Direkte Bankenhilfen – neues Fass ohne Boden?
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone haben sich beim EU-Gipfel in Brüssel auf die Möglichkeit direkter Bankenhilfen aus dem permanenten Euro-Rettungsfonds ESM geeinigt. Länder mit guter Haushaltsführung sollen außerdem Hilfen ohne strikte Sparauflagen erhalten können. Nach stundenlangen Verhandlungen in der Nacht zu Freitag gab Deutschland seinen Widerstand gegen die Forderungen aus Spanien und Italien auf. „Wir bekräftigen, dass es essentiell ist, den Teufelskreis zwischen den Banken und den Staaten zu brechen“, heißt es in der Erklärung der Eurogruppe.
Die Entscheidung der Euro-Retter sieht vor, dass zunächst eine gemeinsame Bankenaufsicht für die Eurozone errichtet werden soll. Anschließend könnte dann die Möglichkeit direkter Bankenhilfen aus dem Euro-Rettungsfonds ESM geschaffen werden. Dazu dürfte es voraussichtlich ab Anfang 2013 kommen. Dann würden Notkredite direkt an marode Banken vergeben werden und nicht, wie bisher geplant, an den jeweiligen Staat, der sie dann weiterreicht. Dadurch würde sich die Staatsverschuldung Spaniens beispielsweise nicht mehr erhöhen, wenn die Banken des Landes weitere Milliardenhilfen benötigen. Nicht mehr der spanische Staat würde für die maroden Banken des Landes haften, sondern die ganze Eurozone. Die Sorge eines weiteren Anstiegs der Staatsverschuldung durch ausufernde Verluste bei den Banken hatte zuletzt zu einem deutlichen Anstieg der Renditen bei spanischen und italienischen Staatsanleihen geführt, wodurch die Refinanzierungskosten für beide Länder deutlich angestiegen waren.
Die Eurogruppe verständigte sich außerdem darauf, dass der Euro-Rettungsfonds ESM bei der Rettung der spanischen Finanzinstitute keinen bevorzugten Gläubigerstatus erhalten wird. Bisher war vorgesehen, dass im Falle einer Staatspleite erst die Forderungen des Rettungsfonds ESM befriedigt werden müssten, bevor private Gläubiger an die Reihe kommen. Auch dies hatte zuletzt zu einer Zurückhaltung privater Investoren beim Kauf von spanischen Staatsanleihen geführt. Da der ESM in noch nicht ratifiziert ist und auch nicht in Kraft treten kann, bevor das Bundesverfassungsgericht über die Eilanträge entschieden hat, werden die spanischen Bankenhilfen aber zunächst aus dem vorläufigen Rettungsfonds EFSF bezahlt. Dieser besitzt anders als der ESM ohnehin keinen bevorzugten Gläubigerstatus. Sobald der ESM dann seine Arbeit aufnimmt, soll das Hilfspaket für die spanischen Banken auf den ESM übertragen werden.
Während die Möglichkeit direkter Bankenhilfen vor allem auf die Situation Spaniens zugeschnitten ist, konnte sich auch Italien mit auf dem EU-Gipfel mit der Forderung nach erleichterten Hilfen durchsetzen. Länder mit guter Haushaltsführung sollen künftig Hilfen aus den Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM erhalten können, ohne dass sie zusätzliche Auflagen zu erfüllen haben. Die Staaten müssten nur die Vorgaben aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt einhalten, um Unterstützung durch die Rettungsfonds zu erhalten, sagte der italienische Premierminister Mario Monti. Nach den Worten Montis hat die Eurozone mit der Entscheidung für den Ausbau der "politischen Union" sogar den Weg für gemeinschaftliche Anleihen (Eurobonds) geebnet. In den nächtlichen Beschlüssen sei die Basis hierfür gelegt worden, sagte der italienische Premier. Deutschland lehnt Eurobonds zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber weiter ab.
Bisher hatte die Bundesregierung auch direkte Bankenhilfen aus dem Euro-Rettungsfonds und Hilfen ohne Auflagen aus guten Gründen abgelehnt. Die Kredite sollten nur an Staaten vergeben werden, die für das Geld haften und es an die Banken weiterreichen. Zugleich war die Vergabe von Hilfen an strikte Auflagen gebunden. Die Kehrtwende führt nun dazu, dass Risiken, die im spanischen Immobilien- und Finanzsektor schlummern, schlimmstenfalls auch von den Steuerzahlern in den Niederlanden, Finnland oder Deutschland getragen werden müssen. Auch wenn es wegen der ablehnenden Haltung der Bundesregierung auf absehbare Zeit nicht zur Einführung von Eurobonds kommen dürfte, haben die Krisenstaaten auf dem Euro-Gipfel einen großen Sieg davongetragen. Milliardenschwere Risiken in den Bankbilanzen in Italien und Spanien können künftig vergemeinschaftet werden. Hilfen aus den Euro-Rettungsfonds werden auch ohne zusätzliche Auflagen möglich, solange die Vorgaben aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt eingehalten werden. Damit ist Europa einen verhängnisvollen Schritt vorangegangen auf dem Weg zu einer "Schuldenunion" – ganz ohne die Einführung von Eurobonds.
Oliver Baron
Redakteur BoerseGo.de
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.