Kommentar
06:39 Uhr, 26.01.2016

Die Woche der Zentralbanken! Rally oder neuer Einbruch?

Die EZB bewahrte den Markt in der vergangenen Woche vermutlich vor dem Total- Absturz, indem sie weitere geldpolitische Lockerungen in Aussicht stellte. Die Bärenmarktrally könnte am Mittwoch wieder erstickt werden, zumal sie zu Wochenbeginn an Fahrt verliert. Dann verkündet die US-Notenbank ihren Zinsentscheid.

  • Die US-Fed wird wahrscheinlich vorerst keine weiteren Zinsschritte verkünden.
  • Die Märkte sind fragil und dürften auf kleinste Andeutungen des Fed-Statements empfindlich reagieren.
  • Die Bank of Japan kommt immer stärker unter Druck, weil Inflation und vor allem Inflationserwartungen fallen.
  • Die BoJ ist in Gefahr, die "Erfolge" des gesamten QE-Programms zu verspielen.Sie könnte daher das ohnehin schon massive programm nochmals ausweiten.
  • Wenn Fed und BoJ den Märkten nicht auf die Sprünge helfen, kann dies immer noch die EZB am 10.März.
  • Es ist paradox: Erholen sich die Märkte, Rohstoffpreise und vor allem Öl bis dahin deutlich, wird Draghi es argumentativ schwerer haben zu liefern.Dabei waren es vermutlich gerade seine Worte, die die Wende brachten.

Die US-Notenbank wird versuchen, den Markt nicht zu überraschen. Mit einer Veränderung des Zinsniveaus ist daher nicht zu rechnen. Nach der Zinsanhebung im Dezember wird sie aller Voraussicht nach im Januar pausieren. Sie wird den Markt also nicht durch eine weitere Zinsanhebung in die Knie zwingen. Sie kann den Markt dennoch verunsichern.

Am Mittwochabend, wenn der Zinsentscheid veröffentlicht wird, gibt es keine Pressekonferenz der Notenbankpräsidentin Janet Yellen, in der die Entscheidung und die Einschätzung zur Lage der Wirtschaft erklärt werden könnten. Dem Markt bleibt lediglich die Interpretation des kurzen Statements. Die Notenbank wird also sehr genau auf ihre Worte achten müssen, denn Anleger werden wie Spürhunde nach Hinweisen auf den Zustand der Wirtschaft suchen.

Der Notenbank kann der Spagat eigentlich kaum gelingen. Einerseits darf sie nicht zu vorsichtig klingen und ein längeres Pausieren der Zinsanhebungen ankündigen, andererseits würde eine zu bullische Einschätzung zur Wirtschaft die Marktteilnehmer überraschen. Ersteres kann die Notenbank nicht tun, weil Marktteilnehmer den Eindruck gewinnen würden, dass es der Wirtschaft tatsächlich nicht so gut geht und sie sich auf dem Weg in den Abschwung befindet. Anleger würden verkaufen.

Ist die Notenbank hingegen sehr optimistisch, was die konjunkturelle Entwicklung anbelangt, dann unterstreicht sie damit ihr Vorhaben, die Leitzinsen auf mindestens 1 % bis Ende 2016 anzuheben. Der Markt erwartet aktuell nur noch eine weitere Anhebung in diesem Jahr. Lässt sich diese Erwartungsdivergenz zwischen Notenbank und Markt nicht schonend auflösen, dann wird der Markt schnell nervös, weil er sich verkalkuliert hat. Es würde ebenso zu Verkäufen kommen.

Ob es der Notenbank gelingt, die Gratwanderung erfolgreich zu meistern, müssen wir abwarten. Es wird in jedem Fall schwierig und möglicherweise interpretieren die Marktteilnehmer ohnehin einfach das in das Statement, was sie gerade für richtig halten. So oder so, das Statement hat das Potenzial, für eine Fortsetzung des Selloffs zu sorgen. Retten kann dann nur noch die japanische Notenbank einen Tag später.

