Kommentar
08:11 Uhr, 15.12.2014

Dieses Thema lässt die USA nicht mehr los: Ungleichheit

Die Einkommensungleichheit in den USA ist so beunruhigend, dass sich inzwischen die Notenbank und das Weiße Haus höchst selbst darum kümmern. Ob es hilft, sei dahingestellt. Immerhin ist das Thema auf der Agenda.

Zimperlich gehen Fed und das Weiße Haus mit dem Thema nicht um. Das Council of Economic Advisors, welches für den Präsidenten Ratschläge in Sachen Wirtschaft gibt und letztlich ein kleines Wirtschaftsforschungsinstitut des Weißen Hauses ist, hält scharfe Worte bereit. Nicht weniger als die Gesellschaft wie wir sie kennen und die Wirtschaft stehen auf dem Spiel. Grund dafür ist die wachsende Ungleichheit. Sie ist wieder so hoch wie kurz vor der Großen Depression. Viele denken sich: das kann kein Zufall sein.

Am stärksten wächst das Vermögen der Top 1% der Gesellschaft. Die ganz klare Grenze zwischen wachsendem und sinkendem Vermögen liegt bei 10% für wachsendes und 90% für sinkendes Vermögen. Hätten Haushalte heute noch den gleichen Anteil am Einkommen wie Anfang der 70er Jahre, als die Ungleichheit begann zuzunehmen, dann hätten sie heute fast ein Fünftel mehr Geld in der Tasche. Das sind ungefähr 9.000 USD im Jahr. 9.000 USD im Jahr, das ist ein hoher Betrag. Das kann man nicht einfach so ignorieren und wegwischen. Man stelle sich nur vor, wo der Konsum in den USA heute wäre, wenn alle Familien 9.000 USD mehr zur Verfügung hätten.

Betroffen sind alle Gesellschaftsschichten (bis auf die top 1 bis top 10%). Die US Mittelklasse, die einmal als die wohlhabendste weltweit galt, fällt zurück. Angefangen hat es damit, dass Unternehmen ihren Arbeitnehmern den Zuwachs an Produktivität nicht weitergereicht haben. Bis 1970 haben sie das getan. Die Löhne wuchsen mit der Produktivität. Das tun sie inzwischen nicht mehr. Darüber hinaus hat sich aber auch der Bedarf an Arbeit stark gewandelt. Der Stellenmarkt für Geringqualifizierte ist relativ stabil, teilweise sogar wachsend. Der Bedarf von hochqualifizierten wächst am stärksten. Der mittlere Qualifikationsbereich, der die Mittelklasse ausmacht, schrumpft. Es werden immer weniger Mittelqualifiziert auf dem Arbeitsmarkt gebraucht.

Bis zur Krise 2008/09 wuchs der Konsum in den USA nach wie vor weiter. Man hätte fast den Eindruck gewinnen können, dass es überhaupt kein Problem gibt. Das lag allerdings daran, dass einfach immer mehr Schulden aufgebaut wurden.
Das böse Erwachen kam 2008. Viele Haushalte hatten kaum mehr Zugang zu neuem Kredit. Schulden konnten häufig nicht bedient werden. Vermögen haben die meisten ja nicht. Die Sparquote lag in den zwei Jahrzehnten vor dem Zusammenbruch des Marktes 2008 nahe 0% bei den mittleren und unteren Einkommensschichten. Das einzige Asset, welches die meisten hatten, war ihr Haus. Das war auf einmal kaum noch etwas wert. Mit Banken, die ihre Kredite zurückforderten, verloren viele Haushalte das einzige Vermögensgut, welches sie je besaßen.

Seitdem wächst der Konsum nur noch mäßig. Haushalte müssen immer noch konsolidieren. Selbst wenn die Schulden wieder ein tragbares Niveau erreichen können die meisten dann trotzdem nicht wieder Shoppen gehen bis zum Abwinken. Sie bekommen den Kredit dafür nicht. Die Gehälter steigen zudem viel zu langsam, um überdurchschnittlichen Konsum zu rechtfertigen. Das führt dazu, dass der bisherige Anstieg im Konsum in den USA fast ausschließlich von den Top 5% getragen wird. Der Konsum dieser Gruppe stieg seit 2009 um 17%, während die unteren 95% lediglich 1% mehr konsumieren als damals.

