Kommentar
07:26 Uhr, 25.01.2016

Die Zinswende ist da, auch in Europa

In Europa steigen die Zinsen – wer hätte das gedacht? Die EZB hält ihre Geldschleusen weit offen und deutet an sie im März noch weiter zu öffnen. Trotzdem steigen die Zinsen

Vor einem Jahr noch galt es als unmöglich: steigende Zinsen. Bis April 2015 fielen Zinsen auf immer tiefere Niveaus. Viele Staatsanleihen waren nur noch mit negativen Renditen zu haben. Deutsche Anleihen waren besonders gefragt. Die Rendite 10-jähriger Anleihen schaffte es fast ins Minus, beendete den Abwärtstrend aber kurz vor diesem Ziel bei 0,075 %.

Obwohl die die 10-jährigen Bundesanleihen nicht in den negativen Bereich schafften waren Anleihen mit Laufzeiten bis 9 Jahre in diesem Bereich. Der Staat konnte sich also für 0 % Zinsen für eine Dauer von 9 Jahren leihen. Für kürzer laufende Papiere bekam der Staat Geld.

Ein solche Situation ist vollkommen abwegig und zeigt die große Verzweiflung der Anleger und Investoren. Viele Marktteilnehmer sitzen auf enormen Liquiditätspolstern, die sie unterbringen müssen. Aus purer Not wird dem Staat in solchen Fällen halt Geld gezahlt, anstatt dass man etwas dafür bekommt.

Die Zeiten negativer Rendite sind noch nicht vorbei, doch das Zinstief scheint gefunden zu sein. Grafik 1 zeigt die Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen. Die Grafik zeigt die gleiche Zeitreihe in zwei Varianten. Die orangene Kurve zeigt die gleiche Zeitreihe wie die blaue Kurve, allerdings in logarithmischer Darstellung. So wird die Dramatik des Renditeverfalls seit Anfang 2014 erst so richtig deutlich.

Anfang 2014 lag die Umlaufrendite – die Rendite aller sich im Umlauf befindenden Staatsanleihen – noch bei 1,5 %. Innerhalb kurzer Zeit sank sie auf 0,05 %. Betrachtet man den Chart, dann war das, was da geschah, ein regelrechter Crash. Es griff im Prinzip blanke Panik um sich. Staatsanleihen wurden panikartig gekauft, ganz so, als ob es sie bald nicht mehr geben würde.

Angesichts einer absoluten Rekordverschuldung in Europa muss man sich keine Sorgen machen, dass es demnächst keine Anleihen mehr zu kaufen gibt. Viele Staaten machen trotz Sparbemühungen noch immer hohe Schulden. Die Anleihenemissionen laufen auf Hochtouren. Da die EZB insgesamt mehr Anleihen kauft als neu emittiert werden, verknappt sich das Angebot trotzdem. Das hat zu der Kaufpanik geführt.

Die Panik hat sich inzwischen als unbegründet herausgestellt. Investoren haben ihre Vernunft wiedergefunden. Noch immer sind die Renditen verboten niedrig, doch immerhin sind sie wieder etwas gestiegen. Negative Renditen gibt es nach wie vor für deutsche Anleihen mit einer Laufzeit bis 7 Jahre.

Grafik 2 zeigt die Zinskurve zum Zeitpunkt des Zinstiefs im April 2015 und die aktuelle Zinskurve. Der Unterschied ist deutlich zu erkennen. Vor einem Jahr konnte sich der Staat für eine Rendite von weniger als 0,5 % für 30 Jahre lang Geld leihen. Heute muss er dafür knapp 1,3 % zahlen. Das ist immer noch wenig, allerdings nicht mehr ganz so absurd und unvernünftig niedrig wie im vergangenen April.

Die Zinskurve ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich steiler geworden. Grundsätzlich ist das ein positives Signal, auch für Banken. Banken vergeben für gewöhnlich Kredite mit längeren Laufzeiten und refinanzieren sich kurzfristig. Die Refinanzierung ist de facto kostenfrei. Einnehmen können Banken zwischen 1,5 und 2,5 %. Die Zinsmarge hat sich für die Banken verbessert. Höhere Zinsmargen sollten Banken helfen wieder etwas mehr Gewinn zu schreiben und so auch ihre Kapitalausstattung zu verbessern.

