Kommentar
13:49 Uhr, 25.02.2016

Die Zweifel an der Niedrigzinspolitik wachsen

Die Sorgen um die Folgen der anhaltenden Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) nehmen zu. So kommen selbst innerhalb der EZB Zweifel an der eigenen Strategie auf. Zumindest die EZB-Bankenaufsicht macht sich wegen der davon massiv tangierten Gewinnsituation der Banken in der Euro-Zone ihre Gedanken. Die geringe Profitabilität sei offensichtlich eine große Sorge für die Aktionäre der Banken, sagte die oberste Bankenaufseherin der EZB, Daniele Nouy. Längerfristig bedrohe dies den Zugang der Institute zu den Kapitalmärkten. Damit ist für Nouy klar: „Mangelnde Profitabilität beeinflusst die Stabilität der Banken.“

Klaus Stopp: „Da ein Exit immer schwerer wird, berauben sich die Notenbanken zunehmend ihrer eigenen Handlungsmöglichkeiten."

Auf der Suche nach Rendite würden die Banken nach ihrer Beobachtung inzwischen wieder mehr Risiken auf sich nehmen, was die Gefahr einer abrupten Wende berge. Auch die Bundesbank sieht insbesondere Risiken bei den Instituten, die stark auf das Kreditgeschäft angewiesen sind. Und nicht zuletzt macht sich auch die Finanzaufsicht BaFin Gedanken zum aktuellen Marktumfeld. So kommen auf die deutschen Lebensversicherer laut ihres obersten Aufsehers für die Branche deutlich höhere Sonderrückstellungen zu. 2016 werde die Zinszusatzreserve sicher nicht sinken, meinte Frank Grund, der Exekutivdirektor der BaFin-Versicherungsaufsicht, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Er rechne vielmehr mit einem „signifikanten“ Anstieg. Und nicht nur das, 2018 und 2019 käme dann noch ein „zusätzlicher Schub“ hinzu, rechnet Grund, weshalb sich die Versicherer auf eine lange Niedrigzinsphase einstellen müssten.

Um ihre Zinsversprechen aus Hochzinszeiten einlösen zu können, hatten die deutschen Lebensversicherer auf Anordnung der BaFin allein 2015 gut 10 Mrd. € zurückgestellt. Seit 2011 summiert sich diese Zinszusatzreserve damit auf 32 Mrd. €, was die Branche allmählich an ihre Grenzen bringt. „Als Medizin ist sie auch völlig richtig“, wird Grund zitiert. Sie werde aber „zunehmend anspruchsvoll“ für die Versicherer.

Mit der Politik des billigen Geldes beschäftigt sich auch der Chef der Schweizer Notenbank (SNB). So fürchtet Thomas Jordan, dass die Zentralbanken auf diese Weise ihre Handlungsfähigkeit aufs Spiel setzen. Der oberste Schweizer Währungshüter warnt vor unerwünschten Nebenwirkungen der herrschenden Geldschwemme durch die Zentralbanken. Diese könnten ihre Zinsen nicht unbegrenzt weiter senken. Daher müssten die Notenbanken das Kosten-Nutzen-Verhältnis ihrer außergewöhnlichen Maßnahmen abwägen. Die Geldpolitik müsse angepasst werden, wenn die langfristigen Kosten den kurzfristigen Nutzen übersteigen würden, sagte er in Frankfurt. Wie Jordan ist vielen Bankern sehr wohl klar, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, an dem eine massive Flucht ins Bargeld einsetzen wird.

Indessen malt auf der anderen Seite des Erdballs mit Takeshi Fujimaki ein prominenter japanischer Banker das Gespenst der Hyperinflation als Folge einer verfehlten Notenbankpolitik an die Wand. Das Land sitze auf einem Schuldenberg und der sei von der japanischen Notenbank Bank of Japan (BoJ) finanziert worden, lautet sein Vorwurf. Der Fehler der Bank of Japan hat nach Fujimakis Überzeugung darin bestanden, zuerst die Märkte mit Geld zu fluten und dann Negativzinsen zu erheben, welche die Banken für das Geld zahlen müssen, das sie von der Zentralbank erhalten haben. Seine Sorge: Im Fall einer Zinswende wird das System kollabieren. In Europa war es zwar umgekehrt, denn dort wurden zuerst die Zinsen gesenkt und dann die Märkte geflutet. Aber dennoch gilt für beide Notenbanken: Ein Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes wird immer schwerer, weil sich die beiden Notenbanken, EZB und BoJ, zunehmend selbst behindern.

