Kommentar
18:30 Uhr, 29.10.2021

Energiekrise: "Die Situation ist ernst!"

Steigende Rohstoffpreise und die Erdgasknappheit könnten den Post-Corona-Aufschwung ausbremsen, meint der Brancheninsider Dr. Thomas Gutschlag, CEO bei der Deutschen Rohstoff AG.

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  • Deutsche Rohstoff AG - WKN: A0XYG7 - ISIN: DE000A0XYG76 - Kurs: 24,500 € (XETRA)

In Europa droht eine Energiekrise: Steigende Gas- und Ölpreise gefährden nicht nur den Aufschwung, sondern könnten auch dazu führen, dass sich manche Menschen das Heizen nicht mehr leisten können. Wie ernst ist die Situation wirklich und was sind die Hintergründe der jüngsten Entwicklungen? GodmodeTrader.de sprach mit einem echten Brancheninsider. Dr. Thomas Gutschlag ist CEO bei der Deutschen Rohstoff AG, einem der wenigen deutschen Unternehmen, die im Bereich der Rohstoffförderung tätig sind.

In Europa scheint sich eine regelrechte Energiekrise zu entwickeln. Wie ernst ist die Situation aktuell und wie ernst könnte die Situation werden, falls es zu einem außergewöhnlich kalten Winter kommt?

Dr. Gutschlag: Eine Energiekrise könnte den gerade in Schwung gekommenen Post-Corona-Aufschwung ausbremsen. Die Situation ist insofern ernst, als dass Öl und Gas zum Heizen und für industrielle Prozesse gebraucht werden und ein sehr kalter Winter die Nachfrage genau wie die Preise weiter steigen lässt. Solange die Angebotsseite schwach ist, kann man sich nur einen milden Winter wünschen.

Handelt es sich auf dem Erdgasmarkt Ihrer Einschätzung nach eher um strukturelle oder um temporäre Probleme?

Dr. Gutschlag: Teils, teils. Temporär insofern, als dass es die gestiegenen Preise für Anbieter attraktiver macht, mehr zu liefern. Insofern gehe ich davon aus, dass sich die Situation Anfang kommenden Jahres entspannen könnte. Derzeit erleben wir aber geringere Erdgasspeicherungen als sonst zu dieser Jahreszeit üblich, zudem liegen die Lieferungen aus Russland und Norwegen am unteren Rand. Strukturell sind die Probleme dahingehend, dass fossile Energien politisch nicht mehr gewollt sind, was umgekehrt aber die Abhängigkeit von großen Lieferanten befördert.

Wie sollte die Politik reagieren, um eine echte Versorgungskrise zu verhindern? Kann die Politik überhaupt Einfluss nehmen auf die derzeitige Situation und sollte sie dies tun?

Dr. Gutschlag: In Deutschland wird angesichts der gestiegenen Preise auf politischer Ebene viel über die Pipeline Nord Stream 2 und eine „russische Erpressung" ihrer Inbetriebnahme diskutiert. Das ist aber zu kurz gegriffen. Die Gaspreise sind weltweit gestiegen, in Asien und Europa haben sie sich innerhalb von zwölf Monaten mehr als verfünffacht. Großbritannien durchläuft eine regelrechte Gaskrise. Einzig die USA als Selbstversorger und Exporteur von Gas nach Asien kommen gut durch diese Zeit. Insofern sehe ich den Einflussnahme der Politik hierzulande darin, in Deutschland die Erdgasförderung weiter auszubauen. In Marktsituationen wie den jetzigen wären wir unabhängiger. Dass wir nur mit Erneuerbaren Energien nicht weiterkommen, zeigt ein windschwaches Jahr wie dieses. Deutlich weniger Energie als sonst wurde in die Netze eingespeist. Gas und Kohle mussten die Lücke füllen.

Der Ölpreis verhält sich bereits seit Jahren extrem volatil. Im Zuge des Corona-Crashs gab es an den Terminmärkten kurzzeitig negative Ölpreise, inzwischen kostet das Barrel Öl wieder mehr als 80 US-Dollar. Warum weiten die Fracking-Unternehmen in den USA und die OPEC-Staaten angesichts dieser hohen Preise ihre Ölproduktion nicht wieder deutlich aus und sorgen dadurch für ein höheres Öl-Angebot?

Dr. Gutschlag: Die niedrigen, teilweise negativen Ölpreise zu Pandemiebeginn haben die Ölförderung in den USA mancherorts zum Erliegen gebracht, so manchen Anbieter gibt es nicht mehr. Insofern braucht es noch, bis die USA ihre Vor-Corona-Markstellung wieder erreichen. Bleibt der Blick Richtung Opec und Opec+. Dass die Mitgliedsstaaten dem Markt bis Ende des Jahres jeden Monat 400.000 Barrel pro Tag zusätzlich zur Verfügung stellen wollen, wird für die wieder angesprungene Weltkonjunktur nicht ausreichen.

Die Probleme bei Erdöl und Erdgas wurden offenbar auch dadurch verursacht, dass China bei der Stromerzeugung vermehrt von Kohle auf andere fossile Energieträger umgestiegen ist und deshalb mehr Flüssiggas und Erdöl importiert. Was passiert, falls Kohle in den kommenden Jahren weltweit immer mehr gemieden werden sollte und dadurch die Nachfrage nach Erdgas und Erdöl weiter steigt? Welche Auswirkungen hätte dies auf den Ölpreis?

