Kommentar
10:47 Uhr, 23.05.2006

Empfindliche Einbußen an den Aktienmärkten

Die Aktienmärkte haben auch in der abgelaufenen Woche empfindliche Einbußen hinnehmen müssen. Verkaufsorders, mit denen die aufgelaufenen Gewinne in Sicherheit gebracht wurden, dominierten das Geschehen. Zudem belasteten unerwartet hohe Inflationsdaten aus den USA die Anlegerstimmung. Besonders starkem Abgabedruck waren die bisherigen Gewinner ausgesetzt, also in erster Linie deutsche und europäische Aktien sowie Rohstofftitel und Solarwerte.

USA: Rasanter Wechsel der Perspektive

Die Stimmung und Wahrnehmung an den Aktienmärkten hat sich rasant gedreht. Bis Anfang Mai spielte die Zins- und Inflationsentwicklung so gut wie keine Rolle. Ebenso wenig der Anstieg der Rohstoffpreise. Die Kurse der Dividendentitel stiegen dessen ungeachtet. Seitdem aber die Fünf vor dem Komma des US-Leitzinses steht, scheint die Welt eine andere zu sein. Auf einen Schlag sind diese Aspekte in den Mittelpunkt gerückt. Und was noch viel wichtiger ist, sie werden plötzlich in einem ganz anderen Lichte betrachtet. Auf einmal werden die Wachstumsgefahren betont. Als Schwierigkeit kommt hinzu, dass die FED jüngst ihren Autopilot ausgeschaltet hat und die kommenden Zinserhöhungen nun nicht mehr planbar sind. Die Unsicherheit hat also insgesamt zugenommen und genau das mögen die Marktteilnehmer gerade nicht. Als dann Ende der Vorwoche die Kurse abbröckelten und dabei wichtige charttechnische Marken gerissen wurden, gab es für viele kein Halten mehr. Die in den vergangenen Monaten aufgelaufenen Gewinne wurden eilig sichergestellt, wodurch die Korrektur an Dynamik gewann. Bis zum Wochenschluss häuften sich somit in den amerikanischen Auswahlindizes Verluste von über zwei Prozent an. Meldungen, die den kurzfristigen Abwärtstrend hätten stoppen oder gar umkehren können, gab es nicht. Im Gegenteil, die Erzeuger- und Verbraucherpreise passten perfekt in die neue Sichtweise, waren sie im April doch unerwartet stark angestiegen. Außerdem blieb es um die Unternehmen sehr ruhig. Nur vereinzelt werden Zwischenberichte vorgelegt. So wie von Dell, die mit ihrer Gewinnwarnung in der Vorwoche die Anleger aber bereits ins Bild gesetzt hatten. Überraschend war indes die Ankündigung Dells, künftig neben Chips von Intel auch solche von AMD einzusetzen. Aktien von AMD haussierten daraufhin, während Intels Papiere abglitten.

Europa: Fundamentaldaten werden ausgeblendet

In Europa drehte sich die Abwärtsspirale schneller als anderswo. Der einzige plausible Grund dafür sind die äußerst freundlichen Vormonate, die den Anlegern höhere Gewinne beschert hatten, die aber nun schleunigst sichergestellt wurden. Ansonsten sind die Marktbeobachter allesamt über Tempo und Ausmaß der Korrektur verblüfft. In nur zwei Wochen haben sich europäische Aktien im Schnitt um 6 bis 7 Prozent verbilligt. Fundamentale Gründe lassen sich dafür jedoch nicht finden. Die globale Konjunktur ist weiterhin robust, hierzulande befinden wir uns sogar in einem Aufschwung. Die Bewertungen der Aktien waren auf breiter Front auch nicht aus dem Ruder gelaufen. Der Euro hat zwar kräftig zugelegt, einen Kursrückgang in dieser Größenordnung kann aber auch das nicht erklären. Verantwortlich dafür sind vielmehr Skepsis und Angst der Anleger. Nach den euphorischen Aktienmärkten des Vorjahres und den freundlichen ersten vier Monaten war die Furcht vor einer Korrektur zuletzt so groß, dass es im Grunde keines großen Auslösers mehr bedurfte, um eine Abwärtsspirale in Gang zu setzen. Ohnehin war das Basisszenario vieler Investoren, dass es bis zur Jahresmitte weiter bergauf geht, dann die Dynamik nachlässt und zum Jahresende wieder mit freundlichen Notierungen zu rechnen ist. Das ist bislang so eingetreten, wenn auch in einer deutlich größeren Schwankungsbreite. Und wie geht es nun weiter? Aus fundamentaler Sicht sind die Aktienmärkte weiterhin attraktiv, aufgrund der Korrektur sogar attraktiver als vor zwei Wochen. Das KGV des DJ EURO STOXX 50 betrug zum Beispiel vergangenen Freitag 12,3, nach 13,7 Ende April. Das wird aber von den Marktteilnehmern zurzeit verdrängt. Unsicherheit dominiert ihr Verhalten. Weitere Rückschläge können deshalb nicht ausgeschlossen werden. Ein weiteres Abgleiten stellt aber eine Übertreibung nach unten dar. Die Fundamentaldaten sprechen unverändert für Aktien.

Herausragende Unternehmensmeldungen gab es zuletzt von Mittal Steel, die ihr Angebot für Arcelor von 18 Mrd. auf 26 Mrd. Euro drastisch aufstockte. Außerdem lockt der indische Stahlkocher die noch tauschunwilligen Arcelor-Eigner mit der Abschaffung der Mehrheitsstimmrechte sowie weiteren Zugeständnissen. Arcelors Aktienkurs, der weit über der ersten Kaufofferte notierte, sprang daraufhin auf das Niveau des erhöhten Übernahmeangebots. Der Markt misst also Mittal Steel mittlerweile gute Erfolgschancen bei. Im Fusionspoker der Börsenbetreiber war jüngst die Deutsche Börse wieder am Zug. Ihr Vorschlag, mit Euronext einen europäischen Börsenkonzern unter der Leitung einer niederländischen Oberholding zu errichten und die Clearing-Aktivitäten abzugeben, stach zunächst aber nicht. Stattdessen berichten Zeitungen von einer Annäherung der New York Stock Exchange und Euronext. Die Nasdaq hat unterdessen ihren europäischen Brückenkopf ausgebaut, indem sie ihr Anteilspaket an der London Stock Exchange auf eine Sperrminorität von 25,1 Prozent erhöhte.

Ausblick: Börsenbetreiber, Ifo und US-BIP

Die Börsenbetreiber werden auch in der laufenden Woche Thema bleiben. Quasi im Fernduell stehen sich Euronext und Deutsche Börse auf ihren Hauptversammlungen am Dienstag und Mittwoch gegenüber. Bei Euronext wird unter anderem auf Antrag eines Investors darüber abgestimmt, ob es für die Aktionäre die beste Alternative ist, mit der Deutschen Börse zu fusionieren. Außerdem steht mit Schmack Biogas am Mittwoch ein weiterer Vertreter aus der Branche der erneuerbaren Energien in den Börsenstartlöchern. Bei den anstehenden Konjunkturdaten ist die Liste sehr lang: Ifo-Geschäftsklimaindex und US-Auftragseingang für langlebige Güter (Mittwoch), zweite Schätzung zum US-BIP sowie Privater Konsum in Q1 (Donnerstag) und US-Hausverkäufe, US-Konsumentenausgaben und das Verbrauchervertrauen der Universität Michigan (Freitag) sind die wichtigsten Termine.

Quelle: Union Investment

Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 140,2 Mrd. Euro verwaltet die Gesellschaft per Ende November 2005. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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