Kommentar
18:56 Uhr, 12.04.2005

DOPPELT OPTIMIERTER EUROSTOXX 50: „Sell in May and Go Away“: Die Bonus-Strategie zur Börsenregel

Wenn im Januar / Februar das Endspiel um die amerikanische Football-Meisterschaft ausgetragen wird, fiebert so mancher Börsianer nicht nur aus sportlichen Gründen mit. Denn geht beim „Superbowl“ das Team aus der National Football League (NFL) als Sieger vom Platz, darf man auf ein positives Börsenjahr hoffen; gewinnt dagegen die Mannschaft aus der konkurrierenden AFL, wächst die Angst vor Kursrückschlägen. In den vergangenen 30 Jahren hat dieser „Indikator“ eine erstaunlich hohe Treffsicherheit von über 70 Prozent bewiesen; als Ansatzpunkt für eine ernsthafte Anlagestrategie taugt er dennoch genauso wenig wie die zahlreichen anderen Börsenweisheiten und Abzählreime, mit denen der zuletzt zunehmend unglücklich agierende Fondsmanager Heiko Thieme jahrelang die Leser seiner F.A.Z.-Kolumne „Brief aus Wall Street“ amüsiert hat – ein Investment-Konzept muss schließlich nicht nur „irgendwie“ funktionieren, sondern auch plausibel erklärbar sein.

So gibt es wohl nur ein Bonmot aus dem „Schatzkästlein“ der Marktbeobachter, das zumindest im Kern beide Anforderungen erfüllt: Die legendäre Regel „Sell in May and Go Away“, mit der wir uns bereits im ZertifikateJournal 07/05 beschäftigt haben. Zwar ist der konkrete Rat, im Mai aus dem Markt auszusteigen, historisch etwas zweifelhaft; die Anspielung auf die saisonalen Schwankungen der Börse lohnt jedoch allemal eine genaue Analyse. Denn egal, ob man nun den US-amerikanischen Dow Jones Industrial Average (seit 1928), den deutschen DAX (seit 1960) oder den immerhin bis 1987 zurückverfolgbaren EURO STOXX 50 heranzieht – die Vergangenheit lehrt eindeutig, dass es „gute“ und „schlechte“ Börsenmonate gibt (siehe Graphik). Klar positiv sind Januar und Dezember, die je nach Index einen durchschnittlichen Wertzuwachs zwischen einem und drei Prozent bringen; darüber hinaus war der Dezember in 140 insgesamt betrachteten Jahresperioden niemals (!) der schlechteste Börsenmonat.

Die rote Laterne trägt derweil der September, der im Mittel zwischen 1,5 und 3,2 Prozent Verlust gebracht hat und nur in 30 bis 35 Prozent der Fälle positive Ergebnisse liefern konnte; an vorletzter Stelle liegt (zumindest in den europäischen Märkten) der August. Hier greift das massenpsychologische Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung – nachdem es im Spätsommer schon öfter kräftig abwärts gegangen ist, sind die Börsianer vorsichtig geworden, stellen rechtzeitig vorher Positionen glatt und bringen durch ihre Verkäufe Druck auf die Kurse. Auch die guten Monate lassen sich mit dem Argument der Marktpsychologie erklären: Am Jahresanfang starten die Anleger „frisch, fromm, fröhlich, frei“ ins Rennen um eine gute Performance; das Jahr ist noch lang und entsprechend groß ist der Mut, am Aktienmarkt zuzugreifen. Dieser Elan hält einige Monate an und ebbt erst im Mai ab, wenn in den USA die Frist für steuerbegünstigte Aktien-Engagements zur Altersvorsorge endet; anschließend sorgt die Urlaubssaison („Sommerloch“) für rückläufige Umsätze und eine uneinheitliche Tendenz. Erst im Schlussquartal wird wieder fleißig gekauft, wobei die vielzitierte Jahresendrallye vor allem aus dem Verhalten institutioneller Investoren resultiert. Auf der Zielgeraden kaufen sich Fondsmanager selbst die Kurse hoch („Window Dressing“), um ihre Jahresergebnisse noch ein bisschen nach oben zu korrigieren.

