Kommentar
13:30 Uhr, 04.02.2016

Eine Handbreit Wasser unterm Kiel

Nach mehreren erfolglosen Versuchen ist es inzwischen den Bergungskräften gelungen, das vor der Küste Frankreichs havarierte Frachtschiff „Modern Express“ an den Haken zu nehmen und langsam von der Küste weg in den Hafen von Bilbao zu schleppen. Das Schiff hatte wegen verrutschter Ladungen Schlagseite und drohte auf Grund zu laufen. Nicht zuletzt die unruhige See, der verschobene Schwerpunkt des Schiffes und die dadurch entstandene Schieflage erinnern an die aktuellen Probleme der Notenbanken. Denn die Unternehmensnachrichten und die damit veröffentlichten Wirtschaftsdaten lassen die Kapitalmärkte nicht zur Ruhe kommen.

Somit bleibt den Kapitänen der Geldpolitik nichts anderes übrig als dafür zu sorgen, dass das Schiff „Wirtschaftswachstum“ zumindest - im übertragenen Sinne - immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel hat bzw. einen sicheren Hafen erreicht. Wie das zu bewerkstelligen ist, darüber haben die Notenbanken allerdings sehr unterschiedliche Vorstellungen. So hat in der vergangenen Woche die Bank of Japan (BoJ) einen Dreisatz aufgestellt, der das Motto: „Ich will ja, aber ich kann nicht wie ich eigentlich will“ widerspiegelt. Die Tatsache, dass der Weg zum negativen Zins nur mit einem Stimmenverhältnis von 5:4 beschlossen wurde, verdeutlicht dies sehr eindrucksvoll. Einmal über den Pazifik nach Amerika geschaut, muss man feststellen, dass sich die Einschätzung vieler Analysten inzwischen gewandelt hat. Noch vor wenigen Wochen hat man sich lediglich Gedanken dazu gemacht, ob die nächste von vier Zinserhöhungen bereits im März erfolgen wird. Inzwischen häufen sich die Stimmen, ob es in diesem Jahr vielleicht nur noch eine oder sogar keine Anhebung mehr geben wird.

Das ist auch der Grund, weshalb sich in diesem Frühjahr die Blicke weniger auf die amerikanische Notenbank (Fed), sondern eher auf die Vorgehensweise der Europäischen Zentralbank (EZB) richten. Ihr Präsident Mario Draghi muss dann nämlich liefern! Die auf der Pressekonferenz im Januar gemachten Andeutungen bringen ihn nun in Zugzwang. Zumal ihm nicht nur die Kapriolen an den Kapitalmärkten das Leben schwer machen, sondern sich auch das anvisierte Kreditwachstum inzwischen als Rohrkrepierer herausstellt. Doch Letzteres wird dringend benötigt und zwar anscheinend ohne Rücksicht auf Verluste! Aber die Banken können sich in der aktuellen Ertragssituation keine notleidenden Kredite leisten, da sie mächtig unter der Niedrigzinspolitik der EZB leiden und unter Druck stehen. Viele Unternehmer trauen sich aufgrund der unsicheren Konjunkturperspektiven nicht zu investieren und somit fehlen die Kreditkunden. Auch dass viele Banken aus Wettbewerbsgründen langjährige Kunden vor der Last negativer Zinsen verschonen, zehrt manchen Euro in der GuV auf. Noch funktioniert das System, da die durch die Vermögensverwaltung eingespielten Erträge zur Quersubventionierung genutzt werden können. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis die Provisionen schwinden und den Banken dadurch die zum Atmen notwendige Luft abgeschnürt wird.

Dennoch es ist kein Ende dieser Zinspolitik in Sicht und so werden die Kapitalmärkte weiterhin mit Liquidität geflutet. Grundsätzlich braucht jedes Schiff, um manövrierfähig zu bleiben, mindestens eine Handbreit Wasser unterm Kiel. Doch wie viel das sein muss, hängt in erster Linie von dem Tiefgang des Schiffes infolge der Beladung ab. Und genau das ist das Problem in der Eurozone. Die Schiffe sind nicht gleich, alle Gewässer unterschiedlich tief und die EZB hat nur eine Messlatte

Klaus Stopp, Head of Market Making Bonds der Baader Bank

Hellas im Ausnahmezustand

Die Lage in Griechenland ist verzwickter denn je. Ohne Reform droht das Rentensystem von Hellas zusammenzubrechen, warnt Ministerpräsident Alexis Tsipras. Und ohne die geplanten Reformen gibt es auch keine Hilfen von den internationalen Geldgebern. Doch der Widerstand in der Bevölkerung ist groß und Tsipras ist ein gutes Jahr nach seiner Amtseinsetzung massiv unter Druck geraten.

