Kommentar
08:19 Uhr, 22.06.2004

Energien der Zukunft - Alternativen zum Erdöl: Von Brennstoffzellen bis Erdgas

Angesichts der Endlichkeit der Öl-Reserven, der politischen Verwerfungen in den wichtigsten Abbau-Gebieten und des vor allem durch die Industrialisierung vormaliger "Dritte Welt"-Länder wie China und Indien rasant steigenden Bedarfs ist die Energie-Frage im Hinblick auf die Zukunft unserer Gesellschaft wohl noch weitaus bedeutsamer als das Internet oder die Biotechnologie.

Das Segment alternativer Energie- und Antriebskonzepte ist mit Zertifikaten bislang nicht wirklich gut abgedeckt: Entweder laufen die (in den Boomjahren 1999/2000) begebenen Papiere demnächst aus, oder sie gerieten zu veritablen Rohrkrepieren, wie beispielsweise "New Energy Active" von der WestLB (ISIN DE 000 696 259 0). Trotz allgemein freundlicher Börsenstimmung büßte der vermeintliche Zukunfts-Basket seit Anfang 2003 rund 25 Prozent ein, was nicht verwundert, da fünf von acht enthaltenen Titeln der Windkraft-Industrie zuzuordnen sind - und die entpuppt sich immer mehr auch aus Sicht der Turbinen-Hersteller als kolossale Luftnummer. Denn unter den Produzenten der riesigen Rotoren tobt ein ruinöser Wettbewerb. Die mit Steuergeschenken garnierten Windparks sind teuer, ineffizient und unzuverlässig und bieten bestenfalls punktuell eine Antwort auf die Energie-Frage. Keine Spur von dem im Prospekt beschriebenen, aktiven Management (Austauschmöglichkeiten jeweils Ende Juni und Ende Dezember). Da die WestLB auf die Klumpenbildung in diesem Problemsektor nicht reagiert hat, erscheinen die 1,00 Euro Fix-Gebühr, die neben den Dividenden jedes Jahr für die höchst zweifelhaften Allokations-Künste der Düsseldorfer vom Zertifikate-Wert abgezogen werden, nicht gerechtfertigt. Dabei gibt es auf den Kurszetteln der Welt außer den "Wind-Eiern" noch weitaus mehr aus dem "New Energy"-Segment: Das "Fuel Cell II", ein ebenfalls schon zur Jahrtausendewende von UBS aufgelegter Basket mit den zehn Schwergewichten der Brennstoff-Zellen-Branche, konnte in den letzten eineinhalb Jahren rund 50 Prozent zulegen und damit den durch ein anderes UBS-Zertifikat (ISIN CH 001 438 854 7) abgebildeten AMEX Oil Index als Vertreter der "alten" Energien klar hinter sich lassen. Am Nachfolgeprodukt "Fuel Cell III" (ISIN CH 001 791 374 7) stört allerdings die bis Februar 2007 befristete Laufzeit, das das Potential eines Megatrends sich vermutlich erst nach mindestens fünf bis zehn Jahren entfaltet. Trotz der rein statischen Zusammensetzung und des Spread von einem Prozent ist es jedoch dem WestLB-Produkt vorzuziehen.

Noch interessanter als Brennstoffzellen ist die Solarenergie. Der von der Zeitschrift PHOTON berechnete PPVX-Index schoss innerhalb von 18 Monaten um sagenhafte 100 Prozent in die Höhe und reflektiert damit die zunehmenden Forschungserfolge der Photo-voltaik-Industrie. Es mangelt aber an reinrassigen Aktien, denn dieses Zukunftssegment ist häufig unter dem Dach großer Kraftwerk-Konzerne angesiedelt, die damit schon einmal für die Zeit nach dem Öl vorsorgen.

Insgesamt fehlt dem Markt ein Kombi-Produkt, das eine flexible Investition in Aktien aus allen Teilbereichen ermöglicht und damit auch dem passiven Langfrist-Anleger das gesamte Spektrum des Potentials erschließt. Im einzigen "grünen" Zertifikat, dem von BNP Paribas anno 2002 aufgelegten "umwelt:ethik24" (ISIN DE 000 583 586 2), geht der Energiebereich leider ein bisschen unter: Der als "Open End"-Zertifikat mit Dividendenanrechnung ausgeführte Basket ist auf sämtliche Nachhaltigkeits-Industrien fokussiert und deckt auch andere Öko-Segmente wie Entsorgung, Wasseraufbereitung oder Lebensmittel und Kosmetik ab. Damit passt er nicht ganz exakt zum Anlagehintergrund der Energie-Konversion.

Doch "alternativ" muss ja nicht unbedingt "neu" heißen - und so könnte es sein, dass zumindest eine kurzfristige Lösung des Öl-Problems auf ganz altem Fundament steht. Die Rede ist von Erdgas. Der flüchtige Energieträger, schon jetzt die Nummer zwei hinter Öl, könnte in Zukunft weit mehr als die aktuellen 25 Prozent zum Welt-Energieverbrauch beisteuern. Das liegt vor allem an den immensen Vorkommen. Während im Öl-Sektor, kaum noch neue Förderquellen entdeckt und Reserven deutlich nach unten korrigiert werden, ist beim Erdgas das Gegenteil der Fall. Trotz der komfortablen langfristigen Versorgungslage sprechen die in den letzten Jahren nicht konsequent genug ausgebaute Förder-Infrastruktur, gegen niedrige Preise. Zu allem Übel sind die größten Vorkommen leider in nicht wirklich stabilen Regionen beheimatet: Ein Drittel der weltweiten Erdgas-Reserven wird in Russland vermutet, gefolgt vom Iran (15 Prozent) und Venezuela (7 Prozent). Gründe genug, auch Erdgas auf den Radarschirm für Rohstoff-Investments zu nehmen.

Seit vergangener Woche geht das mit einem lupenreinen "Open End"-Zertifikat von ABN Amro (ISIN NL 000 040 6379) auf den in britischen Pence (!) notierten Natural Gas Future der IPE International Petroleum Exchange. Die zwangsläufige Laufzeitbegrenzung der Futures-Kontrakte wird durch ein regelmäßiges Rollieren umgangen. Dabei fällt auf, dass sich Erdgas (in US-Dollar umgerechnet) über die vergangenen sieben Jahre hinweg ungefähr um dieselben 100 Prozent verteuerte wie Öl - allerdings unter größeren, saisonalen Schwankungen. In sechs von sieben Jahren zeigt der Chart jeweils zum Winterbeginn (Ende November / Anfang Dezember) extreme Ausschläge nach oben, die dann genauso scharf wieder korrigiert werden - nichts für schwache Nerven. Engagierte Anleger hingegen, die vor dem Hintergrund anhaltend hoher Ölpreise von einer anziehenden Nachfrage nach Erdgas ausgehen und obendrein bereit sind, mit permanenter Beobachtung und engsten Stoppkursen eine Wiederholung der saisonalen Spekulation zu "spielen", können jetzt mit dem Aufbau erster Positionen beginnen.

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