EISENERZ - China seit Jahresbeginn erstmals Exporteur von Stahlprodukten
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Immer zum Jahresende werden die Preise für Eisen und Stahl heruntergeredet. Woran liegt das? Obwohl die meisten westlichen Analysten von den haussierenden Metallpreisen im Jahr 2007 überrascht wurden, gehen sie nun erneut von sinkenden Preisen aus. Dabei stützen sie sich auf schwache Signale aus den USA. Die kurzfristige Spekulation, die ein wachsendes Gewicht im Markt einnimmt, realisiert Gewinne. Wir alle haben die langjährigen Stahlkrisen in den westlichen Industrienationen erlebt und können uns nicht mehr vorstellen, dass der Boom einfach so weitergeht. Und just zu dieser Zeit erreichen die „Veredelungsmetalle“ Nickel und Zink immer neue Rekordpreise, da die Nachfrage der Stahlindustrie keine Grenzen zu kennen scheint. Warum also diese negativen Prognosen? Vielleicht liegt es daran, dass unsere Analysten fast ausschließlich Amerikaner und Europäer sind. Würde dieser Berufsstand mit einem Schlag entlassen und durch Inder, Chinesen, Russen und Brasilianer ersetzt, dann gäbe es ganz gewiss nur euphorische Stimmen. Denn sie wissen, wie viele Brücken, Hochhäuser, Auto- und Eisenbahnen, Schiffe sowie Raffinerien für allerlei Rohstoffe und Industrieanlagen noch fehlen, um den ungeliebten Abstand zu den Industrienationen zu verringern. Sie wissen auch, dass die Produktion von Kühlschränken, Klimaanlagen, Autos und anderen Konsumartikeln aus Eisen und Stahl so schnell wächst, das sie jedes Jahr um ein Vielfaches über den Analystenschätzungen liegt.
Tatsächlich ist China seit Jahresbeginn erstmals Exporteur von Stahlprodukten und macht den etablierten Weltkonzernen Druck. Da ist es nicht verwunderlich, dass Arcelor, Mittal Steel und Konsorten durch Fusionen versuchen, ihre Marktmacht zu erhalten und noch auszubauen. Wie lange wuchs der Reichtum der Stahlbarone wie Krupp und Thyssen? Mehr als ein Jahrhundert seit Anfang der industriellen Revolution. Und genaue eine solche Revolution hat gerade in den großen Schwellenländern begonnen. Die Fusion zwischen Arcelor und Mittal hat gezeigt, dass die Stahlkonzerne weltweit unterbewertet sind. Wie wäre es sonst möglich, dass sich Aktionäre über ein Angebot freuen, das gerade beim Fünffachen des Jahresgewinnes liegt? Und wie kann man erklären, dass Google im Vergleich zu CVRD fast doppelt so hoch bewertet wird? Wir wollen damit gewiss nicht sagen: Stürzen Sie sich sofort auf die Aktien von Stahlunternehmen oder Eisenerzminen. Denn ihre Aktien sind sehr volatil, und kurzfristig mögen Panikmacher durchaus Recht behalten. Deshalb wird es auch wieder einmal bessere Einstiegsmöglichkeiten geben. Und Chancen bieten die Aktien dieser Unternehmen gerade dann, wenn ein Rückgang der chinesischen Wirtschaft prognostiziert wird, denn was die USA in den vergangenen zwei Jahrhunderten waren – eine Zone kontinuierlichen Wachstums –, ist heute China, aber auch Indien, Russland und Brasilien. Für den langfristig orientierten Anleger mögen solche Opportunitäten, die sich aus der zwangsläufigen Volatilität ergeben, dagegen kaum eine Rolle spielen. Denn mit dem kurzfristigen Rein-und-Raus kann es ihm passieren, dass er später den Kursen hinterherläuft.
