Kommentar
14:59 Uhr, 12.12.2012

Erdgas: Eine alte Industrie in Aufbruchstimmung

Erwähnte Instrumente

  • Open End Partizipationszertifikat auf S&P/GS COMERGIX LNG ER
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Am amerikanischen Arbeitsmarkt ist Flaute. Nur in einem Sektor herrscht ein Boom: In der Exploration und der Erschließung von Öl- und Gasvorkommen. Seitdem es amerikanischen Konzernen im Jahr 2005 gelang, in Schiefergestein gebundenes Öl aufzusprengen und an die Oberfläche zu transportieren wurden in diesem Sektor rund 80.000 neue Stellen geschaffen. Nur noch 60.000 neue Stellen und die amerikanische Öl- und Gasindustrie wäre wieder in den guten Zeiten angelangt, in der sie sich noch in den 1970er Jahren befand. Damals gingen die traditionellen Öl- und Gasreserven langsam zur Neige – eine ganze Industrie begann zu schrumpfen. Einige Studien sehen die Vereinigten Staaten im Jahr 2020 schon wieder auf der Liste der Öl- und Gasexporteure der Welt. Das war vor fünf Jahren noch unvorstellbar.

Während der Export von Öl relativ einfach zu bewerkstelligen ist – Öl muss in Tanker verladen und zum Endkunden, etwa nach China transportiert werden – gestaltet sich der Export von Erdgas, das bei der Ölschieferproduktion quasi kostenlos als Nebenprodukt gefördert wird, schon schwieriger. Hierzu sind hohe Investitionen notwendig, die den bloßen Ausbau von Pipelines oder Häfen, wie er beim Öl notwendig sein wird, wenn die USA selbiges in großen Mengen exportieren wollen, um Weiten übersteigt. Das liegt daran, dass Gas nun einmal sehr voluminös ist, und zwar 600 Mal voluminöser als in seiner flüssigen Form, die es annimmt, wenn man es auf −162 °C herunterkühlt. Da auf dem Seewege Kapazitäten knapp sind und direkt korrelieren mit den Kosten müssen entsprechende Umwandlungsanlagen, so genannte LNG-Terminals dort gebaut werden, wo die Erdgas-Trassen auf dem Festland an den Häfen enden.

Welch riesenhafte Anlagen das sind, davon kann man sich ein gutes Bild machen wenn man die Webseite www.qatargas.com besucht. Katar, in diesem Jahr der Veranstaltungsort einer gescheiterten Klimakonferenz, ist der Weltmarktführer beim Abbau und Export von verflüssigtem Erdgas, so genanntem LNG. Das Land ist gesegnet mit dem South-Pars-Feld – dem größten jemals auf der Erde entdeckten Gasvorkommen. Da die Besitzrechte aber nicht ganz klar sind, befindet sich Katar in einer Art Wettstreit mit dem Iran, und zwar darum, wer das Feld als erstes ausgebeutet und das Gas exportiert haben wird. Während Katar früh den Weg der LNG-Terminals wählte, die den Export des Gases via hochmodernen LNG-Tankschiffen in alle Welt, aber vor allem nach China ermöglichen, setzt Iran auf den Bau von Pipelines, was aber durch immer straffer gezogene Sanktionen gegen Teheran mittlerweile trotz einer gewissen geschäftlichen Nähe zu China fast unmöglich geworden ist. Daher scheint Katar auf dem Weltmarkt für LNG viel besser Fuß fassen zu können, als der Iran. Vielleicht bietet auch dieser geopolitische Background Doha die notwendige Sicherheit, die in den letzten Jahren um das Fünffache gestiegenen Kosten für den Bau von LNG-Terminals zu stemmen. Eine LNG-Kapazität von 1000 Tonnen pro Jahr kostet heute bis zu 1000 Dollar, vor sechs Jahren waren es nur 200 USD, schreibt der „Economist“.

Die Technologie, die Erdgas zu Flüssigkeit verwandelt, ist ein Segen für viele weitere Länder, die das Glück haben, für ihre Erdgasvorkommen, die bislang nicht transportabel waren, die entsprechenden Investoren finden zu können. Endlich kann das Gas, das nicht im eigenen Land benötigt wird, in alle Welt verkauft werden. Allen voran zu nennen ist hier Chevrons Wheatstone-LNG-Projekt in Australien, das insgesamt rund 23 Milliarden EUR kosten wird. Aber auch in Zentralamerika und in Südostasien wird im großen Stil in LNG investiert.

Öl fließt von dort, wo es am günstigsten ist, dorthin, wo es am teuersten ist. Was bei Öl schon immer galt, seitdem es ohne größere Kapazitätsbeschränkungen auf dem Seewege transportiert werden konnte, wird zukünftig in immer stärkerem Maße auch für das Gas gelten. Preisunterschiede, die heute vorherrschen, wird es bald nicht mehr geben. Heute wird in den USA eine BTU-Einheit Gas für 3,50 USD gehandelt, während der ölpreisindexierte Gaspreis in Europa bei 12 USD gehandelt wird. In Asien wird von Preisen von bis zu 16 USD berichtet. Rund 90% des weltweiten Gashandels ist lokal – LNG verknüpft die Regionen, die bislang von den Pipelines nicht erreicht werden konnten.

Hier haben wir also eine Industrie im Aufbruch in ein neues Zeitalter – nach der Atomkatastrophe von Fukushima und den mittlerweile für alle offenbar gewordenen hohen Kosten erneuerbarer Energieträger wird das Erdgas weltweit vermutlich zu etwas werden, was der jetzt wiedergewählte amerikanische Präsident Obama in seiner ersten Amtszeit als „Den alternativen Energieträger Nummer Eins“ titulierte. Ob die Zukunft für alle Unternehmen im LNG-Sektor Eitel Sonnenschein sein wird, ist allerdings fraglich. Hohe Investitionen, ein unsicheres regulatorisches Umfeld und hohe Unwägbarkeiten bei der zukünftigen Rentabilität, wenn die LNG-Preise sich einmal auf ein weltweites Durchschnittsmaß eingependelt haben werden, sind nur einige der Stolpersteine, denen sich die CEOs der Konzerne annehmen müssen, um ihre Aktienkurse sowie die Zufriedenheit der Aktionäre in die Höhe zu heben.

Zum Schluss möchte ich Ihnen ein Zertifikat für diesen Sektor nicht schuldig bleiben – entscheiden Sie selbst, ob die CEOs bei ihrem Projekt erfolgreich sein werden: ISIN „DE000GS34W63“. Dahinter verbirgt sich der COMERGIX-Index von Goldman Sachs, was, nach längerer Suche meinerseits und unter Konsultation meines Kollegen aus der Derivate-Redaktion Armin Geier das derzeit attraktivste, weil am weitesten gestreute LNG-Zertifikat am Markt ist. Außerdem ist das Zertifikat seit dem 8. März 2008 auf dem Markt und bietet Anlegern somit auch eine gewisse Orientierung, was die bisherige Entwicklung im Chart anbelangt.

Autor: Jochen Stanzl

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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