Kommentar
09:00 Uhr, 24.01.2008

Erdöl – Knappheit und Spekulation treibt die Preise

Erwähnte Instrumente

  • WTI Öl
    ISIN: XC0007924514Kopiert
    Aktueller Kursstand:   (JFD Brokers)

Der Ölpreis hat sich im Jahr 2007 fast verdoppelt. Ausgehend von unter 50 Dollar im Januar stieg der Fasspreis bis auf 98,66 Dollar und trug damit zur merklichen Erhöhung der Inflation bei. In Deutschland stieg die Teuerungsrate im November erstmals wieder seit dem Jahr 1994 über die 3%-Marke. Schuld daran sind laut dem Bericht des Statistischen Bundesamtes neben den gestiegenen Nahrungsmittelpreisen auch die Energiepreise. Dass die Nahrungsmittelpreise in dem Monatsbericht des Statistischen Bundesamtes getrennt aufgeführt werden, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Energie- und Nahrungsmittelpreise zukünftig immer enger aneinander gekoppelt sein werden. Der Grund hierfür: Die USA verarbeiten als einer der größten Getreidehersteller der Welt immense Mengen an Mais zu dem Benzin-Ersatz Ethanol. Um die gierigen Ethanolbrennereien mit genügend Mais versorgen zu können, werden Anbauflächen bei Sojabohnen und Weizen eingespart. Mais ist traditionell in den Industrieländern ein Futtermittel, während Soja und Weizen primär zur Nahrungsmittelherstellung verwendet werden. Dadurch, dass die Ethanolproduktion in den nächsten Jahren in den USA mit zweistelligen Wachstumsraten immer mehr Mais verbrauchen wird, ist ebenfalls mit einer immer engeren Bindung des Ölpreises an die Nahrungsmittelpreise zu rechnen.

Weltweit steigende Ölnachfrage

Die Internationale Energieagentur EIA sieht die globale Ölnachfrage im Jahr 2012 bei 95,8 Millionen Barrel pro Tag, gegenüber aktuell rund 84,5 Millionen Barrel. Das Wachstum sieht die Agentur bis dahin bei 2,2% oder 1,9 Millionen Barrel pro Jahr. Die Nachfrage in Asien und China wird dabei dreimal schneller wachsen, als in den Industrieländern. Auf der Angebotsseite rechnet die IEA mit einer Ausweitung der Ölproduktion der Nicht-OPEC-Staaten um 2,6 Millionen Barrel pro Tag – die OPEC werde ihre Produktion bis 2012 auf 38,4 Millionen Barrel pro Tag ausweiten, von 34,4 Millionen Barrel in diesem Jahr. Unter dem Strich wird dies dazu führen, dass die Restkapazitäten der OPEC auf „unkomfortabel niedrige Niveaus“ fallen, so die IEA. Bereits jetzt kann die OPEC nur noch 2,5 bis 3 Millionen Barrel Erdöl zusätzlich auf den Markt bringen, sollte dies von Nöten sein.

Geopolitische Risiken

Auch wenn in den letzten Monaten geopolitische Risiken weniger ein Thema waren, schweben mögliche Förderausfälle bei großen Produzenten wie Iran oder Nigeria wie ein Damoklesschwert über dem Ölmarkt. Gerade weil die Restkapazitäten bei der OPEC knapp sind, gäbe es kein Ausweichen auf andere Fördermengen, wenn beispielsweise Iran mit einer täglichen Fördermenge von 3,5 Millionen Barrel ausfallen würde.

Ölknappheit hält an

Öl wird wohl bald nicht mehr so reichlich und so billig aus der Erde sprudeln, wie in der Vergangenheit. Dieser Annahme zugrunde liegt eine in US-Fachkreisen „Peak Oil“ genannte Theorie. Sie geht zurück auf den US-Geologen Hubbert, der mit seinen Modellen bereits in den 1950er Jahren das Fördermaximum in den Vereinigten Staaten vorhersagen konnte, obwohl es erst rund 25 Jahre später eintrat. Er fand heraus, dass die zeitliche Entwicklung der Produktion eines Ölfeldes einer Glockenkurve ähnelt, deren Fördermaximum dann erreicht wird, wenn das Feld zur Hälfte entleert ist. Auch hohe Investitionen können danach nicht mehr verhindern, dass die Förderleistung rapide sinkt. Laut Hubbert habe die weltweite Ölförderung bereits im Jahr 2000 ihren Höhepunkt erreicht. Widerlegt wurde er nicht, denn seither konnte die Produktion zumindest nicht deutlich weiter ausgebaut werden. Andere Experten sehen das weltweite Fördermaximum bis zum Jahr 2010, wieder andere Experten aber auch erst viele Jahre danach.