Dr. Gutschlag: Die Kohleverbrennung gilt global als „Klimakiller Nummer eins". Das weiß China, das weiß der Rest der Welt. China steht hier an vorderster Front und somit enorm unter Druck. China will keine Kohlekraftwerke im Ausland mehr bauen, betreibt oder errichtet sie aber weiterhin im Inland. Die Nachfrage aus China spielt bei der weiteren Preisentwicklung sicherlich eine Rolle, wenngleich sich das Land zu Beginn der Corona-Pandemie zu günstigen Preisen für rund zwei Jahre mit Öl bevorratet hat. Auf Sicht der nächsten Jahre und Jahrzehnte gilt für China wie für die gesamte Weltwirtschaft: An Öl und Gas führt kein Weg vorbei.

Welche Rolle spielen Klimawandel und Energiewende im Zusammenhang mit den aktuellen Problemen? Wurde jahrelang zu wenig in fossile Energieträger investiert, die vorübergehend ja weiterhin notwendig sind, weil erneuerbare Energien nicht ständig zur Verfügung stehen? Und werden die Probleme noch größer, wenn immer mehr Unternehmen und Investoren fossilen Energieträgern den Rücken kehren?

Dr. Gutschlag: Was wir gerade erleben, ist ein enormes Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Viele Jahre wurde wenig in die Öl- und Gasförderung investiert, nicht zuletzt durch regulatorische Erschwernisse. Der Fokus lag auf Erneuerbaren Energien. Das Ganze trifft nun auf eine Nachfrage, die schneller wieder auf Vorkrisenniveau angestiegen ist als erwartet. Die Rückkehr der "magischen" 100 Millionen Barrel Öl, die die Welt vor Covid19 täglich verbraucht hat, erwartet die Opec nun schon für dieses Quartal. Deutlicher kann man die Notwendigkeit fossiler Rohstoffe kaum ausdrücken.

Nicht nur bei Erdgas, sondern auch bei zahlreichen Industriemetallen gibt es inzwischen Engpässe. Was sind die Gründe?

Dr. Gutschlag: Hohe Nachfrage bei niedrigem Angebot und die Sorge vor weiteren Engpässen, das gilt auch bei den Industriemetallen. Nachdem China seine Aluminiumproduktion gekürzt hat, um Treibhausgase aus der kohleintensiven Aluminiumindustrie zu reduzieren, gehört das Metall zu den sich am meisten verteuernden Rohstoffen in diesem Jahr und ist nicht mehr weit von seinem All-Time-High von 3.300 US-Dollar entfernt. Auch beim Kupfer geht der Blick nach China: Der Rückgang der Lagerbestände an der Warenbörse in Shanghai auf den niedrigsten Stand seit 2009 gibt dem Preis weiter Auftrieb. Gleichzeitig ist China der größte Verbraucher des roten Metalls.

Die Deutsche Rohstoff AG ist eines der wenigen deutschen Unternehmen, die im Bereich der Rohstoffförderung aktiv sind. Wie wichtig ist für die deutsche und europäische Wirtschaft eine eigene und unabhängige Versorgung mit Rohstoffen? Und welche Rolle kann Ihr Unternehmen da perspektivisch spielen?

Dr. Gutschlag: An uns soll es nicht liegen. Wir haben schon im vergangenen Jahr, inmitten der Corona-Krise, kräftig investiert. Zu einem sehr günstigen Kaufpreis, der lediglich den abgezinsten Wert der bestehenden Produktion abbildete, haben wir große Flächen im Powder River Basin im US-amerikanischen Wyoming erworben. Eine erste Bohrung hat im August begonnen, die erste Produktion ist bereits angelaufen. Wir haben unser Engagement in Wyoming vor kurzem noch ausgeweitet: Unsere Tochtergesellschaft Cub Creek Energy hat den Kauf von ca. 30.000 Netto-Acres (121 km2) in Wyoming/USA abgeschlossen. Zusätzlich zu den Flächen beinhaltet der Kaufvertrag die Beteiligung an 17 produzierenden Bohrungen mit einer täglichen Nettoproduktion von ca. 804 Barrel Öläquivalent (BOE), Stand August 2021. Im allgemeinen Klima der Investitionszurückhaltung, speziell in den USA, haben wir die Augen offen gehalten und werden es weiter tun.

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Förderstätte der Deutsche-Rohstoff-Tochter Bright Rock Energy

Der Aktienkurs der Deutschen Rohstoff AG hat sich seit Jahresbeginn ungefähr verdreifacht. Halten Sie die Kursbewegungen für übertrieben oder ist die Reaktion des Marktes fundamental gerechtfertigt?

Dr. Gutschlag: Übertrieben sind die Kursbewegungen ganz sicher nicht, im Gegenteil. Die Reaktion des Marktes ist fundamental mehr als gerechtfertigt. Unternehmen wie Northern Oil & Gas oder Oasis Petroleum, die, wenn auch in einer anderen Größenordnung, vom Geschäftsmodell und den Standorten ähnlich aufgestellt sind wie wir, liegen im EV/EBITDA deutlich höher, teilweise fast beim doppelten Wert. Insofern sehe ich in unserem Kurs noch gehöriges Potenzial.

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Vielen Dank für das Gespräch!

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Dr. Thomas Gutschlag, CEO Deutsche Rohstoff AG

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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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