Die Nachfrage
Die Stahlpreise sind zum Jahresende 2007 hin gefallen. Dabei spielten vor allem Konjunktursorgen in den USA eine Rolle, da der Immobilien- und Automobilsektor merkliche Anzeichen einer Abkühlung zeigt. Die Nachfrage in China entwickelt sich hingegen kräftig und überproportional zum Wirtschaftswachstum. Die Stahlpreise sind in 2007 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Es ist auch kaum vorstellbar, dass die Preise unter das letztjährige Niveau fallen, wenn die chinesische Industrieproduktion gleichzeitig um 17 Prozent und die Anlageinvestitionen gar um 29 Prozent wachsen. Es ist auch nicht verwunderlich, dass die chinesische Regierung in diesem Jahr keine Preissenkungen für Eisenerz durchsetzen konnte, obwohl sie dies mit aller Macht versuchte. So wurden an den chinesischen Häfen Eisenerzlieferungen mit dem Hinweis auf eine ausreichende Versorgung abgewiesen, um die Statistiken über die chinesische Nachfrage zu manipulieren. Die „Monopollieferanten“ aus Australien und Brasilien blieben jedoch unnachgiebig – mit Erfolg. Nach einer Anhebung der Vertragspreise in 2005 um 74 Prozent müssen die großen chinesischen Stahlkonzerne nun zusätzlich noch mal einen Aufpreis von 19 Prozent in 2006 und 2007 hinnehmen. China ist unverändert auf Eisenerzimporte angewiesen. Der Gehalt an Eisen der meisten Adern in chinesischen Minen liegt bei 28 Prozent gegenüber fast 70 Prozent in Australien und Brasilien. Der chinesische Produktionsanstieg bei Eisenerz seit Jahresbeginn um 45 Prozent auf 398 Millionen Tonnen ist somit auch mit entsprechenden Kostensteigerungen verbunden. Die Verhandlungsposition der Chinesen wird außerdem zusätzlich dadurch geschwächt, dass die chinesische Stahlbranche außer Kontrolle scheint. Dutzende Maßnahmen, die das Wachstum der Produktion hätten eindämmen sollen, zeigen bis heute keine Wirkung. China ist seit dem Jahr 2006 erstmals Exporteur von Stahlprodukten, wobei es sich dabei vor allem um Standardprodukte handelt. Die hochwertigen Stähle müssen immer noch vom Ausland importiert werden, woran vor allem die geographisch benachbarten japanischen Hersteller wie JFE und Nippon Steel profitieren. Sie sind immer mehr auf die ausländische Nachfrage angewiesen, da der Bedarf im eigenen Land nur vor sich hindümpelt. Der Stahlverbrauch in den Industrieländern könnte sich im Jahr 2007 sogar leicht rückläufig entwickeln, besonders bei einer weiteren Abkühlung der US-Wirtschaft. Das fällt angesichts der boomenden asiatischen Nachfrage aber nicht mehr so stark ins Gewicht wie noch vor wenigen Jahren. So kommt es auch, dass im Oktober 2007 der Weltverband International Iron and Steel Institute überaus optimistisch verkündet, er gehe von einem Anstieg des weltweiten Stahlverbrauchs zwischen sechs und sieben Prozent für das Jahr 2008 aus.
Das Angebot
Während die Nachfrage besonders in den asiatischen Ländern und China boomt, kann das Angebot von Eisenerz nur langsam nach oben angepasst werden. Zwar investieren die großen Produzenten kräftig. CVRD will in der riesigen Brucutu-Mine 6,4 Milliarden Dollar investieren, um die konzernweite Eisenerzproduktion bis 2008 um zehn Prozent zu steigern. Auch Rio Tinto investiert kräftig. Der Großteil der neuen Projekte wird Anfang 2008 zu einer wachsenden Produktion führen. Das Geschäft der Eisenerzkonzerne scheint also gesichert. Doch ist auch ihr Geschäft nicht frei von Risiken.
Die Produktion der etablierten Minen könnte bis zum Jahr 2007 um 20 Millionen Tonnen fallen, da die Ergiebigkeit erschlossener Eisenerzadern nachlässt. Zusätzlich sind Fachkräfte in den Eisenerzregionen Brasiliens und Westaustraliens nur noch schwer zu bekommen, und spezielle Schulungsprogramme sind teuer. Hohe Ölpreise und Kapitalkosten tragen das ihre zu den steigenden Kosten bei, die letztendlich auf die Kunden in Asien abgewälzt werden müssen. Bei der Lieferung des geförderten Eisenerzes kommt es immer wieder zu wochenlangen Verspätungen, da es an Transportkapazitäten bei Zügen und Frachtschiffen fehlt. In 2008 wird es also wohl zu weiteren Preisanstiegen bei Eisenerz kommen, auch wenn die Kreditkrise in den USA und die damit einhergehende Unsicherheit den chinesischen Einkäufern und all denjenigen in die Hände spielen wird, die fallende Preise wollen.
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