Kommentar
14:51 Uhr, 07.12.2008

Emotionen kochen hoch – alles verkaufen?

Erwähnte Instrumente

  • S&P 500
    ISIN: US78378X1072Kopiert
    Aktueller Kursstand:   (Cboe)
  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Aktueller Kursstand:   (XETRA)

Der Berliner Börsentag (berliner-boersentag.de) war am 6. Dezember eines der letzten “öffentlichen Stimmungsbarometer“ in Deutschland in diesem Jahr und insofern von Bedeutung. Ich selbst habe dort einen Vortrag über das Thema „Jahrhundertkrise = Jahrhundertchance – auch für Russland?“ gehalten. Der Raum war relativ gut gefüllt, was zeigt, dass das Interesse für die Aktien (auch aus Osteuropa) noch nicht (ganz) gestorben ist. Während ich im Krisenjahr 1998 noch wagemutig ein Ausrufungszeichen hinter das gleiche Thema gemacht habe, also in der Tat damals nach dem Kurseinbruch von 80% eine Jahrhundertchance für Anleger in Russland kommen sah, habe ich diesmal ganz bewusst die Frageform gewählt. Auch habe ich das Auditorium gefragt, wie sie die Börse a) bis Ende des Jahres und b) bis Ende 2009 einschätzten. Es gab sehr viele, die an eine Jahresendrallye glaubten, aber auch viele, die äußerst skeptisch für 2009 waren.

Ich selbst habe meine skeptische Haltung, die ich übrigens aber auch schon Ende letzten Jahres in diversen Kolumnen und auch im EAST SOTCK TRENDS kundgetan habe, noch nicht aufgegeben, da die globalen Risiken so mannigfaltig und schwerwiegend sind, dass man unmöglich eine seriöse Prognose für das nächste Jahr machen kann. Die Kernfrage für mich ist, ob sich die Finanzmärkte im Laufe nächsten Jahres wieder normalisieren können. Jeder Anleger kann sehr gut an den anormal hohen Spreads im Anleihenbereich erkennen, dass wir es noch mit extrem anormalen Ausnahmesituationen zu tun haben. In Afrika ist ein Großteil der Bevölkerung mit Aids infiziert und der tödliche Virus wandert um den ganzen Globus; Amerika ist auch ein kranker Patient, der die Welt in Windeseile infiziert hat. Wir brauchen dringend Instrumente, die Amerika helfen – ohne Währungsreform – aus der Verschuldungsfalle zu kommen. Aber hier ist guter Rat teuer bzw. gar nicht vorhanden.

Symptomatisch dafür war auch der Vortag des Öl-Serviceunternehmens C.A.T. Oil AG beim Berliner Börsentag. Es kam klar zum Ausdruck, dass die Gesellschaft sehr gut in Russland und Kasachstan mit hoch motivierten Mitarbeitern aufgestellt ist. Die CA.T. Oil AG hat in diesem Jahr viel in die Zukunft investiert, was das schwache Nettoergebnis belastete. Dies quittierten die Anleger mit Verkäufen. Zudem trennten sich amerikanische und kanadische Hedgefonds schon frühzeitig von Small Caps im Energiesektor, worunter auch alle Öl- und Gold-Juniors in diesem Jahr besonders litten. Der Kurs brach schon im letzten Jahr, in diesem Jahr aber noch dramatischer um über 90% ausgehend vom Hoch von 25 auf unter 2 € ein, obwohl Umsätze und EBITDA ansteigen.

Nur ist auch ein solches Unternehmen – wie alle auf der Welt, abhängig von Folgeaufträgen. Es ist und bleibt in der Tat beängstigend, wie stark und abrupt sich die Auftrageslage in fast allen Branchen seit Oktober/November 2008 rund um den Globus verschlechtert hat. Die Aufträge im Ölservice-Sektor werden jetzt für das nächste Jahr in Russland ausgeschrieben. C.A.T Oil mit Sitz in Wien steht damit u.a in Konkurrenz zu Schlumberger und ist durchaus konkurrenzfähig, wobei Gazprom vor kurzem eine „strategische Partnerschaft“ mit Schlumberger im Technologiebereich angekündigt hat. Man darf gespannt sein, wie sich die Auftragslage der Öl-Serviceunternehmen jetzt und im nächsten Jahr auch in diesem Sektor bei einem dramatisch fallenden Ölpreis sich gestaltet. Der Ölpreis befindet sich weiterhin im freien Fall. Nach den neuen Analysen von Merrill Lynch könnte der Ölpreis im nächsten Jahr sogar auf 25 USD/Barrel fallen, falles es eine scharfe Rezession gibt. Dann hat Russland sicherlich ein großes Problem, weil dann neu Ölfelder nicht exploriert werden. Auf der anderen Seiet verbessern sich die Handelsbilanzen für viele osteuropäische Länder und auch der USA, wenn der Ölpreis auf 25 USD/Barrel fallen sollte.

Ich meine daher, dass der Anleger aufgrund der hohen Unsicherheiten weiterhin eine hohe Cashquote von 70% behalten sollte, aber mit 10-30% auch selektiv traden sollte, um zum Beispiel die Chancen einer Jahresendrallye mitzunehmen. Auch dies geht aber nicht ohne Stopp-loss-Marken. Ich habe in meinem Vortrag betont und betone das auch hier, dass, wenn der Dow Jones Index nachhaltig unter 8000 (noch schlimmer 7500) Indexpunkte geht, die Anleger dann auch rigoros nicht nur deutsche, sondern auch osteuropäische Aktien verkaufen sollten.

