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14:09 Uhr, 11.02.2010

"Entspannungs-Rally" – aber: Kapitalerhalt sollte nun in den Vordergrund rücken

Externe Quelle: Unicredit

Der Aktienmarkt bewegt sich seit Ende 2009 zunehmend in einem Spannungsfeld zwischen positiven Impulsen von der konjunkturellen Seite und Risiken infolge der Spannungen in der EWU. Die Zunahme der Spannungen in der EWU und die ungewisse Perspektive für eine zügige und dauerhafte Lösung der Ursachen der Probleme machen u.E. eine vorsichtigere Strategie an den Aktienmärkten notwendig.

Die Spannungen in der EWU beginnen zunehmend die positiven konjunkturellen Faktoren zu dominieren bzw. zu verändern. In der vergangenen Woche haben die Spannungen in der EWU den spanischen Aktienmarkt unter Druck gesetzt. Im Gegensatz zum griechischen und portugiesischen Aktienmarkt hat der spanische Aktienmarkt in den europäischen Aktienindizes ein deutliches Gewicht, so dass sich nationale Kursrückgänge direkt negativ im Euro STOXX 50- Kursverlauf niederschlagen und nicht nur das Umfeld belasten. Im Hinblick auf die Perspektive für die Aktienmärkte erscheinen uns folgende Aspekte im Zusammenhang mit der EWU wichtig:

- Die Ursachen der Spannungen liegen neben den Defizit- Problemen einiger Länder in dem über Jahre hinweg eingetretenen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder. Nur eine Behebung der Ursachen der Spannungen kann zu einer nachhaltigen Verbesserung führen. Die EU-Kommission geht im Fall von Griechenland diesen Weg in dem sie dem Land ein bis dahin noch nicht dagewesene kurzfristige Rechenschaftspflicht über Reformschritte zur Defizitreduzierung auferlegt hat. Die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit ist jedoch ein langwieriger Weg.

- Ein "Überbrückungskredit" an Griechenland (z.B. in Form eines bilateralen Kredites bzw. Kreditlinie versehen mit strengen Reform-Auflagen; möglicherweise abgesichert durch Gold- und Devisenreserven als Sicherheit) kann die angekündigten griechischen Reformmaßnahmen flankieren und der griechischen Regierung Zeit für die Umsetzung der Reformen verschaffen, aber er ist natürlich keine Lösung an sich. Der Kredit selber löst die zugrundeliegenden Aufgaben – Reduzierung des Staatsdefizits und die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit – nicht. An diesem Donnerstag (11. Februar) tagen die Staats- und Regierungschefs in Brüssel und die EU-Finanzminister treffen sich nächste Woche (ecofin-Rat; 16. Februar). Entsprechende Beschlüsse zu solchen Terminen können eine "Entspannungs- Rally" begünstigen.

- Die im aktuellen Umfeld von manchen Kommentatoren ins Spiel gebrachten Lösungen (z.B. gemeinsame von der EU begebene Anleihen oder eine Garantie der EU für griechische Anleihen) tangieren in vielen Fällen das Fundament der Währungsunion (No-Bailout-Klausel, Unabhängigkeit der EZB, keine Finanzierung der Staatsverschuldung durch das Eurosystem). Eine echte Lösung muss an der Ursache der Probleme ansetzen. Eine Beschädigung des Fundaments der Währungsunion kann keine ernsthafte Option sein. Inwieweit es mit der konkreten Ausgestaltung der Hilfsmaßnahme gelingt Moral-Hazard zu vermeiden wird auch ein Kriterium für die Bewertung der mittelfristigen Implikationen sein.

- Per saldo dürfte die Unsicherheit auch im Falle eines Überbrückungskredites letztlich hoch bleiben trotz einer kurzfristigen Entspannung. Dies spricht dafür, dass Aktieninvestoren eine höhere Risikoprämie fordern werden, was die Performance-Aussichten eintrübt. Die Aktienmarktperformance dürfte damit stärker an den News-Flow zur EWU gekoppelt bleiben.

- Chance: Länder haben wesentlich bessere Möglichkeiten als Unternehmen oder Privatpersonen einen befürchteten Default abzuwenden (Zugriff auf Steuereinnahmen; Senkung der Staatsausgaben). Die bisherigen Erfahrungen die Irland mit seinen Reformmaßnahmen gemacht hat sind diesbezüglich ermutigend. Die Zinsen für irische Staatsanleihen sind in den vergangenen Wochen trotz EWUSpannungen stabil geblieben. In einem positiven Szenario wird Griechenland mittelfristig diesen Weg beschreiten.

