Kommentar
14:30 Uhr, 12.02.2021

Eine neue ökonomische Ära beginnt

In dieser Krise scheinen ökonomische Regeln einfach außer Kraft gesetzt zu werden. Man könnte fast von einer neuen Ära sprechen.

Bereits in der Schule wird unterrichtet, wie ein Konjunkturzyklus funktioniert. Beginnt ein Abschwung erst einmal, wird eine ganze Reihe an Prozessen angestoßen. Einige Firmen müssen Insolvenz anmelden. Dadurch verlieren Banken Geld und Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz. Banken beginnen Kredite zurückhaltender zu vergeben, um ihr Risiko zu minimieren. Gleichzeitig sinkt das Konsumwachstum. Unternehmen, die ohnehin nicht in bester Verfassung waren, bekommen diesen moderaten Abschwung sofort zu spüren. Insolvenzen häufen sich, die Arbeitslosigkeit steigt. Konsumenten werden risikoscheu und beginnen zu sparen. Der Konsum sinkt weiter. Dadurch gehen noch mehr Arbeitsplätze verloren, Banken müssen ihre Rückstellungen aufstocken und vergeben noch weniger Kredit usw. Irgendwann haben Konsumenten genug gespart und sich saniert. Es wird wieder mehr konsumiert. Dadurch entstehen Arbeitsplätze. Kreditausfallquoten gehen zurück und Banken vergeben wieder mehr Kredit. Es kommt zu einem positiven Rückkopplungseffekt, sobald der negative Rückkopplungseffekt einmal überwunden ist.

In dieser Krise ist alles etwas anders. Es ist wohl die erste Krise, in der die Kreditausfallraten nicht steigen (Grafik 1 zeigt die Entwicklung in den USA). Im Normalfall steigen die Ausfallraten vor dem Beginn einer Rezession. Es ist der langsame Beginn des negativen Rückkopplungseffektes.


In dieser Krise kam es nicht dazu. Die Wirtschaft war vor Krisenbeginn in guter Verfassung. Nun ist die Krise aber da und trotzdem beginnt der Teufelskreis nicht. In einigen Segmenten gibt es einen minimalen Anstieg der Ausfallquoten, in anderen sinken sie dafür.

Die niedrigen Ausfallquoten spiegeln sich auch in der Zahl der Firmeninsolvenzen wider. 2020 gingen in den USA weniger Firmen bankrott als ein Jahr zuvor (Grafik 2). Eine der tiefsten Rezessionen ohne Insolvenzen ist schon einmalig.


Zu verdanken haben wir es dem Staat. Dieser unterdrückt Insolvenzen, indem wie in den USA und Europa Hilfskredite zur Verfügung gestellt werden. Diese Kredite müssen nur zum Teil zurückgezahlt werden. Ohne Hilfe wären viele Firmen insolvent. Dank vom Staat garantierter Kredite werden Insolvenzen verhindert.

In den USA gibt es höheres Arbeitslosengeld und auch teils deutlich mehr Geld als in früheren Krisen. In Europa wurden die zeitlichen Beschränkungen für Kurzarbeit mehr oder minder aufgehoben. Der Einkommensverlust der Gesamtbevölkerung ist gering bzw. steigt das Einkommen sogar wie in den USA.

So kann weiterhin konsumiert werden. Die Güternachfrage ist in der Krise so schnell gewachsen wie im besten Aufschwung nicht. So wird zumindest dort, wo Sektoren nicht geschlossen werden, weiterhin konsumiert. Der negative Rückkopplungseffekt bleibt aus.

Konjunkturzyklen werden als schöpferische Zerstörung gelehrt. Schwache Unternehmen verschwinden, dafür können neue und innovativere entstehen. Ohne Schmerz geht das nicht. In dieser Krise ist alles anders. Die bisher gültigen Regeln wurden außer Kraft gesetzt. Der Staat kann den normalen Prozess einer Rezession durchbrechen, wenn er nur genügend Geld bereitstellt.

Wer sich fragt, wieso das nicht schon früher so gemacht wurde: Notenbanken haben nicht mitgemacht. Die Defizite hätten von Privatinvestoren finanziert werden müssen. Das hätte zu steigende Zinsen und langfristig geringeren Investitionen geführt. Den Rückkopplungseffekt einfach zu unterdrücken, hat auch negative Folgen.

Da nun die Notenbanken einspringen, scheint es auch diese nicht zu geben. Die Regeln scheinen eben nicht mehr zu gelten. In der Ökonomie und an der Börse heißt es eigentlich: es gibt kein „free lunch.“ Das dürfte auch weiterhin gelten, nur wissen wir noch nicht, wann und wo die Rechnung präsentiert wird.

Clemens Schmale


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  • DPMUC
    DPMUC

    Kreditausfälle muss man mal noch abwarten, die kommen schon noch.

    18:26 Uhr, 12.02. 2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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