Klaus Stopp, Head of Market Making Bonds der Baader Bank


Bonds aus Lissabon unter Druck
Die Berg- und Talfahrt portugiesischer Staatsanleihen hat kein Ende. Ok, die Bonds aus Lissabon notieren wieder über ihren Zwölfmonatstiefs. Sie bleiben aber auch deutlich hinter dem höheren Niveau zurück, das sie bis etwa Januar dieses Jahres erreicht hatten.

Ursache der erneuten Schwäche ist der Kurs der linksgerichteten Regierung, die eine Abkehr von den bisherigen Sparanstrengungen vorsieht. Das Budget zeige, dass ein besseres Leben in Portugal möglich sei, sagte der sozialistische Ministerpräsident Antonio Costa, während Oppositionschef Pedro Passos Coelho den gerade beschlossenen Etat ein „vergiftetes Geschenk" nannte, welches das Land anfälliger für Krisen mache. Laut Costa entspricht der Haushalt trotz Abkehr von der strikten Sparpolitik den internationalen Verpflichtungen des Landes. Den Plänen zufolge sollen Einschnitte bei Löhnen zurückgenommen und Lohnsteuern gesenkt werden. Steuern auf Benzin und Tabak sollen dagegen steigen. Die Nettoneuverschuldung soll dennoch von 4,3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in 2015 auf 2,2 % in 2016 sinken.

Dass man diesen Zielen am Kapitalmarkt nicht so recht trauen mag, zeigt die Kursentwicklung portugiesischer Bonds. Im fünfjährigen Bereich sackten die Kurse am 11. Februar auf ein neues Jahrestief ab, was am Beispiel eines bis 4/2021 laufenden Titels (A0DY6V) klar wird. Nachdem der Bond zum Jahresbeginn noch auf einem Level von über 112 % notiert hatte, war er Anfang Februar auf 103,16 % eingebrochen, um sich aktuell auf rund 107,40 % zu erholen. Damit rentiert der Titel mit rund 2,30 %. Auch eine rund zehn Jahre bis 7/2026 laufende Staatsanleihe (A18W15) hat sich nach ihrem Jahrestief bei 90,152 % vom 11. Februar wieder auf 95,53 % erholt und rentiert dabei mit ca. 3,40 %.

Solche Kursverläufe sind ein eindeutiges Indiz fehlender Zuversicht seitens der Investoren, die jeden Tag aufs Neue ihre Engagements überdenken.


Alle haben zumindest ein bisschen Angst vor dem Brexit
Wer hat Angst vor dem Brexit, also dem Austritt von Großbritannien aus der EU? Die Antwort lautet: Alle, zumindest fast alle - Gegner wie auch Befürworter, aber vor allem die Länder der restlichen EU. Immerhin ist man Premierminister David Cameron weitgehend entgegengekommen. Auch die Befürworter sehen gewisse Risiken, sind aber unterm Strich der Meinung, dass ein Austritt die beste Lösung für UK wäre. Allerdings hat sich mit Boris Johnson, dem Bürgermeister von London, ein politisches Schwergewicht als Brexit-Anhänger geoutet, was zugleich verdeutlicht, wie zerrissen Camerons Tories sind. Es ist nicht auszuschließen, dass sich noch weitere konservative Politiker offen gegen das von ihrem Premierminister ausgehandelte Paket stellen.