Der positive aktuelle Konjunkturimpuls wird durch den Zwang zur stärkeren Konsolidierung der Staatshaushalte belastet. In einem Umfeld größerer Unsicherheit kommt der Richtung und Stärke des konjunkturellen Impulses für den Aktienmarkt eine größere Bedeutung zu. Die Aktienmärkte werden bislang wie von uns erwartet von der Konjunkturund Gewinnentwicklung unterstützt (positive Entwicklung der Frühindikatoren, intakter Revisionstrend der Gewinnschätzungen für 2010 und 2011, Anstieg der 12M Forward Gewinne usw). Neu ist jedoch: Mit dem Anstieg der Zinsen für Staatsanleihen werden mehr und mehr Länder vom Finanzmarkt gezwungen eine schnellere und stärkere Konsolidierung der Staatsfinanzen vorzunehmen. Dies gilt für die Länder der Eurozone aber letztlich auch für UK und die USA. Dieser Trend, der sich seit Beginn des Jahres stärker heraus kristallisiert bedeutet, dass die Wachstumsaussichten in 2H10 und 2011 belastet werden. Die Aktienmarktentwicklung ist bekanntermaßen stärker an den Trend der Konjunkturerwartungen gekoppelt (die um den tatsächlichen Konjunkturtrend herum schwanken) als an den eigentlichen Trend der Konjunkturentwicklung. Wir haben in unserem Jahresausblick für 2010 als einen wesentlichen Punkt hervorgehoben, dass wir einen oberen Wendepunkt in den Konjunkturerwartungen innerhalb von 1H10 erwarten und die Implikationen für den Aktienmarkt in der Formel "gutes erstes Halbjahr/schwieriges zweites Halbjahr" zusammengefasst. Die Belastung der mittelfristigen Konjunkturperspektive und -erwartungen dürfte das Aufwärtspotenzial am Aktienmarkt in den nächsten Monaten begrenzen.

Strategie: Wechsel von "Fokus auf Chancen" hin zu "Kapitalerhalt hat Priorität". Das konjunkturelle Umfeld lässt einen Anstieg des Aktienmarktes in den kommenden Monaten weiter zu. Die Kombination der oben beschriebenen Faktoren belastet den Aktienmarkt und dämpft die Performance- Aussichten. Damit dürfte sich der Aktienmarkt in den kommenden Monaten in einer breiten Seitwärtsbewegung bewegen und auch im günstigen Fall nicht deutlich über den bisherigen Höchstkursen notieren. Die Belastungen für den Konjunkturausblick und die gestiegene Unsicherheit reflektieren wir in einer Senkung unserer Indexziele. Unser Jahresmitteziel für den Euro STOXX 50 senken wir auf 2900 Punkte (bisher 3100 Punkte). Für den DAX senken wir das Jahresmitteziel auf 6000 Punkte (bisher 6200 Punkte). In beiden Fällen sind die Jahresmitteziele auch unsere neuen Jahresendziele (so wie bisher). Wir stufen Aktien im Vergleich zu Bonds und Cash auf neutral zurück. Unsere defensivere Strategie spiegelt sich auch in einer Änderung der Sektor-Allokation wider. Wir stufen Basic Resources und Construction von übergewichten auf neutral zurück, Financial Services von neutral auf untergewichten. Utilities und Telecom stufen wir von neutral auf übergewichten hoch, Health Care von untergewichten auf neutral. Auf der Einzelwertebene sollten Unternehmen profitieren die stärker von einem festen USD profitieren. Der Aktienmarkt wird von Seiten der Bewertung unterstützt, insbesondere durch die attraktive Dividendenrendite. Im Falle einer extremen Zuspitzung der Spannungen in der EWU – was unabhängig von den heute (Donnerstag) gefassten Beschlüssen nicht ausgeschlossen werden kann – bestehen jedoch deutliche Kursrisiken für den Aktienmarkt. Chancen und Risiken sprechen in unseren Augen für einen Strategie-Wechsel von "Fokus auf Chancen" hin zu "Kapitalerhalt hat Priorität".

Auf welche Dinge solle man in den kommenden Wochen/ Monaten achten? Das Verlaufmuster am Aktienmarkt in 2010 wird sehr von der Nachrichtenlage zur EWU beeinflusst werden.

- Umsetzung der Reformmaßnahmen in Griechenland: Von einer glaubwürdigen zügigen Umsetzung der ersten Reformmaßnahmen in Griechenland würden positive Impulse ausgehen. Griechenland muss am 16. März den ersten Zwischenbericht an die EU-Kommission übermitteln, der bereits Details zur geplanten Steuer- und Rentenreform enthalten muss. Der zweite Zwischenbericht muss Mitte Mai vorgelegt werden.

- Rückhalt in der Bevölkerung: Ein parteiübergreifender Konsens in den Parlamenten wäre positiv. Streiks und Demonstrationen sind nicht zu vermeiden sollten aber natürlich nicht eskalieren.

- Makro-Daten: Insbesondere positive Auftragseingangszahlen in den kommenden Monaten können dem Aktienmarkt Unterstützung geben.

- Interbanken-Geldmarkt: Sollte es Anzeichen für eine erneute nachhaltige Störung des grenzüberschreitenden Liquiditätsausgleich im Interbanken-Geldmarkt geben, dann wäre dies ein Warnzeichen, dass auf eine weitere Zuspitzung der Spannungen hindeutet.

Fazit: Das konjunkturelle Umfeld lässt einen Anstieg des Aktienmarktes in den kommenden Monaten weiter zu. Aufgrund der Spannungen in der EWU und dem Risiko einer weiteren Verschärfung – ungeachtet einer kurzfristigen Entspannung – empfehlen wir jedoch dem Kapitalerhalt künftig Priorität einzuräumen

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