Auch wenn dieses saisonale Muster selbstverständlich kein „Naturgesetz“ ist, lässt es sich aufgrund seiner logischen Plausibilität durchaus als Basis für eine Anlagestrategie heranziehen – nämlich dergestalt, dass man stets nur zehn Monate investiert und in der „Saure-Gurken-Zeit“ von Anfang August bis Ende September nicht im Markt ist. Die manuelle Umsetzung dieser Idee scheitert freilich an Hans Eichel. Wer im Oktober ein Index-Zertifikat kauft und bereits im Juli wieder aussteigt, erreicht nie die steuerliche Spekulationsfrist und auch die beste Strategie wird sich schwer tun, den Unterschied zwischen null und bis zu 45 Prozent Steuerlast auszugleichen. Der Mechanismus schreit also geradezu nach einer „Verpackung“ als Zertifikat, das automatisch eine zweimonatige Investment-Pause einlegt; sofern dieses Papier dann länger als ein Jahr im Bestand gehalten wird, sind die unterjährigen Umschichtungen für den Fiskus irrelevant.

Auf diesen Trichter sind die Emittenten natürlich auch schon gekommen, allerdings kann bislang kein Papier so richtig zufrieden stellen. Das „DAX Best Seasons“ von ABN Amro (ISIN DE 000 559 282 8) macht zwar eine dreimonatige Pause von Anfang August bis Ende Oktober, lässt das Kapital des Anlegers während dieser Zeit jedoch unverzinst. Die Bankgesellschaft Berlin bietet bei der auf den EURO STOXX 50 bezogenen „SOFIA Saison Strategie“ immerhin einen „Airbag“ (ISIN DE 000 LBB 0WV 1) oder eine Vollgarantie (ISIN DE 000 LBB 0WN 8), muss dafür aber gleich sechs Monate aussparen (von Anfang Mai bis Ende Oktober) – nur mit diesem Verzicht auf Performance-Chancen sind die üppigen Puffer finanzierbar. Unabhängig davon leiden alle drei Papiere darunter, dass man nur an steigenden Kursen Geld verdient. Zeigen die Indizes dagegen auch in den historisch guten Monaten nach unten oder reicht’s nur für eine Seitwärtsbewegung, werden allenfalls Verluste abgefedert; einen Renditesockel für schlechte Zeiten gibt es nicht.

Nachdem unsere Besprechung der beiden „Berliner“ Zertifikate und die korrespondierende Bloomberg.TV-Sendung in der ZertifikateJournal-Community auf unerwartet hohes Interesse gestoßen sind, haben wir uns deshalb getreu dem Motto „Nicht nur kritisieren, sondern besser machen!“ an eine Weiterentwicklung des Saison-Gedankens gemacht. Resultat dieser Überlegungen ist das neue „Europa Saison Bonus“-Zertifikat der HypoVereinsbank. (ISIN DE 000 HV0 EEG 6). Basiswert des neuen Produkts ist ein gemäß der Saison-Strategie optimierter EURO STOXX 50 – mit einer auf die eindeutig schlechten Monate August und September beschränkten Investment-Pause. Bereits mit diesem Konzept hätte man in der Vergangenheit eine deutliche Überrendite zum klassischen Index-Investment erzielen können: Während der EURO STOXX 50 zwischen Anfang 1987 und Ende 2004 „nur“ auf eine Rendite von 240 Prozent kommt, stehen beim „Europa Saison Index“ satte 830 Prozent Plus zu Buche.

Diese Outperformance wurde relativ konstant herausgearbeitet: Die Saison-Strategie schnitt selten deutlich schlechter ab als der EURO STOXX 50 (nur 1993 und 1997 wären dem Anleger während der Investment-Pause mehr als fünf Prozent Wertzuwachs durch die Lappen gegangen), gleichzeitig gab es gleich vier Jahre, in denen die Strategie mit einem zweistelligen Prozentbetrag die Nase vorn hatte – die „Herbst-Crashs“ von 1990, 1998, 2001 und 2002 hätte man höchst elegant eliminiert.