So wird es am heutigen Donnerstag in ganz Griechenland einen der größten Streiktage der vergangenen Jahre geben. Staatsbedienstete, Seeleute, Tankwarte, Apotheker, Lastwagenfahrer und Taxifahrer wollen in den Ausstand treten. Damit schließen sie sich den Landwirten an, die bereits seit Tagen zahlreiche Verkehrsknotenpunkte lahm legen. Ebenso verweigern Rechtsanwälte und Notare den Dienst. Der Unmut richtet sich gegen die geplante Renten- und Steuerreform. So sollen die Renten um durchschnittlich 15 % gekappt werden. Freiberufler und Bauern müssten dadurch nach Gewerkschaftsangaben rund zwei Drittel ihres Einkommens als Renten- und Krankenkassenbeiträge sowie Steuern zahlen. Die Regierung befürchtet aber, dass das Rentensystem ohne diese Reform kollabieren könnte.

Seit Montag sind die Kontrolleure der Kreditgeber der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) für etwa zehn Tage in Athen. Danach muss Tsipras die Rentenreform durchs Parlament bringen. Erst anschließend werden sich die Kontrolleure die Bücher erneut anschauen und gegebenenfalls ihr Plazet für die Auszahlung weiterer Kredite geben. Problematisch ist hierbei, dass die Tsipras Koalition nur eine hauchdünne Mehrheit bei 153 von 300 Abgeordneten hat. Verweigern ihm nur drei die Gefolgschaft, könnten die politischen Turbulenzen in dem Land weiter zunehmen. Dabei hat Hellas eine Schlüsselstellung in der europäischen Flüchtlingsproblematik, weshalb eigentlich politische Stabilität dringend notwendig wäre.

Wie es nun weitergeht, war zumindest gestern aus griechischen Medien nur eingeschränkt zu erfahren. Denn auch die Journalisten haben sich dem Streik angeschlossen.


Zitterpartie für Halter von CoCo-Bonds der Deutschen Bank
Die Verlustmeldungen der Deutschen Bank treiben den Haltern von deren CoCo-Bonds die Sorgenfalten auf die Stirn. Denn mit den Verlusten des Instituts geraten auch Schwellenwerte, die eine Aussetzung von Zahlungen auf die riskanten Anleihen herbeiführen können, in greifbare Nähe.

Contingent Convertible Bonds (CoCos) sind Refinanzierungsinstrumente, welche den Emittenten helfen sollen, ihre Eigenkapitalausstattung in wirtschaftlich ungünstigen Zeiten zu verbessern. Dies wird dadurch erreicht, dass beispielsweise bei Unterschreiten einer vorher definierten Eigenkapitalschwelle eine Wandlung dieser Anleihe in Eigenkapital (Aktien) erfolgt oder ein automatischer Haircut bei dieser Anleihe ausgelöst wird, um die Eigenkapitalquote zu steigern.

CoCos mit einem Volumen von 4,6 Mrd. € hat die Deutsche Bank emittiert, die mit mindestens 6 % verzinst werden. Im Fall des größten deutschen Kreditinstituts hängen die Zinszahlungen von der Eigenkapitaldecke der Bank ab. Hierzu hat das Geldhaus vergangene Woche erklärt, dass es in der Lage sei, die Kupons für 2015 zu bedienen – zumindest „nach vorläufigen Zahlen“. Allerdings kommt die Deutsche Bank unter den großen europäischen Instituten der Nichterfüllung dieser Anforderungen am nächsten.

Viel darf daher nicht mehr passieren. Sollte die Bank aus irgendeinem Grund – etwa wegen neuer Rechtsstreitigkeiten – die Risikogewichtung bestimmter Aktiva erhöhen müssen, könnte sich die Eigenkapitalquote schnell soweit verringern, dass die Kupons nicht mehr bedient werden.

IWF gibt sich flexibler bei Rettungskrediten
Der Internationale Währungsfonds (IWF) ändert seine Kreditregeln, so die Intention, um eine Verschärfung von Schuldenkrisen künftig zu vermeiden. Demnach will der IWF nicht mehr wie bisher eine Restrukturierung der Schulden als Voraussetzung für die Gewährung von Hilfsgeldern erzwingen. Vielmehr können in Zukunft die Laufzeiten kurzfristiger Schulden verlängert werden, sofern das betroffene Land während des Programms auch Gelder von anderen Gläubigern erhält.