Der Druck auf die japanische Notenbank ist zuletzt wieder deutlich gewachsen. Die Inflation liegt bei 0 %. Grafik 1 zeigt die Inflationsentwicklung seit 1978. Getrieben wird die niedrige Inflation vor allem durch die fallenden Energiepreise. Diese sind in Japan auf Jahressicht um über 10 % gesunken. Rechnet man Nahrungsmittel und Energiepreise aus der Inflation heraus, dann steht diese bei 1,2 %. Das ist für japanische Verhältnisse ziemlich hoch. Zuletzt wurde dieser Wert kurz vor Beginn der Finanzkrise gemessen.

Die Inflation ist das eine, das Wirtschaftswachstum das andere. Die Industrieproduktion (Grafik 1) ist wieder an das untere Ende der Spanne seit 2009 gefallen. Das gibt zu denken. Japan schafft es trotz einer schwachen Währung nicht, die Produktion nachhaltig zu steigern. Das wiederum zeigt sich im Wirtschaftswachstum. Nach einer Rezession im Jahr 2014 befand sich die Wirtschaft auch 2015 fast wieder in einer Rezession. Das Wachstum war im zweiten Quartal negativ. Auch im dritten Quartal schien die Wirtschaft zu schrumpfen. Die Zahlen wurden später von einem negativen auf einen leicht positiven Wert nach oben korrigiert.

Die Aussichten für das vierte Quartal 2015 und das erste Quartal 2016 sind nicht gerade rosig. Das Weltwirtschaftswachstum dürfte sich Ende 2015 merklich abgekühlt haben. Anfang 2016 scheint sich die Lage wieder zu entspannen, doch der stärker werdende Yen macht der Notenbank wohl einen Strich durch die Rechnung. Der Yen hat vor allem zu Jahresbeginn deutlich an Wert gewonnen.

Ein starker Yen ist das Letzte, was die Wirtschaft braucht. Je stärker der Yen ist, desto schwieriger wird es, das Inflationsziel zu erreichen. Es ist jedoch nicht nur das Inflationsziel, welches auf der Kippe steht, sondern die ganze Idee der geldpolitischen Lockerung. Der schwache Yen sollte den Unternehmen zu mehr Gewinnen verhelfen. Das ist bisher gelungen.

Der Idee der Notenbank nach sollten Unternehmen die höheren Gewinne nutzen, um zu investieren und um die Löhne zu steigern. Die Investitionen sind noch immer auf niedrigem Niveau. Dafür konnten die Löhne etwas steigen. Sinken die Unternehmensgewinne nun wieder, weil der Yen stärker wird, dann haben Unternehmen überhaupt keinen Anreiz mehr zu investieren und höhere Löhne zu zahlen. Die geldpolitische Lockerung hätte eines ihrer Hauptziele verfehlt. Die letzten 3 Jahre wären umsonst gewesen.

Der Druck auf die Notenbank ist gewaltig. Notenbankpräsident Kuroda gibt sich dennoch gelassen. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos sieht er weder durch China noch durch die Währung einen negativen Einfluss auf die japanische Wirtschaft. Gleichzeitig gibt Kuroda zu, dass er generell Optimist ist und entschärft so gleich einmal seine eigene Zuversicht.

Trotz aller Bemühungen hat die japanische Notenbank ihre Ziele noch nicht erreicht. Oberflächlich wirkt es wenigstens so, dass sich die Lage nicht verschlechtert hat. Unter der Oberfläche sieht das anders aus. Hier haben sich vor allem die Erwartungen massiv eingetrübt. Grafik 2 zeigt die Inflationserwartung der Marktteilnehmer, die sich aus der Renditedifferenz von Staatsanleihen und inflationsgebundenen Staatsanleihen ergibt. Die Erwartung ist negativ. Seit Ende 2014 bewegen sich die Erwartungen wieder im negativen Bereich. Das ist ein Gegensatz zu den Erwartungen von Verbrauchern und Unternehmen. Diese sind noch positiv, haben sich allerdings über die vergangenen Monate von 1,5 % auf 0,5 % abgeschwächt.

Kuroda versucht mit der Geldpolitik unter anderem die „deflationäre Geisteshaltung“ der Japaner zu verändern. Nachdem die Inflationserwartungen nun wieder dramatisch einbrechen, muss die Notenbank wohl gegensteuern. Tut sie es nicht, dann waren die vergangenen Jahre umsonst. Der Markt könnte auch den Eindruck gewinnen, dass die Notenbank nun aufgegeben hat. Dieser Eindruck darf nicht entstehen, denn dann bricht das Kartenhaus zusammen.