Am 23. Juni dieses Jahres werden die Bürger im Vereinigten Königreich nun also über den Verbleib in der EU entscheiden. Bis zu diesem Zeitpunkt wird ein offener Schlagabtausch zwischen beiden Lagern nicht nur die Stimmung in England und dem restlichen Europa, sondern auch in den USA prägen. Noch hat nur David Cameron den ersten Schritt Richtung Verbleib in der EU machen können. In seinem Fall weiß die Bevölkerung, was auf sie zukommen wird. Die Brexit-Befürworter sind dagegen die Darstellung ihrer Vision bisher schuldig geblieben. Denn ein Loslösen von der EU würde viele Veränderungen nach sich ziehen, deren Auswirkungen nicht bis ins Detail vorhersehbar sind. Aber nicht nur der Verlauf der Referendumsdebatte wird über den Ausgang der Abstimmung entscheiden, sondern auch die Höhe der Wahlbeteiligung. Aktuell wird das Brexit-Risiko auf eine Wahrscheinlichkeit von ca. 45 % geschätzt, doch dieser Wert wird bei einer hohen Wahlbeteiligung eher tiefer liegen. Somit kommt es auch darauf an, die Bevölkerung von der Abgabe ihrer Stimme zu überzeugen. Im Zweifelsfall werden davon eher die Brexit-Gegner Gebrauch machen.

Grundsätzlich ist zu dem Entgegenkommen, das Brüssel gegenüber Großbritannien gezeigt hat, zu sagen, dass es schon beschämend ist, wenn man ein Land mit finanziellen Anreizen zum Verbleib in einer Gemeinschaft bewegen muss. Sicherlich ist in der EU vieles reformbedürftig, und wenn wir ehrlich sind, dann wurde es auch mal Zeit, dass sich jemand der Probleme angenommen hat. Nur sollten diese Zugeständnisse von allen Mitgliedern aufgegriffen werden und nicht nur einem Land zum Vorteil gereichen. Sollte das nicht eintreten, dann wäre ein neues Ungleichgewicht erzeugt, das wiederum nur mit Hilfe eines historisch vorbelasteten Partners zu stemmen wäre. Die anderen europäischen Wirtschaftsgroßmächte haben genug mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen.

Ein deutlicher Beweis hierzu wurde in der vergangenen Woche von Standard & Poor’s mit dem Beibehalten des negativen Ausblicks für den Rettungsfonds EFSM erbracht. Hierbei dienten die wirtschaftlichen Probleme Frankreichs, dem zweitgrößten Garantiegeber des Europäischen Finanzstabilitätsmechanismus (EFSM), als Begründung.

Das System krankt anscheinend an allen Ecken und Kanten und ist in der jetzigen Form nicht dauerhaft überlebensfähig. Infolge eines möglichen Brexit würden in einer ersten Reaktion sicherlich die restlichen EU-Staaten zusammenrücken und die Nähe zu Deutschland suchen. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass lediglich monetäre Gründe dafür verantwortlich wären. Sollten aber insbesondere die in der Flüchtlingskrise zutage getretenen Differenzen die Szenerie beherrschen, dann würde sich der Brexit als Beginn des Auseinanderbrechens der EU erweisen. Doch Angst war schon immer ein schlechter Ratgeber, und das sollten auch die europäischen Politiker endlich verinnerlicht haben. Wenn schlussendlich der „Liebesbeweis“ eines Partners mittels finanzieller Unterstützung erkauft werden soll, dann sollte man sich daran erinnern, dass dieses Modell in jeder menschlichen Beziehung früher oder später zum Scheitern verurteilt ist.

Saudis schicken Ölpreis auf Talfahrt
Saudi-Arabien hat den Ölpreis auf Talfahrt geschickt. Nachdem Ölminister Ali Al-Naimi einen baldigen Rückgang der Fördermengen ausgeschlossen hatte, waren die Kurse eingebrochen. Noch vor einer Woche hatten sich die Förderländer Russland, Saudi-Arabien, Venezuela und Katar darauf verständigt, die Produktion auf dem Niveau vom Januar einzufrieren.

Al-Naimi geht nach eigenen Worten zwar davon aus, dass sich weitere Staaten dem Vorhaben anschließen werden. Aber sein Land, Saudi-Arabien, setze nicht auf Kürzungen, weil das Vertrauen fehle. Nach seinen Äußerungen fiel der Preis für die Sorte Brent um mehr als 4 % und drückte auf die Aktienmärkte.

