DIW zieht gemischt Halbzeitbilanz für Ampel-Regierung bei Energiewende
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BERLIN (Dow Jones) - Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zieht eine gemischte Halbzeitbilanz für die Regierungskoalition bei der Energiewende und fordert mehr Anstrengungen zum Erreichen der angestrebten Klimaneutralität. Während Deutschland etwa bei der Photovoltaik auf einem guten Weg sei, liege der Ausbau der Windkraft an Land derzeit deutlich unter dem Zielpfad, so das Institut. Auch bei der Elektromobilität gehe es zu langsam voran.
"Das Tempo der Energiewende muss deutlich gesteigert werden, um die deutschen Klimaschutzverpflichtungen einzuhalten. Wenn die Regierung die Anstrengungen erhöht und konsequent handelt, können die gesetzten Ziele aber noch erreicht werden", erklärte das DIW in seinem Bericht. Angesichts des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts müssten finanzielle Mittel für die Energiewende effizient eingesetzt werden.
Die Studienautoren lobten, dass viele Ziele der Ampelparteien SPD, Grüne und FDP deutlich ambitionierter als die früherer Bundesregierungen seien, insbesondere die im Erneuerbare-Energien-Gesetz formulierten Ausbaupfade für Photovoltaik und Windkraft. Angesichts langer Planungs- und Umsetzungszeiten bei vielen Technologien könnten nach zwei Jahren aber noch nicht in allen Bereichen große Ausbauerfolge erwartet werden.
Erfreuliche Dynamik bei Photovoltaik
Bei der Photovoltaik sei die aktuelle Entwicklung erfreulich dynamisch. Hier seien derzeit rund 80 Gigawatt (GW) an Leistung installiert, 20 GW (oder 33 Prozent) mehr als zum Beginn der Koalition. Zum Ende der Legislaturperiode soll die Leistung rund 105 GW betragen und sich dann bis zum Jahr 2030 auf 215 GW noch einmal mehr als verdoppeln. Da der PV-Zubau derzeit vor allem von kleineren, eigenverbrauchsorientieren Dachanlagen getrieben wird, sollte deren effiziente Integration in das Stromsystem eine höhere Priorität in der künftigen Energiepolitik bekommen, so der Rat des DIW.
Bei der Windkraft an Land und auf See gehe es darum, die diversen angestoßenen Maßnahmen zur Erhöhung der Flächenausweisung sowie zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren konsequent umzusetzen und verbleibende Hürden abzubauen. Denn die Leistung aller Anlagen zur Nutzung der Windkraft an Land betragen laut DIW derzeit rund 61 GW, was lediglich 5 GW (oder 9 Prozent) mehr als vor zwei Jahren seien. Bis zum Ende der Legislaturperiode soll die Leistung auf knapp 76 GW wachsen. Bis 2030 plant die Regierung, die Leistung um noch einmal rund 50 Prozent auf 115 GW zu steigern.
Bei der Windkraft auf See habe zum Ampel-Start die installierte Leistung bei 7,8 GW gelegen, seitdem seien aber nur knapp 0,6 GW dazugekommen. Dieser Zubau wurde allerdings schon viele Jahre zuvor angestoßen. Ein deutlicher stärkerer Zubau ist ab 2029 geplant.
Bei Heizungen und E-Autos Verzögerungen vermeiden
Im Bereich der Raumwärme sollte laut DIW durch eine faktenorientierte und klare Kommunikation weitere Verzögerungen bei der Transformation vermieden werden, so dass der Einbau von weiteren Wärmepumpen verstetigt und der weitere Verkauf fossiler Heizgeräte so schnell wie möglich beendet werde. Die Regierung strebt an, dass bis 2030 6 Millionen Wärmepumpen in Deutschland im Einsatz sind. Derzeit seien aber nur rund 1,7 Millionen Wärmepumpen installiert, gegenüber knapp 1,2 Millionen zum Beginn der Regierungszeit, so das DIW. Während der Ausbau zuletzt deutlich angezogen habe, seien jedoch in den ersten drei Quartalen des Jahres 2023 auch sehr viele neue Erdgasheizungen eingebaut worden - sogar mehr als neue Wärmepumpen, so das DIW.
Auch im Bereich der Elektromobilität ginge es nicht so schnell wie geplant voran. Hier sollten die Neuzulassungsanteile von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren schneller sinken. Bis 2030 sollen nach der Vorstellung der Bundesregierung 15 Millionen vollelektrische Pkw 2030 in Deutschland auf den Straßen sein, aktuell sind es jedoch nur rund 1,3 Million reine Elektrofahrzeuge.
Beim grünen Wasserstoff gebe es derzeit zwar noch kaum konkrete Anlagen, aber das Tempo im Bereich der Infrastrukturplanung und -entwicklung sei vergleichsweise hoch. Auch hier gehe es nun um eine konsequente Umsetzung, fokussiert auf den Einsatz von Wasserstoff in anderweitig kaum elektrifizierbaren Bereichen. Insgesamt sei der Weg zum Erreichen der Ziele bei der Elektromobilität und Wasserstoffelektrolyse besonders weit, so der Bericht. Denn für die Herstellung von grünem Wasserstoff hat sich die Ampel-Koalition das Ziel gesetzt, im Jahr 2030 eine Elektrolyseleistung von 10 GW zu erreichen. Derzeit liegt sie noch unter 0,1 GW, also bei circa 1 Prozent dieses Ziels, so das DIW. Außerdem ist die Leistung während der vergangenen zwei Jahre kaum gewachsen.
Finanzierungsschwierigkeiten für Fonds machen Ziele schwieriger
Das Fazit der DIW-Studie ist, dass die Regierung an der Energiewende dranbleiben müsse. "Wenn alles, was in der ersten Hälfte der Legislaturperiode angestoßen wurde, in der zweiten Hälfte konsequent weiterverfolgt wird, sollten die gesetzten Ziele erreicht werden können. Die aktuell aufgetretenen Finanzierungsschwierigkeiten des Klima- und Transformationsfonds erschweren leider diese Bemühungen", so das DIW. "Ein möglichst effizienter und bedarfsgerechter Einsatz von Fördermitteln ist somit wichtiger denn je."
Nur mit konsequentem Regierungshandeln und überzeugender, sachlicher Kommunikation könne die Energiewende auf einen Pfad kommen, mit dem das übergeordnete Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 zu schaffen sei.
Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com
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