EPIGENOMICS: Nach dem Ausverkauf
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Knapper kann ein Urteil nicht ausfallen. Mit 5:4 Stimmen sprach sich ein Expertenpanel der US-Zulassungsbehörde FDA am vergangenen Mittwoch für die Zulassung eines von Epigenomics entwickelten blutbasierten Darmkrebsvorsorgetests aus. Anleger hatten sich aber ein klareres Votum erhofft und schickten die Aktie gen Süden. GodmodeTrader hakte bei Dr. Thomas Taapken, dem Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens, nach.
Herr Taapken, hat das Ergebnis Ihre Erwartungen erfüllt? Es fiel ja sehr knapp aus. Wie sehen Sie die Chancen auf eine finale Zulassung?
Es ist immer schwer zu sagen, ob sich unsere Erwartungen erfüllt haben. Unter den Experten wurde in jedem Fall sehr intensiv diskutiert. Schlussendlich sind die Experten zu dem Ergebnis gekommen, dass der Nutzen des Tests größer ist als die Risiken, was aus unserer Sicht einer indirekten Empfehlung zur Zulassung entspricht. Solche Panels werden von der FDA im Übrigen nur dann einberufen, wenn sie sich zusätzlichen Expertenrat einholen will. Meine Meinung ist, der Rat ist in diesem Fall relativ eindeutig ausgefallen.
Was bei der ganzen Diskussion etwas außen vor geblieben ist, ist die Tatsache, dass wir es hier mit einem Test zu tun haben, der insbesondere Personen, die sich bislang der Darmkrebsvorsorge entzogen haben, eine mögliche zusätzliche Option bietet. Das ist der entscheidende Vorteil, den wir mit einem blutbasierten Test haben. Das Panel stimmt aber nicht über diesen Punkt ab. Das muss man wissen. Nur der Markt wird nach der Zulassung letztendlich über die Akzeptanz eines solchen Tests, d.h. seine Fähigkeit, die Vorsorgequote zu erhöhen, entscheiden.
Wir bleiben sehr zuversichtlich, dass die Zulassung erfolgen wird. Die nächsten Schritte, die wir mit der FDA unternehmen werden, bleiben unverändert gegenüber unserem bestehenden Plan. Dazu gehört das Meeting, das in einigen Wochen stattfinden wird. Thema sollte dabei das Labeling, d.h. die Produktkennzeichnung, sein. Auch wollen wir den Langzeitnutzen unseres Tests anhand einer weiteren Studie untermauern. Das hatten wir bereits im Vorfeld vorgeschlagen und wird ebenfalls Ende April thematisiert werden.
Was war Ihrer Meinung nach der Knackpunkt, weshalb das Votum derartig knapp ausgefallen ist? Die relativ hohen falsch positiven Ergebnisse wurden beispielsweise genannt.
Zunächst muss man sich im Klaren sein, was unser Test macht. Wenn Sie sich 1.000 Menschen im Alter 50+ vorstellen, werden Sie rein statistisch auf 7 Fälle von Darmkrebs stoßen. Unser Test kann 5 dieser 7 Krebsfälle identifizieren, was einer Sensitivität von 70% entspricht. Der Preis, den wir hierfür zahlen, ist, dass wir 200 dieser 1.000 Leute, die möglicherweise nicht Krebs haben, zu einer Darmspiegelung schicken. Das ist per se ja nichts Schlimmes in einem Land wie den USA, in denen die Darmspiegelung ja sowieso als Vorsorgemaßnahme Nummer 1 etabliert ist. Daher hat das Panel auch zurecht gesagt, sie sehen hier kein zusätzliches Risiko, da wir im Prinzip nur Leute dem bereits etablierten Vorsorgesystem zuführen. Auch muss man bei diesen 200 Leuten berücksichtigen, dass wohl bei 30 bis 50% der Menschen Polypen und andere Vorstadien von Krebs identifiziert werden. Netto werden wir also eher Nutzen stiften, als Schaden verursachen.
Allerdings fallen für diese Darmspiegelungen natürlich erneut Kosten an.
Das ist kein Gegenstand der Diskussion gewesen. Die FDA betrachtet dies aus rein medizinischer Sicht. Unnötige Darmspiegelungen gibt es unserer Meinung nach sowieso nicht in einem System, in dem eben die Darmspiegelung die Vorsorgemaßnahme Nummer 1 ist. Entweder, man ist konsequent der Meinung, dass man Darmspiegelungen für alle will oder eben nicht.
