperren. Lukoil, ein weiterer russischer Ölkonzern, hat die Russian Development Bank um einen Kredit in Höhe von 1,8 Milliarden US-Dollar angerufen, um seine langfristigen Auslandsschulden refinanzieren zu können.

Eine weitere Möglichkeit, die Kreditkrise zu überleben, ist für einige Unternehmen im Ölgeschäft eine Fusion mit einem zahlungskräftigen Partner. Obwohl es bereits einige Fusionen gab, scheinen viele Ölmultis die Option von günstigen Übernahmen noch in der Reserve zu halten.

Viele Projekte werden in der Zukunft schlichtweg nicht mehr rentabel sein. Diese Gewissheit wird sich immer mehr in den Köpfen der Ölunternehmer festsetzen, umso länger der Ölpreis auf einem niedrigen Niveau bleiben wird. Zu den neuen und gleichzeitig teuren Projekten zählen vor allem die Tiefseefelder vor der brasilianischen Küste, der kanadische Ölsand, Öl in der Bakken-Formation in den USA und das Öl in der Arktis.

Die Folge all dessen ist, dass die Ölproduktion bereits begonnen hat, abzunehmen. Investitionspläne für zusätzliche Fördermengen werden zusammengestampft, also ist es wahrscheinlich, dass die Ölproduktion für eine lange Zeit fallen und auf einem niedrigen Niveau bleiben wird. Selbst wenn die Ölpreise sich wieder erholen, wird der Misstrauen der Ölgesellschafter und die knappe Verfügbarkeit von Krediten weiterbestehen.

Zusammenfassung

Aus den genannten Gründen raten wir, Trading-Positionen ausgenommen, von Investitionen in den Ölpreis ab. Der Ölpreis wird mindestens ein bis zwei Jahre auf einem sehr niedrigen Niveau im Bereich von 50 US-Dollar bleiben. Für einen neuerlichen Anstieg muss der Ölpreis in diesem Bereich erst einen Boden ausbilden, der Basis sein kann für einen neuerlichen Anstieg. Es ist angesichts der konjunkturellen Unwägbarkeiten und Abschwächungstendenzen weltweit nicht zu erwarten, dass der Ölpreis jezt schnell wieder ansteigt. Vielmehr ist ein weiterer Rückgang vom aktuellen Niveau von 45 Dollar zu erwarten. Preise von 30 Dollar sind für das Jahr 2009 durchaus realistisch. Es besteht aus unserer Sicht für Privatanleger keine Eile, in Erdöl jetzt investieren zu müssen.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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