Erdöl: So dramatisch, wie es aussieht, ist es (noch) nicht
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Die Preise für Erdöl bewegten sich in der vergangenen Woche seitwärts und notieren am Montag gegen 11 Uhr an der unteren Begrenzung dieser Spanne. Brentöl durchbrach mit dem gestrigen Preisrückgang einen Aufwärtstrend, der seit Dezember 2005 als Stütze der Teuerungsspirale wirkte. Nun drohen weitere Abgaben bis zur Unterstützung bei 67,92 US-Dollar gegenüber aktuell 69,90 US-Dollar pro Fass.
Inmitten der Hurrikansaison und der geopolitischen Spannungen ist es allerdings aus unserer Sicht unwahrscheinlich, dass die Korrektur deutlich über dieses Maß hinausreichen wird.
Die Hurrikans scheinen in diesem Jahr (noch?) eine relativ geringe Rolle bei der Preisbildung von Erdöl zu spielen, da offenbar die wenigsten Marktteilnehmer auf eine Wiederholung der katastrophalen Sturmsaison 2005 setzen wollen. Gerade erst wurde die Prognose für die Zahl der Hurrikans, die in diesem Jahr das US-Festland erreichen werden, von fünf auf drei gesenkt. Wenn überhaupt, haben die Hurrikans in den USA einen temporären, aber keinen nachhaltigen Effekt auf die Erdölpreise. Mit Ausnahme von Hurrikan Ivan, der sich wirklich nachhaltig mit Preissteigerungen auswirkte. Stärker scheinen die Auswirkungen der Hurrikans auf den Erdgaspreis zu sein, was daran liegen mag, dass ein großer Teil der Erdgasgewinnung der USA im Golf von Mexiko liegt und die USA keine strategischen Notreserven bei Erdgas halten.
Marktteilnehmer scheinen den kommerziellen Lagerbeständen in den USA bei Erdöl und Benzin zurzeit ohnehin eine größere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Benzinbestände sind in der letzten Woche gestiegen, obwohl die Nachfrage über dem Vorjahr liegt. Die Lager sind damit voller als im Vorjahr und als im 14-Jahresdurchschnitt. Die Versorgungslage bei Erdöl und den Mineralölprodukten scheint also gesichert, die US-Erdölbestände liegen auf dem höchsten Niveau seit 1999.
Wie kann es dann sein, dass die Märkte der Besetzung einer rumänischen Erdölplattform durch iranische Truppen oder den Seekriegsmaneuvern des Iran in der Straße von Hormuz keine Aufmerksamkeit schenken? Die Preise fallen, obwohl am Donnerstag dieser Woche das Ultimatum des Westen für den Iran ablaufen und eine weitere Verschärfung des Konflikts wahrscheinlich wird. Irans Präsident lehnte das Ultimatum in einer vorläufigen Stellungnahme ab.
Einmal ist es also die gute tatsächliche Versorgung des Marktes, dann wieder die geringe Versorgungssicherheit, was die Preise bestimmt. Wir rechnen angesichts der geopolitischen Unsicherheit im Nahen Osten nicht damit, dass die Ölpreise nachhaltig korrigieren werden, solange die Situation im den Iran nicht geklärt sein wird. Bislang ist der Rückfall beim Ölpreis als „gesund“ zu bezeichnen, und der Preisrückgang hatte sich gar vorhersehen lassen, da der Ölchart gewisse Charakteristiken in sich trägt, die sich immer wieder in gleichen Mustern wiederholen. Für die aktuelle Abwärtsbewegung maßgebliches Charakteristikum ist ein charttechnisches Doppeltopp im Brentöl im Bereich von 78 Dollar, das auch schon in den letzten Monaten immer wieder auftrat. Halten Sie die Marke von 67,92 US-Dollar im Auge – hier sollten die Preise sich stabilisieren. Wenn nicht, kann es zu deutlich fallenden Notierungen kommen.
Jochen Stanzl
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