Mit dieser Regeländerung verspricht sich der IWF eine größere Flexibilität in der Bewältigung von Schuldenkrisen, wie sie bei den Rettungsversuchen für Griechenland 2010 nicht gegeben war. Bevor Schulden eine Wirtschaft erdrücken und die Restrukturierung von Staatsanleihen das Risiko einer finanziellen Ansteckung birgt, kann der IWF nun dennoch versuchen, ein Land zu retten. Voraussetzung dafür wäre dann, dass die Anleihebesitzer einer Laufzeitverlängerung zustimmen, welche nur die Zeit abdeckt, während der sich das Land in einem Rettungsprogramm befindet.

USA – die neue Schweiz
Die USA gelten als das neue Steuerparadies. Hohe Summen an Offshore-Geldern fließen dort hin, weil sie auf diese Weise dem Steuergesetz Fatca und dem Automatischen Informationsaustausch (AIA) entkommen können. Nachdem bisherige Steueroasen wie die Schweiz, die Bermudas, die Cayman Islands und die British Virgin Islands dem AIA-Abkommen beigetreten sind und sich der Steuertransparenz verpflichtet haben, schichten die Superreichen ihr Geld einfach in die USA um, die sich dem OECD-Abkommen nicht angeschlossen haben. Die USA seien die neue Schweiz, wie Bloomberg schreibt.

Mit Blick auf Fatca (Foreign Account Tax Compliance Act), ein US-Gesetz, mit dem das US-Steuer-Reporting von ausländischen Finanzinstitutionen 2010 deutlich verschärft wurde, liefert die US-Steuerbehörde keine Informationen über Anlagen, die außerhalb der USA verdient worden sind. Und weil die USA dem AIA fern geblieben sind, muss keine US-Bank Informationen über Kunden ohne US-Bezug herausrücken.

Ergo: Die USA haben die Welt zur Steuertransparenz verpflichtet, um selbst zum Steuerparadies zu werden.

Russische Kreditnehmer hadern mit Fremdwährungskrediten
Der stark vom Ölpreis getriebene Wertverfall des Rubels bereitet in Russland zunehmend Kopfzerbrechen. So könnte sich die Rückzahlung von Fremdwährungskrediten zum Problemfall entpuppen. In Moskau kam es aus diesem Grund vor kurzem sogar zu Demonstrationen in Bankfilialen, berichten die Deutschen Mittelstandsnachrichten.

Offenbar geraten immer mehr Kreditnehmer in die Bredouille, wenn es gilt, Kredite in Fremdwährung zurückzuzahlen. Mit der Sowkombank hat sich das erste Institut bereits flexibel gezeigt und hat den Kreditnehmern bei der Rückzahlung einen unter Marktniveau liegenden Wechselkurs eingeräumt. Die Frage ist nun, ob sich das Thema so aufschaukelt, dass der russische Staat womöglich einschreiten muss, um Unruhen zu vermeiden.

Dabei könnte sich Moskau an Ungarn und Polen orientieren. So hatte die Regierung Orban kürzlich Banken gezwungen, rückwirkend Zinsen und Gebühren für Kredite in Schweizer Franken zu senken. Auch Polen forderte von den Banken, auf Franken lautende Hypothekenkredite in polnische Zloty umzuwandeln, um heimische Kreditnehmer zu entlasten. Mit diesem Schritt werden defacto die heimischen Banken enteignet.

Je länger der Ölpreis niedrig bleibt und den russischen Rubel schwächt, desto größer wird die Versuchung für Moskau werden, gegebenenfalls derartig auf solche Entwicklungen zu reagieren.


easyJet startet durch
Ungeachtet der aktuellen Marktturbulenzen an den internationalen Finanzmärkten wagte easyJet, ein Anbieter von Billigflügen, sein bereits seit längerem angekündigtes Debüt am Primärmarkt für Corporate Bonds.

Der Start gelang ohne Probleme und so wurde frisches Kapital in Form einer 7-jährigen Anleihe (A18XR3) im Volumen von 500 Mio. € mit einer Fälligkeit am 9.02.2023 aufgenommen. Das Unternehmen zahlt jährlich Zinsen in Höhe von 1,75 %. Der Bond wurde mit +147 bps über Mid Swap gepreist, was einem Ausgabepreis von 99,85 % entsprach. Die Anleihe verfügt über ein optionales Kündigungsrecht zu Gunsten des Emittenten (Make-Whole-Option). Durch die gewählte Mindeststückelung von 100.000 € richtet sich diese Anleihe insbesondere an institutionelle Investoren.