Ich gehe nicht so wie weit wie der auch durch N-TV bekannte Börsenkommentator Herman Kutzer (Kutzer Corner) , der bei seinem Vortrag beim Berliner Börsentag wie schon zuvor dazu rät, alle Aktien schon jetzt zu verkaufen und das Geld auszugeben, um den Konsum anzukurbeln oder einer Stiftung zu vermachen. Wir brauchen auch in Zukunft Aktionäre, ja wir brauchen sogar spekulativ eingestellte Aktionäre, denn ohne Eigenkapital (auch der Aktionäre) funktioniert keine Wirtschaft der Welt. Im Gegenteil: wenn jetzt der Deleveraging-Prozess erst beginnt, muss es auch wieder einen (Re-) Kapitalisierungsprozess – nicht nur bei Banken - auch über neue Anleger geben, sprich: es muss auch in Zukunft Kapitalerhöhungen, IPOs und eigenfinanziertes Private Equity geben, um auch in Zukunft Innovationen und Zukunfts-Investitionen nicht nur im Infrastrukturbereich finanzieren zu können. Denn sonst wären der Kapitalismus in der Tat am Ende und jegliche Aktienkultur auch!

Sicherlich sind Ethikdiskussionen – auch um Managementgehälter - sinnvoll und richtig. Sie sind nicht Fehl am Platze, sondern könnte sogar einen Paradigmawechsel in der Finanzwelt einleiten. Was sich die Vorstände von Lehman Brothers und AIG (u.a) geleistet haben, macht Anleger zu Recht wütend. Die von Frank Meyer (NTV) moderierte„ Generaldebatte“ bei der Hauptdiskussionsrunde beim Berliner Börsentag über das Thema „Rezession und Bankenpleiten – wie sicher ist mein Geld“ zeigte aber auch, dass das Thema „Angemessenheit von Managergehältern“ jetzt zu viel Gewicht bekommen. Die Emotionen kochten zum Schluss hoch und es kam zum Teil sogar zu Beleidigungen, wobei diesmal die Diskussionsteilnehmer Klaus Martini (Private Wealth Management, Deutsche Bank AG ) und Michael Schubert (Direktor Capital Markets, Landesbank Berlin) als „Prügelknaben“ in der lebhaft geführten Diskussionsrunde herhalten mussten. Dies ist sicherlich auch Ausdruck der verzweifelten Anleger, die einen so hohen Kursverlust wie in diesem Jahr noch nie zu verkraften hatten - auch nicht in den Baissejahren 2000 bis 2003. Dabei hat es jeder Anleger grundsätzlich wesentlich einfacher als ein Fondsmanager oder Vermögensverwalter, da diese – auch oft aufgrund interner Reglementierungen – ganz selten zu 100% in Cash gehen. Der Privatanleger kann das aber und er kann dass auch für eine ganze Weile bleiben. Dies wäre allerdings bei allzu langer Abstinenz schädlich für die Aktienkultur, die eine sehr zarte Pflanze gerade in Deutschland ist. Das Prinzip der Selbst- und Eigenverantwortung ist bei Aktionären offensichtlich immer noch wenig ausgeprägt.

Anleger sollte auch weiter jetzt vor allem die Markttechnik beachten. Am Freitag konnte das Unterschreiten der 8000-er Marke beim Dow Jones trotzt sehr schlechter US-Arbeitslosenzahlen knapp verhindert werden. 553.000 Arbeitslose bedeutet eine Arbeitslosenquote von 6,7%. Aus einem Minus wurde am Freitag überraschend sogar ein Plus von 3,09% beim Dow Jones Der Dow Jones konnte sich damit wieder um 259 auf über 8635 in die Beruhigungszone retten, was ich (auch) auf das „Plunge Protection Team“ zurückführe, das bei neuralgischen Punkten immer über S&P-Future in den Markt eingreift, um einen Crash zu verhindern. Daher haben wir bisher auch „nur“ einen Salami-Crash in den USA. Bei Unterschreiten von 8000 beim Dow Jones und 4000 beim DAX könnte aber eine weitere Tsunami-Welle auf uns zu kommen und dann rette sich, wer kann. Dies wird jetzt ganz davon abhängen on General Motors, Chrysler und Ford in den nächsten Tagen die geforderten 34 Mrd. USD bekommen oder nicht. Im Grunde sind Chrysler und General Motors faktisch schon jetzt Pleite. Nur merkt das der Markt noch nicht. Er merkt es erst, wenn General Motors wie Lehman Brothers Chapter 11 anmelden muss. In diesem Fall würde auch das Obama-Programm wohl nicht viel nützen, denn dann würden die Arbeitslosenzahlen schon jetzt dramatisch ansteigen.

Hält aber die 8000-er Marke beim Dow und bekommen die maroden US-Automobilkonzerne noch einmal Geld vom Staat (=vom Steuerzahler) nachgeschmissen, kann es zu einer – wenig versöhnlichen - Jahresendrallye innerhalb eines intakten Bärmarktes – auch an den Ostbörsen - kommen. Trader können darauf setzen, sollten die aber nicht ohne Sicherheitsnetz (=Stopp loss-Marken) machen. Es wird in jedem Fall sehr volatil bleiben. Welche Aktien Sie jetzt kaufen oder verkaufen sollen, können Sie der täglich aktualisierten Ostbörsen-Hotline 09001-8614001 (1,86 €/Min.) entnehmen.

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