Die Vorteile der steilen Zinskurve drohen aktuell wieder zu verschwinden. Anleger flüchten derzeit aus dem Aktienmarkt und gehen in sichere Staatsanleihen. Das senkt die Rendite und flacht die Zinskurve ab. Die Entwicklung sollte man im Auge behalten. Flacht die Kurve zu weit ab, dann droht der Eurozone Ungemach. Solange die US Notenbank allerdings an ihrer Zinswende festhält, ist davon nicht auszugehen. Die letzten Monate haben gezeigt: selbst wenn die EZB ihre Geldpolitik weiter lockert, die Fed aber in eine andere Richtung marschiert, dann folgt der globale Markt tendenziell der Fed. Auch die gestrige Ankündigung der EZB hat bisher nur zu einem kleinen Rücksetzer der Renditen geführt.

In Europa sind die Zinsen am kurzen Ende der Zinskurve weiter gefallen. Das lange Ende hat sich auf Jahressicht deutlich nach oben verschoben. Ob man es wahrhaben will oder nicht, die Zinsen in der Eurozone sind dabei einen Boden zu bilden und bewegen sich tendenziell nach oben.

Eröffne jetzt Dein kostenloses Depot bei justTRADE und profitiere von vielen Vorteilen:

  • 25 € Startguthaben bei Depot-Eröffnung
  • ab 0 € Orderprovision für die Derivate-Emittenten (zzgl. Handelsplatzspread)
  • 4 € pro Trade im Schnitt sparen mit der Auswahl an 3 Börsen & dank Quote-Request-Order

Nur für kurze Zeit: Erhalte 3 Monate stock3 Plus oder stock3 Tech gratis on top!

Jetzt Depot eröffnen!

7 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Ich habe mal eine Frage und bitte möglichst um eine fachkundige Antwort.

    Was ich bisher nicht verstanden habe, ist, dass der BuFu im Zinstief von ca. 0% für die Zenhjährigen Mitte 2015 bei ca. 160 stand.

    Dort steht der BuFu jetzt auch wieder. Allerdings sind die entsprechenden Zinsen "nur" bei ca. 0,4%.

    Kann mir das jemand erklären? Warum entspricht einen bestimmten BuFu-Stand nicht ein genauer Zinssatz bzw. warum ist dieser Indexstand noch von der Zeit als determinierender Größe abhängig.

    Wahrscheinlich hat es damit zu tun, dass es ein adjustierter Endloskontrakt ist und man die Kontrakte ja alle 3 Monate rollen muss.

    Aber kann man das irgendwie berechnen? Und was sind die determinierenden Parameter, die dieser Zeitverlust des BuFu gegen die Zinsen bestimmen? Das ist ja ähnlich, wie der Zeitwert bei Optionsscheinen. Aber trotzdem verstehe ich das nicht genau.

    Hoffe auf mehr Verständnis ...

    14:07 Uhr, 25.01. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Morningstar
    Morningstar

    ??? Schon mal die Charts für Bund und Bobl Future angeschaut...Also ich weiss nicht, wo man hier steigende Zinsen sehen kann. Das einzige was steigt sind Anleihekurse, und zwar in ganz Europa und mittlerweile auch wieder in den USA. Die Zinskurve aus dem April 15 zu nehmen ist ausserdem ein schlechtes Beispiel, da zu diesem Zeitpunkt Ausnahmezustand herrschte und somit nicht als signifikanter und aussagekräftiger Marktzustand gelten kann...Und da die EZB nochmals angedeutet hat im März evtl. zu handeln, wird bis dahin eher ein erneutes Abflachen der Zinskurve stattfinden, insbesondere im Hinblick auf die weiter schwächelnde Weltkonjunktur.

    12:26 Uhr, 25.01. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • lamon61
    lamon61

    Erstellen Sie die Zinskurve selber oder findet man diese im Netz?

    13:57 Uhr, 23.01. 2016
  • bembes
    bembes

    Zu Ihrem Bericht fehlt mir der Glaube.........Draghi wird es schon richten und Geld in die Märkte pumpen, damit die Zinsen wieder sinken und die Südstaaten nicht untergehen !!

    22:01 Uhr, 22.01. 2016

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten