Drei mögliche Szenarien im Streit um das US-Wahlergebnis

„Beim aktuellen Stand sollte das Ergebnis unseres Erachtens nach relativ geringe Auswirkungen haben. Unabhängig davon, ob Biden oder Trump im Weißen Haus sitzt, dürfte ein wohl gespaltener Kongress das Regieren erschweren, so dass nur wenige Maßnahmen mit sehr deutlichen Auswirkungen auf die Aktienmärkte verabschiedet würden. Das eine oder das andere Ergebnis stünde für die Fortsetzung des Status quo, also keine höhere Körperschaftssteuer und kein großes grünes Steuerpaket. Für den Technologiesektor hat der Wettlauf um das Weiße Haus noch eine gewisse Bedeutung, denn eine mögliche Tech-Regulierung hinge stärker von Personalentscheidungen als von der Gesetzgebung im Kongress ab.

Größeren Einfluss auf die Märkte dürfte jetzt der Streit um das Wahlergebnis haben. Wir sehen drei mögliche Szenarien:

• Erstens: Die Stimmenauszählung nimmt ein paar Tage in Anspruch. Das wird allgemein erwartet und sollte keine großen Auswirkungen auf die Märkte haben.
• Zweitens: Es kommt zu einem Rechtsstreit wie 2000, der bis in den Dezember hineinreicht. Der S&P-500-Index fiel damals um 8 %, was allerdings zum Teil auf die bereits eingetretene Baisse zurückzuführen war. Die Erwartungen sind heute anders, so dass die Auswirkungen geringer ausfallen sollten.
• Drittens: Die endgültige Entscheidung verschiebt sich noch weiter in Richtung Amtseinführung. Das wäre Neuland. Die Unsicherheit würde zwar stark zunehmen, aber die Auswirkungen auf den Markt sollten sich in Grenzen halten, weil das Szenario auf die Gewinne des S&P 500 nur begrenzte Auswirkungen hätte.

In den nächsten Tagen werden wir auf Anzeichen dafür achten, auf welchem Weg wir uns befinden. Sind die Ergebnisse in ausreichend vielen Staaten knapp genug für eine Anfechtung? Wie wird der republikanische Mainstream in den nächsten Tagen auf Trumps Strategie und die Betrugsvorwürfe reagieren? Jedes Auseinanderdriften von republikanischer Partei und Trump-Kampagne senkt die Wahrscheinlichkeit von Extremszenarien. Schließlich wird auch die Reaktion der Öffentlichkeit von Bedeutung sein. Werden Demonstranten die Nachzählungen stören? Wie reagieren die Institutionen auf solche Unterbrechungen?

Es bleiben viele offene Fragen, aber der Markt dürfte in erster Linie darauf achten, ob der Weg zum nächsten Präsidenten reibungslos verläuft – sein Name ist zweitrangig.“