Der Notenbank sind natürlich bis zu einem gewissen Grad die Hände gebunden. Sie hat bereits ein Drittel aller Staatsanleihen aufgekauft. Kuroda sagte auf dem Weltwirtschaftsforum dazu lapidar: es gibt also noch zwei Drittel, die wir kaufen können. So einfach ist die Sache natürlich nicht, denn Banken und Versicherungen werden nicht 100 % ihrer Anleihen verkaufen. Die Notenbank kauft zudem in einem Tempo Anleihen, bei dem ihr die Möglichkeit der QE-Erweiterung ganz automatisch ausgeht. Die Anleihen werden ihr früher oder später ausgehen. Beobachter halten es dennoch für möglich, dass das Kaufprogramm um 20 Billionen Yen (170 Mrd. USD) pro Jahr ausgeweitet werden kann. Das Programm würde dann von 670 Mrd. auf 840 Mrd. pro Jahr ausgeweitet werden.

Kuroda gibt sich gelassen. Er philosophiert auch über andere Assetklassen, die die Notenbank kaufen könnte. Gehen die Anleihen aus, dann werden eben mehr Unternehmensanleihen und Aktien gekauft. Trotz dieser Möglichkeiten ist unklar, ob die Notenbank in dieser Woche handeln wird. Kuroda mag Überraschungen. Eine deutliche Erweiterung des QE-Programms wäre eine Überraschung.

Die japanische Zentralbank kann die Korrektur an den Weltmärkten am Donnerstag endgültig begraben. Gelingt ihr das nicht, dann kommt es im März auf die EZB an. Bleiben die Märkte turbulent, dann wird die EZB handeln und die Korrektur dürfte beendet sein. In Erwartung dessen könnte sich die Lage auch früher beruhigen, doch dann hat die EZB kein Argument mehr für eine Ausdehnung ihres QE-Programms. Das ist ein Paradoxon. Die japanische Notenbank könnte das am Donnerstag gleich lösen.

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5 Kommentare

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  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Bill Bonner, ein selbständig denkender Landsmann von FED Chair Yellen, glaubt nicht an die Mythen der FED.

    http://www.rottmeyer.de/ueber-das-nahe-ende-der-bl...

    22:41 Uhr, 26.01. 2016
  • FJHaydn
    FJHaydn

    Notenbanken, Notenbanken, Notenbanken. Das ist heutzutage der Wirtschaftsteil. Die Märkte reagieren auf Zinsentscheide, QE-Ankündigungen, Rettungsschirme, und allerlei BlaBla. Die Realwirtschaft ist anscheindend dabei, in Vergessenheit zu geraten.

    Das zeigt, dass die "Finanzwirtschaft" komplett aus dem Ruder gelaufen ist. In Zeiten immer engerer Budgets und Kosteneinsparungen in den Betrieben und Ausbildungsinstituten und Austerität für die Bevölkerungen "drucken" wahnsinnig gewordene Banker Geld in der Größenordnung von Billionen Euro - pro Jahr.

    Das kann nicht funktionieren. Wenn man bedenkt, dass dieser gefährliche Schwachsinn weltweit maßgeblich von wenigen Hundert Leuten angerichtet wird und der Rest tatenlos zusieht, kommt man schon ins Grübeln.

    09:51 Uhr, 26.01. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Austrochris
    Austrochris

    In diese Sackgasse hat sich die Fed selbst hineinmanövriert . So ein Spagat kann nicht gelingen .

    Die Fed muss bald entscheiden was sie wirklich vor hat . Lügt sie sich selbst an mit der robusten US Wirtschaft ( laut ihrer eigenen Einschätzung - wo auch immer diese her ist ) oder

    schaut sie den Tatsachen ins Auge und legt jegliche Zinserhoehungen auf Eis, da in Wirklichkeit die US Wirtschaft sehr schwächelt und der starke US Dollar GIft für die Bric Staaten ist und einige kurz vor dem Zusammenbrechen sind , was wiederum extrem negativ für die Weltwirtschaft ist .

    09:08 Uhr, 26.01. 2016
  • While E. Coyote
    While E. Coyote

    Die Halbwertszeiten der Freude an den Finanzmärkten scheint seit geraumer Zeit rückläufig zu sein

    07:12 Uhr, 26.01. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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