Kommentar
14:12 Uhr, 23.07.2008

Ereignisreiche Woche an den Aktienmärkten

Wir empfehlen das aktuelle Kursniveau zu nutzen, um Aktienpositionen aufzubauen. Der in den niedrigen KGVs eingepreiste Gewinnrückgang hat inzwischen das Niveau vergangener zyklischer Rezessionen erreicht. Kurzfristig wird das Umfeld allerdings weiterhin von Unsicherheit über die Finanzmarktkrise, der schwachen Konjunktur und höherer Inflation geprägt bleiben.

Ereignisreiche Woche an den Aktienmärkten

Die jüngste Entwicklung an den Aktienmärkten hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit der Echternacher Springprozession, bei der die Pilger zunächst drei Sprungschritte nach vorn und dann zwei zurück machen. Nur die Reihenfolge war eine andere. Bis zur Wochenmitte gaben die Aktienindizes deutlich nach. So fiel etwa der Deutsche Aktienindex am Mittwoch kurzzeitig sogar auf unter 6.000 Punkte, um sich danach dann aber für viele Marktteilnehmer überraschend deutlich nach oben zu bewegen. Per saldo steht bei den meisten großen Indizes schließlich ein Plus zu Buche. Was waren die Gründe für die rasante Achterbahnfahrt an den Börsen?

Finanzmarktkrise fordert ihre nächsten Opfer

Der Wochenstart stand ganz im Zeichen der eskalierenden Finanzmarktkrise. Mit den beiden Immobilienfinanzierern Fannie Mae und Freddie Mac erwischte es jetzt zentrale Säulen des amerikanischen Finanzsystems. Die beiden halbstaatlichen Aktiengesellschaften bürgen für Hypotheken mit einem geschätzten Wert von 5.000 Milliarden US-Dollar, deren Rückzahlung im Gefolge des Preisverfalls am Wohnungsmarkt zunehmend gefährdet ist und zu entsprechenden Abschreibungen geführt hat. Die amerikanische Regierung und die US-Notenbank (Fed) sahen sich angesichts der immer bedrohlicheren Lage der beiden Institute zum Eingreifen gezwungen. Sie schnürten ein Rettungspaket mit folgenden Maßnahmen im Mittelpunkt:

1. Die Fed öffnet ihnen das Diskontfenster und ermöglicht dadurch den direkten Zugang zu kurzfristigem Zentralbankgeld.

2. Das US-Finanzministerium hat die Kreditlinien für beide Institute ausgeweitet und wird ermächtigt, Aktien von Fannie Mae und Freddie Mac zu kaufen. Damit ist - vorbehaltlich der Zustimmung des Kongresses - die bisher schon bestehende stillschweigende Staatsgarantie in eine explizite überführt worden.

Nach dem Fall von Bear Stearns haben die US-Behörden damit zum zweiten Mal eine groß angelegte Rettungsaktion durchgeführt. Die Verunsicherung der Anleger konnte damit aber zunächst nicht beseitigt werden, wie die verhaltenen Reaktionen am Aktienmarkt zeigten.

Inflationsrisiken bleiben hoch

Die Veröffentlichungen der letzten Woche haben es noch einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Das Thema Inflation wird uns weiter ein treuer Wegbegleiter sein. Wie am Mittwoch endgültig bestätigt wurde, betrug die Teuerungsrate im Euroraum zuletzt 4,0 Prozent. In den USA lag der Preisanstieg sogar bei 5,0 Prozent und damit so hoch wie seit 1991 nicht mehr. Selbst die um Energie- und Nahrungsmittelpreise bereinigte Kernrate betrug immerhin noch 2,4 Prozent. Der in beiden Wirtschaftsräumen angeschlagenen Konjunktur mit Hilfe der Zinspolitik unter die Arme zu greifen, bleibt damit reines Wunschdenken. Unterstützung von geldpolitischer Seite können die Aktienmärkte jedenfalls nicht erwarten. Dies war auch der Tenor der jüngsten Bernanke-Reden vor beiden Häusern des US-Kongresses. Zwar zeichnete er ein insgesamt pessimistisches Bild vom Zustand der US-Wirtschaft. Gleichzeitig warnte er jedoch vor Inflationsrisiken. Dies deutet darauf hin, dass die Fed die Leitzinsen bis auf weiteres unverändert lassen wird.

Quartalszahlen, Verbot von Leerverkäufen im Finanzsektor und sinkender Ölpreis leiten die Wende ein

Verglichen mit den geringen Erwartungen erfreuliche Quartalsergebnisse ließen die Aktienmärkte in der zweiten Wochenhälfte aufatmen. Besonders die ansprechenden Zahlen der US-Banken Wells Fargo, JP Morgan Chase und Citibank leiteten eine Erholungsrallye im zuvor stark gebeutelten Bankensektor ein. Die eher enttäuschenden Zahlen von Merrill Lynch konnten die Stimmung hingegen nicht nennenswert beeinträchtigen. Rückenwind erhielt die Branche auch durch die Ankündigung der amerikanischen Wertpapieraufsicht SEC, ab dem heutigen Montag Leerverkäufe im Finanzsektor zu unterbinden. Damit soll das Anspekulieren von Bankaktien im Zusammenhang mit Gerüchten über mögliche Liquiditätsprobleme eingedämmt werden. Speziell die Investmentbank Lehman Brothers stand zuletzt mehrmals im Fadenkreuz von Baissespekulanten

Deutschen Finanztiteln half zudem der sich anbahnende Verkauf der Dresdner Bank durch die Allianz an die Commerzbank. Nach der Übernahme der Deutschlandsparte der Citigroup durch die französische Crédit Mutuel wäre dies ein weiterer großer Schritt bei der Neuordnung der hiesigen Bankenlandschaft. Am deutschen Aktienmarkt stand daneben die geplante feindliche Übernahme des Automobilzulieferers Continental durch die Schaeffler Gruppe im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Unterstützung erhielten die Märkte endlich auch mal wieder von der Ölpreisentwicklung. Die weitere Eintrübung der globalen Konjunkturaussichten, die Entspannung im israelisch-iranischen Atomkonflikt sowie gestiegene Lagerbestände ließen den Preis für ein Fass (159 Liter) der Sorte WTI binnen Wochenfrist um rund 15 US-Dollar fallen. Damit wurde Öl ein wichtiger Schmierstoff für die Aktienmärkte.

Ausblick

Die Quartalsberichtssaison wird auch in dieser Woche das Geschehen an den Aktienmärkten dominieren. Besondere Aufmerksamkeit dürfte dabei erneut Finanztiteln wie Bank of America und Credit Suisse zuteil werden. Mit VW und Daimler berichten auch zwei große DAX-Werte. Von Konjunkturseite könnten insbesondere die für den Euroraum relevanten Frühindikatoren, die am Donnerstag bekannt gegeben werden, die Märkte beeinflussen. Hier ist mit einer weiteren Abschwächung zu rechnen.

Quelle: Union Investment

Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 174,5 Mrd. Euro verwaltete die Gesellschaft per 31. Dezember 2007. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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