Kostenmäßig kann man das aus Sicht der Krankenkassen sicher diskutieren, ob man nicht versuchen will, die Leute direkt zu Darmspiegelungen zu bewegen. Allerdings dürfte auch bekannt sein, dass sämtliche Anstrengungen in diese Richtung bislang nicht von Erfolg gekrönt waren. Wir sehen gute Chancen, die Vorsorgequote mithilfe unseres Bluttests in den USA von 60 auf 80% zu erhöhen.
Einen Tag nach Ihrer Anhörung bekam der Mitbewerber Exact Sciences aus den USA eine Zulassungsempfehlung von 10:0 Stimmen. Sehen Sie den Test des Unternehmens als Konkurrenz?
Wir sehen Exact Sciences als Mitbewerber, aber nicht als Konkurrent. Denn die Amerikaner haben einen weiteren Stuhltest entwickelt. Die Quote von Stuhltests ist in den USA sogar rückläufig. Auch da haben wir folglich das Problem der fehlenden Akzeptanz. Ich persönlich kann mir nur schwer vorstellen, dass man die 20 bis 30 Millionen Menschen, die bislang weder Stuhltests noch Darmspiegelungen nutzen, zur Darmkrebsvorsorge bringt, indem man ihnen einen weiteren Stuhltest anbietet. Abgesehen davon ist der Test von Exact Sciences auch 20-mal so teuer wie der etablierte Stuhltest. Da das Panel aber naturgemäß lediglich über die medizinischen Aspekte, d.h. Wirksamkeit und Sicherheit eines Tests, abstimmt und Exact Sciences unbestritten gute klinische Daten vorlegt hat, war dieses positive Votum natürlich zu erwarten. Es sind aber zwei völlig unterschiedliche Produkte.
Wie geht es für Sie weiter in Sachen Zulassung? Wann erwarten Sie eine solche?
Das ist aktuell schwer einschätzbar. Wie schnell wir mit der FDA einig werden, wird davon abhängen, wie das Label geschrieben werden muss und wie eine Post-Approval-Studie aussehen wird. Wir hoffen, nach dem weiteren Treffen mit der FDA Ende April diesbezüglich Genaueres sagen zu können. Gerade der Punkt des Labels war heißdiskutiert bei dem Panel. So wurde uns von den Experten gesagt, sie hätten deutlich weniger Bauchschmerzen gehabt, wenn wir von vornherein festgelegt hätten, dass der Test nicht für jeden, sondern nur für Menschen, die sich einem Stuhltest oder einer Darmspiegelung verwehren, gedacht ist. Sie scheinen Angst zu haben, dass wir eventuell Personen mit unserem Test von den anderen beiden Vorsorgevarianten „abwerben“ könnten. Ein solch einschränkendes Label war unser erster Vorschlag gegenüber der FDA, weil dies genau unserer Zielgruppe entspricht. Die FDA wollte dies aber zunächst nicht. Daher werden wir natürlich auch kein Problem damit haben, hier wieder etwas zurückzurudern.
Was wären die nächsten Schritte nach erfolgter Zulassung?
Die Markteinführung gemeinsam mit unserem Partner Polymedco wäre der nächste Schritt. Polymedco ist ein großer Vertreiber von Stuhltests. Das Unternehmen wäre mit uns im Übrigen sicher keine Kooperation eingegangen, wenn sie befürchtet hätten, dass wir ihnen ihr existierendes Geschäft mit Stuhltests wegnehmen könnten. Polymedco ist vielmehr überzeugt, dass sie mit unserem Bluttest neue Märkte erschließen können, d.h. Menschen erreichen, die bisher nicht an einer Vorsorge teilnehmen.
Polymedco hat ein weit verbreitetes Netz an Laborkunden, denen sie die Stuhltests bereits verkauft. Die Produktpalette könnte mit unserem Bluttest erweitert werden. Parallel dazu werden wir uns insbesondere auf der medizinischen Seite dafür einsetzen, dass unser Test in die Früherkennungsrichtlinien aufgenommen wird, damit die Allgemeinmediziner die Möglichkeit erkennen, dass sie ihren Patienten ein weiteres Verfahren anbieten können. Die Ärzte richten sich sehr stark nach diesen Richtlinien.
Kommerziell müssen wir auch das Thema Erstattung angehen. Diese erfolgt nicht von der Versicherung an uns, sondern ans Labor. Daher werden wir die Labore unterstützen, diese Erstattungen zu erhalten.
Teil 2 des Interviews mit Dr. Thomas Taapken folgt morgen.
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