Kommentar
06:33 Uhr, 19.01.2017

Diese politischen Börsen haben keine kurzen Beine!

Im Normalfall zeigen sich Anleger durch politisches Rauschen unbeeindruckt. Kaum ein Jahr hat das eindrucksvoll bewiesen wie 2016 (Brexit, Trump, Renzi). Es gibt jedoch Ausnahmen zu dieser Regel.

Erwähnte Instrumente

2016 hat wieder einmal gezeigt, dass es sich lohnt, wenn man als Anleger einen kühlen Kopf bewahrt und „Schockereignisse“ nutzt, um in den Markt einzusteigen. Kurz nach dem Brexit erreichten einige Indizes neue Allzeithochs. In den USA setzte sich die Rekordjagd nach Trumps Sieg fort.

Einschneidende Ereignisse, die zu einer Panikreaktion unter einigen Anlegern führen, sind eigentlich gute Trading-Gelegenheiten – eigentlich. Es gibt Ausnahmen zu dieser Regel, die von mehreren Investorenlegenden erfolgreich gelebt wird. Praktisch jedem ist Buffetts Weisheit „Sei gierig, wenn andere ängstlich sind und ängstlich, wenn andere gierig sind“ bekannt.

Angst gibt es derzeit genug, z.B. in Mexiko und der Türkei. Das zeigt sich besonders gut anhand der Währungen. Peso und Lira befinden sich im freien Fall. Die Notenbanken intervenieren, um die Währungen zu stützen, doch das hat wenig Erfolg. Die mexikanische Zentralbank sagt selbst, dass sie sich von den Interventionen keine Trendwende erwartet. Sie können die Abwertung nur verlangsamen.

Wenn Währungen innerhalb weniger Tage oder Wochen zweistellig an Wert verlieren, dann ist das für gewöhnlich das Signal schlechthin, dass Panik um sich greift. Greift Panik und Angst um sich, sind Einstiegsgelegenheiten gekommen.

Grafik 1 zeigt die Misere anhand der Währungen. Die Bewegungen der letzten Monate reihen sich gut in die Historie von Währungskrisen ein. Russlands Währung verlor an die 60 % bevor es zu einer Trendumkehr kam. Der Rubel hängt letztlich am Ölpreis und dieser hilft der Währung nun.

Der Peso und die Lira sind keine Rohstoffwährungen. Die Krise ist also eine etwas andere. Es geht um politische Unsicherheit, die die wirtschaftliche Zukunft bedrohen. Die Türkei ist in Syrien engagiert, kämpft gegen Anschläge im eigenen Land und hat einen Präsidenten, der de facto eine Diktatur einrichten will. Das ist kein Ereignis, das sich schnell wieder relativiert, sondern ein Trend, der lange anhalten kann.

Trotzdem: die Lira wertet nun schon seit 77 Monaten kontinuierlich ab. Zuletzt ging es schneller als jemals zuvor. Würde die Währung weiter abwerten, wäre es die längste Abwertungsstrecke, die ein Land vorzuweisen hätte. Auch mit über 60 % Wertverlust kratzt die Lira an einem weltweiten Rekord. Ist die Lage wirklich so schlimm?

In Mexiko dauert der Trend ebenfalls schon einige Jahre an, doch die Lage hat sich mit der Wahl Trumps zugespitzt. Seit Beginn der Abwertung hat der Peso über 40 % an Wert verloren. Selbst wenn die USA Strafzölle erheben hat die Währung das nun schon so langsam ausgeglichen.

In Mexiko geht es jedoch um mehr als nur Zölle. Ungefähr ein Drittel der Wirtschaftsleistung kommt aus dem Export in die USA. Das ganze Wirtschaftsmodell ist auf freien Handel mit den USA ausgelegt. Eine Störung dieses Freihandels wird die Wirtschaft jahrelang beschäftigen. Eine Wirtschaft richtet sich nicht mal so eben schnell neu aus.

In beiden Ländern greift Panik um sich und das ist normalerweise ein gutes Signal für einen Einstieg. Die wirklich harten Zeiten stehen den Ländern allerdings noch bevor. Anleger kümmert das selten. Sie verkaufen die Erwartung und kaufen bereits dann wieder, wenn sich die tatsächliche Lage noch weiter eintrübt. In Brasilien war das im vergangenen Jahr gut zu beobachten. Die Wirtschaft schrumpft nach wie vor, doch Währung und Aktien haben praktisch den Rebound des Jahrzehnts vollzogen.

Mexiko und die Türkei befinden sich in der schwersten Krise seit mindestens 25 Jahren. Das zeigt auch der Aktienmarkt (Grafiken 2 und 3). Die Abwertung einer Währung wird oftmals durch steigende Kurse begleitet. Das gilt auch in diesen Tagen, doch die Aktienindizes gewinnen nicht im gleichen Ausmaß wie die Währung an Wert verliert.

In Originalwährung befinden sich die Indizes nach wie vor im Aufwärtstrend. Rechnet man die Kurse jedoch in Dollar um, sieht die Lage anders aus. Die Indizes bewegen sich in der bisher längsten realen Abwärtsbewegung, die es in diesen Ländern je gab.

Die Signale sind eigentlich eindeutig. Die Kanonen donnern und es besteht vermutlich eine Kaufgelegenheit. Das genaue Timing ist allerdings schwierig. Persönlich kann ich mich nicht so recht überzeugen, eine Position einzugehen. Kaufen, wenn die Kanonen donnern, ist in der Praxis nicht leicht...

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Clemens Schmale

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1 Kommentar

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  • Bigdogg
    Bigdogg

    Herr Schmale....wie kommen sie zu der Erkenntnis, dass die türkische Währung seit 2010 (und somit 77 Monaten kontinuierlich abwertet?? Das ist völliger Quatsch und willkürlich als Start gewählt. Genau so hütten sie 2008 oder noch besser 2006 oder noch frühere Startpunkte nehmen können. Was soll das bringen??

    14:02 Uhr, 19.01.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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