In einem zweiten Schritt wird der optimierte Index nun noch mit dem bewährten Bonus-Mechanismus unterlegt: Sofern der „Europa Saison Index“ während der sechsjährigen Laufzeit niemals mehr als 35 Prozent unter seinen Stand bei Emission fällt, wird das zu 100,00 Euro begebene Zertifikat am Ende auf jeden Fall zu 132,00 Euro zurückgezahlt. An allen über diese 32 Prozent hinausgehenden Zuwächsen ist man natürlich wie üblich unbegrenzt und „eins-zu-eins“ beteiligt (100 Prozent Partizipation). Anders als bei allen anderen am Markt verfügbaren Saison-Zertifikaten erwirtschaften Sie hier also selbst in einer anhaltenden Seitwärtsbewegung oder einem moderaten Abschwung noch eine attraktive, deutlich über dem Rentenmarkt-Niveau liegende und obendrein steuerfreie Rendite von 4,7 Prozent p.a. Dieser Sockel fällt zwar rund einen Prozentpunkt schmaler aus als bei vergleichbaren Bonus-Zertifikaten auf den „normalen“ EURO STOXX 50, wegen der niedrigeren Volatilität ist jedoch auch das Schwellenrisiko geringer (historisch gesehen sogar um 50 Prozent). Finanziert wird der Bonus übrigens über den Zinsgewinn während der Investment-Pause sowie über die Dividenden, weshalb auch klar ist, dass der sagenumwobene Mai auf jeden Fall mit von der Partie sein muss: Rund ein Drittel aller Ausschüttungen fließt im Wonnemonat.

Unter dem Strich steht damit ein doppelt optimiertes Engagement in europäische Standardaktien – die Symbiose aus einer alten, leicht modifizierten Börsenregel und der vergleichsweise neuen Bonus-Struktur, die eben nicht nur auf steigende Märkte fokussiert ist und sich deshalb völlig zu recht großer Beliebtheit erfreut. Damit eignet sich das „Europa Saison Bonus“-Zertifikat für alle Anleger, die gerade auf der Suche nach einem Basisinvestment sind, das zwar einen defensiven Charakter hat, gleichzeitig aber durch ein an die Psychologie der Märkte angelehntes „Timing“-System versucht, in jeder Börsenphase besser abzuschneiden als der EURO STOXX 50. Dabei beachten Sie bitte, dass der Wert des Zertifikats nicht nur von der Entwicklung des Saison-Index beeinflusst wird, sondern auch von Faktoren wie Restlaufzeit, Zinsniveau und Volatilität. Vor allem in den ersten zwei Dritteln der Laufzeit wird das Papier deshalb zwar tendenziell einen ähnlichen Kursverlauf zeigen wie der Basiswert; die Investment-Pausen werden im Chart jedoch nicht als gerade Linie aufscheinen.

Damit Sie trotzdem maximale Transparenz genießen, wird die HypoVereinsbank jedoch nicht nur Geld- und Brief-Kurse für das Zertifikat stellen, sondern auch den „Europa Saison Index“ selbst veröffentlichen (ab dem 4. Mai unter ISIN DE 000 A0C 4F6 3). Es gibt keinen Ausgabeaufschlag (Agio), so dass es sich ausnahmsweise wirklich lohnt, bereits während der bis zum 29. April laufenden Zeichnungsfrist zuzugreifen statt bis zur Aufnahme des Börsenhandels abzuwarten.

Mehr über Zertifikate erfahren Sie Woche für Woche im ZertifikateJournal, dem kostenlosen Anlegerbrief von Deutschlands führenden Zertifikate-Experten Christian W. Röhl und Werner H. Heussinger. Auf www.zertifikatejournal.de können Sie sich in den Gratis-Verteiler eintragen!

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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