Kommentar
10:16 Uhr, 19.09.2016

Die Woche der Notenbanken

Diese Woche wird eine ganz zentrale Woche für die Welt. Die Bank of Japan und die US-Notenbank könnten eine große Zeitenwende einleiten.

Schon lange war das Warten auf eine Notenbankentscheidung nicht mehr so spannend wie dieses Mal. Zur Abwechslung geht es nicht mehr um die Frage, wie viel mehr gelockert wird, sondern darum, wie stark die Zügel angezogen werden.

Die japanische Notenbank ist immer für eine Überraschung gut, doch inzwischen kann sie fast nicht mehr durch eine noch lockere Politik überraschen. Die Grenzen der Lockerung sind erreicht. Aus rein technischen Gründen (bestimmte Anleihen werden knapp) muss sie sogar bald ihr QE Programm umgestalten. Kommende Woche kann es schon soweit sein.

Die Umgestaltung ist durch technische Gründe veranlasst, dient aber auch dazu, den durch QE angerichteten Schaden zu begrenzen. Die ultraniedrigen Zinsen am langen Ende der Zinskurve bringt die ganze Finanzindustrie in Bedrängnis. Ganz besonders im Vordergrund stehen Versicherungen und Pensionsfonds. Sie brauchen höhere Zinsen, vor allem bei langlaufenden Anleihen.

Aus der Not heraus dürfte die BoJ wieder weniger Anleihen mit langer Laufzeit und mehr Anleihen mit kurzer Laufzeit kaufen. So können die Zinsen am langen Ende wieder steigen und Druck aus dem System nehmen. Die Zinskurve wird so auch wieder steiler. Auch dieser Umstand ist wichtig. Können sich Unternehmen auf ewig niedrige Zinsen verlassen, dann gibt es kaum einen Anreiz heute zu investieren, wenn ich es in 10 Jahren zu immer noch niedrigen oder sogar noch niedrigeren Zinsen tun kann.

Bei der US-Notenbank geht es nach wie vor um die große Frage, ob der nächste Zinsschritt kommt oder nicht. Inzwischen scheint eine Mehrheit der entscheidenden Notenbanker eine Zinserhöhung zu befürworten. Zuletzt fiel die Taube Eric Rosengren um. Er hatte lange Zeit niedrige Zinsen unterstützt, will nun aber eine Zinserhöhung.

Die Überzahl der pro-Zinsanhebung ausgerichteten Notenbanker führt nicht automatisch zu einem Zinsschritt in der kommenden Woche. Viele wollen eine Erhöhung, sind aber zwischen September und Dezember recht indifferent. Persönlich kann ich mir daher nach wie vor gut vorstellen, dass im September nichts geschehen wird.

Der Markt ist sich dessen ganz und gar nicht sicher. Der Dollar gewann am Freitag gegenüber den meisten Währungen so stark wie lange nicht. Der Grund: die Inflation steigt in den USA wieder an. Nachdem die Fed eines ihrer Mandate (Vollbeschäftigung) praktisch erreicht hat, fehlt noch das Erreichen des Inflationsziels von 2 %. Zieht die Inflation an, dann gibt das Grund genug, an einen Zinsanstieg zu glauben.

Besonders schön verdeutlicht der Vergleich unterschiedlicher Inflationsraten diesen Umstand. Die Grafik zeigt die Inflationsrate, wie sie berichtet und medial beachtet wird. Diese Rate liegt nun bei 1,1 %. So ziemlich jede andere Inflationsrate liegt deutlich darüber. Die "Senioreninflation" ist ein experimenteller Preisindex, der die Inflation für über 62-jährige misst. Die "klebrige" Inflation misst die Preise von Gütern, deren Preise generell nicht stark und häufig schwanken. Dazu gehören z.B. Versorgungsgüter wie Wasser. Fürs Wohnen und für "klebrige" Güter liegt die Inflation schon näher bei 3 % als bei 2 %. Auch Senioren müssen mit einer Teuerungsrate von 1,5 % kämpfen.

Eigentlich zeigen fast alle Preisindizes einen klaren Trend an. Die vielbeachtete Rate, die aktuell bei 1,1 % steht, ist so ziemlich die einzige, die nicht knapp unterhalb bzw. oberhalb von 2 % liegt. Der Grund ist der große Effekt der Treibstoffpreise und der Nahrungsmittel. Hier werden die Preise früher oder später wieder steigen oder sich stabilisieren. Teuerungsraten von deutlich über 2 % sind dann schnell erreicht.

Die am Freitag veröffentlichten Inflationsdaten verwirren den Markt. Sie deuten eigentlich eine Zinserhöhung an. So wirklich rechnete damit niemand. Auch kurz vor der Stillhalteperiode war Lael Brainard sehr "locker" unterwegs. Sie hat sich so deutlich gegen einen Zinsschritt ausgesprochen, dass alles andere als ein stabiler Zins ausgeschlossen schien. Wir dürfen sehr gespannt sein. Der Markt muss das erst einmal verdauen. Im Vergleich zum Dollar, der durch die Decke geht, halten sich Aktien ungewöhnlich gut.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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