Mit Ausnahme der beschriebenen Anleihe gab es in der vergangenen Woche keine nennenswerten Neuemissionen bei den Corporate Bonds und Financials. Neben den globalen konjunkturellen Unsicherheiten und den hohen Volatilitäten in den unterschiedlichen Assetklassen, die für eine abwartende Haltung der Unternehmen sorgen, sind aber auch andere Ursachen für diese Ruhe am Primärmarkt verantwortlich.

So refinanzieren sich auch immer mehr größere Gesellschaften über Schuldscheine. Das Segment der Unternehmens-Schuldscheindarlehen erreichte nach Recherchen der Bayerischen Landesbank im Jahr 2015 mit einem Volumen von 19,3 Mrd. € einen neuen Rekord. Insgesamt wurden 104 Transaktionen gezählt, wobei mit ZF Friedrichshafen der bisher größte Schuldschein aller Zeiten platziert wurde (2,2 Mrd. €). Aber auch andere Emittenten wie Daimler folgten diesem Beispiel. Mit der Begebung von Schuldscheinen, die nicht zuletzt einer gesteigerten M&A-Aktivität geschuldet ist, kann seitens der Emittenten flexibler und schneller auf die eigenen und die Bedürfnisse der institutionellen Anleger reagiert werden.

MARKTDATEN AKTUELL


Noch ist Luft vorhanden, aber wie lange noch?
Auch in dieser Woche zündete der Euro-Bund-Future seinen Turbo und stieg auf ein neues Allzeithoch bei 164,22 %. Da sich die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe momentan auf ca. 0,28 % beläuft, besteht also noch Handlungsspielraum, wenn das bisherige Allzeittief bei 0,07 % nochmals erreicht werden sollte. Aufgrund der diversen Hiobsbotschaften bezüglich der konjunkturellen Entwicklung in verschiedenen Volkswirtschaften ist diese Reaktion des Sorgenbarometers teilweise nachvollziehbar. Allerdings sei die Frage erlaubt, ob es wirklich zum jetzigen Zeitpunkt noch sinnvoll ist, zum Schutze vor einem Kursrutsch an den Aktienmärkten, in die größte aller Blasen zu investieren. Doch das muss jeder Investor selbst für sich entscheiden.

Als Entscheidungshilfe kann hierbei die Chartanalyse herangezogen werden. Nach oben bildet das gestrige Hoch bei 164,22 % einen ersten Widerstand. Da seit Jahresanfang fast täglich neue Höchstkurse erzielt wurden, kann ein erstes und etwas stabileres Fangnetz erst bei ca. 162,70 % ausgemacht werden. Allerdings sei nochmals darauf hingewiesen, dass im Falle von erhöhten Handelsaktivitäten ausländischer Investoren diese Linien sicherlich kein Hindernis darstellen werden.

Ist der Euro stark oder der US-Dollar zu schwach?
Endlich hat man das Gefühl, dass das Währungspaar US-Dollar und Euro noch lebt. Nachdem in den vergangenen zwei Wochen der Eindruck entstand, dass sich die Devisenhändler nicht entscheiden konnten, ob der Greenback oder doch eher die europäische Gemeinschaftswährung den Trendkanal nach oben verlassen wird, war es gestern soweit. Der US-Dollar überließ dem Euro den Vortritt, der nach dem Überwinden der oberen Begrenzungslinie des Trendkanals (1,0970 USD) nun sogar über 1,11 USD notiert. Im Hinblick auf die am morgigen Freitag anstehende Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten kann dies der Beginn einer Aufwertung des Euros darstellen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht zu beurteilen, ob die Stärke des Euros von innen kommt oder nur der Schwäche des US-Dollars geschuldet ist.

Doch im Devisenhandel richten sich inzwischen vermehrt die Blicke auf die Kurse des Yuan und des Hongkong-Dollars. Diese beiden Währungen sind ins Fadenkreuz der Hedgefonds geraten und somit zu Spekulationsobjekten geworden. Es wird interessant zu beobachten sein, mit welchen „Waffen“ die beiden sehr unterschiedlichen Mächte ihre Interessen verteidigen werden und wer sich eine „blutige Nase" holen wird. Denn in einer für westliche Staaten ungewohnten Art und Weise hat Chinas Regierung eine eindeutige Warnung an die erfolgsverwöhnten Hedgefonds-Manager adressiert, den äußeren Wert nicht negativ zu beeinflussen.

Viele Privatanleger richteten in den vergangenen Handelstagen ihren Fokus auf Fremdwährungsanleihen lautend auf Renminbi und US-Dollar, was sich in einer erhöhten Handelsaktivität widerspiegelte.

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