Kommentar
08:15 Uhr, 01.07.2019

Draghi: EZB steht bereit! Aber womit eigentlich?

Die EZB bekräftigt, dass sie die Wirtschaft unterstützen kann und es auch tun wird. Man fragt sich nur, womit?

Anleger preisen eine Zinssenkung in der Eurozone in diesem Jahr ein. Die Wahrscheinlichkeit dafür erreicht fast 90 %. Die EZB selbst hat dafür gesorgt, dass Anleger diese Erwartung entwickeln. Mario Draghi hat verbal die Zinsen praktisch schon gesenkt. Zinssenkungen lassen sich einfach ankündigen. Man fragt sich allerdings, was denn eigentlich noch gesenkt werden kann und soll.

Der Einlagensatz steht bei -0,4 %. Eine weitere Senkung beeinträchtigt die Profitabilität der Banken. Es ist so gut wie ausgeschlossen, dass die EZB bei immer tieferen Einlagensätzen keine Bankenkrise riskiert.


Aus diesem Grund denkt sie auch über eine Staffelung der Zinsen nach. So würden nicht alles Überschussreserven negativ verzinst werden, sondern nur ein Teil. So könnte die EZB den Einlagensatz weiter senken. Gleichzeitig aber erhöht sie die Zinsen, wenn sie eine Staffelung einführt. Unterm Strich ist eine Senkung also nicht realistisch.

Es wäre wohl eine „optische“ Zinssenkung und keine, die wirklich Relevanz hat. Über Zinsen kann die EZB die Wirtschaft kaum anschieben. Das hat Anleger nicht davon abgehalten, eine Zinssenkung einzupreisen und darauf zu reagieren. Die Zinsen von Tiefzinsländern (Grafik 2) sind vorsorglich wieder gefallen. In so manchem Land erreichten die Zinsen ein neues Rekordtief.


Das hat auch global Auswirkungen. Senkt erst die EZB die Zinsen, wird auch die US-Notenbank nicht tatenlos zusehen. In den früheren Hochzinsländern Neuseeland, Kanada und Australien befinden sich die Zinsen im freien Fall. Hier wurden die Zinsen entweder schon gesenkt oder die Notenbanken stehen kurz davor.

Es beginnt ein neuer Wettlauf, wer der die Zinsen am schnellsten und tiefsten senken kann. Aus fundamentalen Gesichtspunkten sind solche Zinssenkungen angebracht. Die Wirtschaft kühlt ab. Die EZB gibt hinter verschlossenen Türen sogar zu, dass der Ausblick bei Wachstum und Inflation besorgniserregend ist.

Das alles ändert jedoch nichts daran, dass die EZB wenig tun kann. Sie kann eine optische Zinssenkung durchführen. Sie kann auch wieder Staatsanleihen kaufen. Die Zinsen sind allerdings schon so tief, dass es auf eine weitere Kompression um ein paar Basispunkte kaum ankommt.

Gemessen an Staatsanleihen stehen die Zinsen in Deutschland bei -0,3 %. Wenn sich die Wirtschaft bei -0,3 % abkühlt, wird sie kaum bei -0,5 % plötzlich zu wachsen beginnen. Zusammengefasst kann man sagen, dass die EZB die Zinsen kaum senken kann und selbst wenn sie es irgendwie zustande bringt, hat das kaum Bedeutung.

Da Anleger die Aussicht trotzdem positiv aufnehmen, ist das nicht schlimm. Solange niemand merkt, dass die EZB machtlos ist, ist alles in Ordnung.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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