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Wie dem auch sei, fest steht, dass die Ölproduktion zumindest in den Industrienationen bereits seit Jahren fällt. Milliardeninvestitionen konnten beispielsweise nicht verhindern, dass die Produktion der Nordsee um ein Viertel unter ihren Höhepunkt im Jahr 1999 fiel. Die Industrieländer werden damit abhängig vom Ölimport aus dem Weltmarkt. Bereits heute muss die EU rund ein Drittel ihres Erdöls aus anderen Erdteilen importieren. Doch auch in anderen Erdteilen häufen sich die Berichte über rückläufige Erträge von Ölquellen. Beispielsweise das große Prudhoe Bay-Feld in Alaska. Es brachte fast 12 Jahre lang 1,5 Millionen Barrel pro Tag (MbpT). Die Höchstfördermenge wurde 1989 erreicht, heute sind es nur noch 0,35 MbpT. Anfang 2006 meldete die mexikanische Ölgesellschaft Pemex, ihr größtes Ölfeld, Cantarell, sei erschöpft. Es trage aktuell noch zu 60 Prozent zur mexikanischen Ölförderung bei und werde ab jetzt pro Jahr 6 Prozent weniger Öl produzieren. In zehn Jahren wird die Produktion nach dieser Prognose also um 50 Prozent unter dem jetzigen Niveau liegen. Ähnlich miserabel steht es offensichtlich um das größte kuwaitische Ölfeld, Burgan. Es soll nach offiziellen Angaben der Kuwait Oil Company ebenfalls seinen Förderhöhepunkt erreicht haben. Eines ist allen diesen Ölquellen gemeinsam: Sie sind bereits Jahrzehnte alt. Der Druck, mit dem das Öl aus der Erde sprudelt, nimmt mit zunehmendem Alter des Feldes ab. Nur durch die Tatsache, dass Wasser oder Erdgas in die ölhaltigen Gesteinsschichten gepumpt wird, kann die Produktion aufrecht erhalten werden. Dies kann über viele Jahre funktionieren. Doch irgendwann verpufft auch diese Maßnahmen und die Fördermenge bricht in sich zusammen. Auch die russischen Ölfelder werden mit dieser Methode „aufgepeppelt“. Die Wassermengen, welche in die russischen Ölreservoirs gepumpt werden müssen, übersteigen das förderbare Erdöl stellenweise um ein vielfaches. Ein Schwenk nach Saudi Arabien: Das größte Ölfeld der Welt, Ghawar, liefert fast 50 Prozent des saudischen Öls und ist mit einer Produktionsmenge von ungefähr 5 MbpT das weltweit größte Ölfeld aller Zeiten. Sprudelte vor Jahren das Öl noch von allein aus dem Boden, müssen heute 7 Millionen Barrel Salzwasser pro Tag hineingepumpt werden, um an schätzungsweise 5 MbpT Erdöl zu gelangen. Die Fördermengen einzelner Länder und Rohstoffe sowie weitere nützliche Informationen können Sie beispielsweise in der interaktiven ÖL-Weltkarte der Rohstoff-Rubrik von GodmodeTrader.de nachlesen bzw. nachschlagen.

Klicken sie auf den Chart, um den Profichart von Brentöl zu laden!

Glaubt man dem bekannten US-Ölanalysten Matthew R. Simmons, so ist dies ein alarmierendes Signal für den bevorstehenden Zusammenbruch der Förderung des größten Ölreiches der Welt. Simmons schreibt in seinem gelobten Buch „Twilight in the Desert“ (Abenddämmerung in der Wüste), dass ein möglicherweise eintretender saudischer Produktionsrückgang durch nichts zu ersetzen sei. Saudi Arabien ist die „Tankstelle der Welt“. Immer dann, wenn irgendwo auf der Welt eine große Quelle versiegte oder die Nachfrage eines Landes schnell anstieg, konnte Saudi Arabien auf Anfrage mehr Öl liefern. Das könnte bald vorbei sein. Auch wenn aus Ölfeldern, die ihr Produktionsmaximum überschritten haben, wahrscheinlich noch für Jahrzehnte Öl sprudeln wird, so stehen sie nicht mehr für Produktionsanhebungen zur Verfügung. Entscheidend für die Ölproduktion ist nicht, wie viel unter der Erde liegt. Diese Zahlen sehen gar nicht so schlecht aus. Es geht vielmehr darum, dass die Produktion unaufhaltsam bergab gehen wird, sobald das Produktionsmaximum erreicht ist. Neue Felder müssen dann gefunden werden, die genug Öl produzieren, um die ständig steigende Weltnachfrage und die rückläufige Produktion zu kompensieren. Dies führt irgendwann unausweichlich dazu, dass Angebot und Nachfrage immer weiter auseinanderklaffen und die Ölpreise deutlich steigen.

Preise von 180 Dollar möglich

Analysten sehen bereits weitere Ölpreissteigerungen, auch über die 100-Dollar-Marke hinausgehend. Ganz konkret erwartet auch der Rohstoff-Report unter der Leitung von Jochen Stanzl ein Kursziel von 180 Dollar auf Sicht der nächsten Jahre. „Wir verwenden so genannte Preisprojektionen zur Bestimmung der Ölpreisziele. Diese sind rein technisch und lassen die fundamentalen Kriterien außen vor. Das bedeutet aber nicht, dass diese unwichtig sind. Fundamentale Daten werden von uns sehr genau beobachtet. Wenn es aber zu konkreten Preiszielen kommt, brauchen wir einfach zusätzlich den Chart als Richtschnur. Das Kursziel von 100 Dollar konnte so bereits im Sommer bestimmt werden, als der Ölpreis über 78 Dollar angestiegen ist. Ausgehend von 100 Dollar dürfte es dann aber zu einer größeren Korrektur im Ölpreis kommen. In der Folge wird es dann aber weiter aufwärts gehen, denn der große Aufwärtstrend bleibt weiter intakt. 180 Dollar stehen das nächstes, aus Projektionen bestimmtes Ziel für den Ölpreis an.“

Quelle: Rohstoff-Report

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Über den Experten

Jochen Stanzl
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Chefmarktanalyst CMC Markets
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Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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