Offenbar ist im Ringen um den Absatz von Erdöl jeder sich selbst der Nächste, worauf auch Äußerungen aus dem Iran hindeuten. Das wichtige Öl-Förderland will sich ebenfalls nicht an einer Begrenzung der Fördermenge beteiligen. Irans Ölminister Bijan Namdar Zangeneh titulierte das Einfrieren der Fördermenge als eine „unrealistische Forderung“.

Und so belauern sich die Förderstaaten gegenseitig, weil angesichts des Preisverfalls für Erdöl jeder eigentlich noch mehr als bisher würde fördern wollen. Doch bereits heute werden zwischen einer und zwei Millionen Barrel pro Tag mehr produziert als verbraucht. Zumindest teilweise dürften die Ölproduzenten die Malaise sich selbst zuzuschreiben haben, weil sie durch höhere Fördermengen mit der Fracking-Industrie einen unliebsamen Konkurrenten aus dem Markt drängen wollten. Der Ölpreisverfall könnte die Budgets der Förderstaaten nun so stark unter Druck setzen, dass sie weniger Güter von den Industrieländern nachfragen und so auch zu einer weltweiten Konjunkturabkühlung beitragen würden. Aus diesem Grund bleiben die Börsen derzeit im Banne der Ölpreisentwicklung.

Indessen bringen die niedrigen Ölpreise auch Banken in Bedrängnis. So gilt die Rückzahlung eines Teils der an Ölfirmen vergebenen Kredite als unwahrscheinlich, weshalb die US-Großbank JP Morgan ihre Risikoreserven deutlich aufgestockt hat. 500 Mio. USD will das Institut im 1. Quartal 2016 zusätzlich zurücklegen. JP Morgan hatte bereits Ende 2015 für faule Kredite in der Öl- und Gasbranche 815 Mio. USD zurückgelegt. Wie groß das Risiko der Branche ist, macht eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte klar, der zufolge annähernd fast einem Drittel der Ölfirmen in den USA die Insolvenz droht.


GBP und die Brexit-Diskussion
Spätestens seit vergangenem Sonntag dreht sich bei den Devisenhändlern sehr viel um das neue Dauerthema „Brexit“. Der Ausgang des Referendums steht zwar noch aus, aber die englischen CL-Mannschaften scheinen schon den Ernstfall, das diesjährige Ausscheiden aus der europäischen Fußball-Elite zu proben. Zumindest für ein Team wird das Weiterkommen nur in Verbindung mit einem Kraftakt möglich sein.

Somit stand „Brexit-bedingt“ in dieser Handelswoche erwartungsgemäß ein Währungspaar besonders im Fokus der Devisenhändler. Gegenüber dem US-Dollar verlor das britische Pfund dramatisch an Wert und markierte mit 1,3876 USD ein 7-Jahres-Tief. Ähnlich entwickelte sich das Pfund Sterling gegenüber der europäischen Gemeinschaftswährung und notiert aktuell mit 0,7924 GBP so schwach wie seit über 13 Monaten nicht mehr.

Doch Privatanleger richteten ihre Blicke nicht nur nach England, sondern haben auch weiterhin den US-Dollar im Visier. Infolge der europäischen „Chaostage“ und die Zuspitzung diverser politischer Entscheidungen erstarkte der Greenback und handelt gegenüber dem Euro aktuell bei 1,1030 USD.

Weitere Handelsaktivitäten konnten darüber hinaus insbesondere in Fremdwährungsanleihen auf australischen Dollar, brasilianische Real und russische Rubel registriert werden.


2 Kommentare

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  • bembes
    bembes

    Dsie EZB-Strategie von Super-Mario ist gescheitert. Was wollen die angeblichen Experten noch tun, wenn die Konjunktur wirklich einbricht ??

    Aber wir schaffen das....ähnlich wie IM Erika "Merkel" !!!!!

    10:52 Uhr, 26.02. 2016