Die Top 5% können momentan durch steigenden Konsum die sinkenden Ausgaben der unteren 95% kompensieren. Sie akkumulieren gleichzeitig immer mehr Vermögen. Das kann noch einige Jahre so weitergehen. Dann ist aber irgendwann das Top 5% Segment größtenteils gesättigt. Der Konsum dürfte anfangen zu stagnieren, wenn erst einmal ein bestimmtes Niveau erreicht ist. Grob gesagt, wenn man drei Curved HD Fernseher im Haus hat, dann braucht man nicht noch einen vierten. Wer viel hat, gibt zwar auch mehr aus, aber es gibt Grenzen des Ausgebens. Der Nutzen nimmt ab. Um den Großteil des Vermögens auszugeben, müssten die entsprechenden Haushalte viele Ausgaben tätigen, von denen sie nichts haben. Das tun sie nicht. Stattdessen wird einfach mehr gespart.
Die langfristige Folge, deren Beginn wir sehen, ist das schwache Wachstum der Nachfrage. Langfristig geht das Wachstum zurück. Momentan ist es in den USA noch überdurchschnittlich, weil viel nach der Krise aufzuholen ist. Das Limit des Möglichen ist aber gerade in der Mittelschicht sehr begrenzt. Der aktuelle Nachfrageschub ist vorrübergehend.

Als Nebeneffekt der kleiner werdenden Mittelklasse geht auch das Ausbildungsniveau einer breiten Schicht immer mehr zurück. Einkommen und Bildung sind stark korreliert. Gerade in den USA kann man sich Bildung im Normalfall nur mit hohem Einkommen leisten. Die Mittelschicht verdient nun aber immer weniger. Damit wird auch weniger für Bildung ausgegeben oder es werden mehr Schulden für die Ausbildung aufgenommen. Ersteres ist besonders kritisch, weil damit keine Chance auf den Aufstieg besteht. Letzteres ist auch keine Lösung. Zwar können sich dann die Menschen als hochqualifiziert bezeichnen und verdienen mehr. Dafür können sie in den ersten 10 Jahren des Berufslebens dennoch nicht mehr konsumieren, weil sie den Kredit abbezahlen müssen.

Zuletzt steht nicht weniger als auch die Demokratie auf dem Spiel. Je ungleicher das Vermögen verteilt ist, desto weniger lässt sich Demokratie halten. In den USA ist schon jetzt das politische System stark vom Geld weniger geprägt. Reiche haben Anreize immer mehr in die Politik einzugreifen, um ihren Status und ihr Vermögen zu wahren. Je höher die Vermögenskonzentration ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass Reiche die Politik aktiv zu steuern versuchen. In den USA ist das bereits der Fall und es wird mit wachsender Ungleichheit kaum besser werden.
Der Zusammenbruch des Konsums, das Verschwinden der Mittelklasse und die Unterwanderung der Demokratie passieren nicht von heute auf morgen. Den Anfang sehen wir. Das Ende ist noch lange nicht in Sicht.

Aufzuhalten ist der Trend fast nicht mehr. In den USA herrscht ein politisches Patt. Die Republikaner sind wieder erstarkt und dürften so ziemlich alles blockieren, was nur irgendwie nach Steuererhöhung für Reiche riecht. Dabei ist der aktuelle Trend nur aufzuhalten, wenn es radikale, politische Maßnahmen gibt. Von Republikanern ist das nicht zu erwarten, aber auch Demokraten dürften moderat sein. Sonst stehen viele hundert Millionen an Wahlkampfspenden auf dem Spiel und der Verlust der Macht ist so gut wie sicher. Das macht kein Politiker mit.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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