Kommentar
09:14 Uhr, 26.09.2018

Die Union lernt, was Demokratie bedeutet

Die Abwahl von Unionsfraktionschef Volker Kauder ist ein Paukenschlag. In einer Demokratie sollte es aber ein völlig alltäglicher Vorgang sein, dass bei einer innerparteilichen Wahl mehr als ein Kandidat antritt und nicht immer der gewinnt, der Unterstützung der Parteiführung genießt.

Die Medien sind schockiert: Die Fraktion von CDU und CSU im Bundestag hat den langjährigen Fraktionschef Volker Kauder abgewählt und überraschend den bisherigen Kauder-Stellvertreter Ralph Brinkhaus zum neuen Fraktionschef gewählt. Die Abwahl des Merkel-Vertrauten Kauder wird vor allem als indirekte Kritik an der Bundeskanzlerin gewertet.

In der Tat dürfte die Frustration nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch im Bundestag groß sein: Statt sich mit den Problemen des Landes zu beschäftigen, diskutiert die Regierung wochenlang Personalfragen im Zusammenhang mit dem ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen und übt sich in Selbstzerfleischung. Gut möglich, dass die Abwahl Kauders also auch deshalb zustande kam, weil die Unzufriedenheit mit dem Regierungsstil der Kanzlerin groß ist.

In einer Demokratie sollte es aber eigentlich ein alltäglicher Vorgang sein, dass bei Wahlen mehr als ein Kandidat antritt und dass nicht immer der Kandidat gewinnt, der die Unterstützung der Parteiführung respektive Regierung genießt. Die Realität sieht aber anders aus: Tatsächlich hat es bei der Wahl des Fraktionsvorsitzenden der Union offenbar noch nie einen Gegenkandidaten gegeben. Das ist einer Demokratie absolut unwürdig und erinnert eher an DDR-Verhältnisse als an das, was die Väter des Grundgesetzes eigentlich wollten.

Die Väter des Grundgesetzes plädierten für eine echte Gewaltenteilung zwischen Exekutive (Regierung), Legislative (Parlament) und Judikative (Gerichte). Für die Gesetzgebung sollten eigentlich Bundestag und Bundesrat zuständig sein und nicht die Regierung. Das Parlament sollte das gesetzgebende und die Regierung das ausführende Organ sein. Die Realität in der Bundesrepublik sieht aber anders aus: Häufig nickt der Bundestag einfach das ab, was die Regierung zuvor beschlossen hat. Nach dem Grundgesetz sind die Abgeordneten aber allein ihrem Gewissen und eben nicht der Partei- bzw. Regierungslinie unterworfen.

Unter Bundeskanzlerin Merkel und Fraktionschef Kauder war die Abhängigkeit der Bundestagsfraktion von der Parteiführung bzw. der Regierung besonders hoch. Viele Richtungsentscheidungen wurden nicht etwa im Parlament diskutiert, sondern von der Bundeskanzlerin in einer Nacht-und-Nebel-Aktion beschlossen und dann vom Bundestag nur noch abgenickt, ganz egal ob es um den Atomausstieg oder die Grenzöffnung für Migranten ging. Es bleibt zu hoffen, dass die Unionsfraktion nach der Abwahl Kauders insgesamt mehr Selbstvertrauen entwickelt und sich nicht länger als Erfüllungsorgan der Regierung betrachtet. Das würde der Demokratie in der Bundesrepublik insgesamt gut tun.


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22 Kommentare

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  • Max_Berlin
    Max_Berlin

    Euro = Eure ups

    23:06 Uhr, 26.09.2018
  • Max_Berlin
    Max_Berlin

    Sind wir nicht alle "RECHT'S" wenn wir nicht der SOZIALISTISCHEN EU dienen??

    Wie könnt ihr nur anders denken, ihre "Rassisten" "Nazies" bezahlt das EU Debakle und haltet Euro Klappe!!!!!!!!!

    23:05 Uhr, 26.09.2018
  • Max_Berlin
    Max_Berlin

    "Angela Merkel will zur Absicherung ihrer Macht keine Vertrauensfrage im Bundestag stellen."

    Wenn Bonzen ihre Macht nicht aufgeben möchten, alias Generalsekretär Erich Honecker

    23:02 Uhr, 26.09.2018
    1 Antwort anzeigen
  • amateur
    amateur

    Merkel ist Kohl´s Mädchen. Einfach 20 Jahre zurück gehen, dann wissen wir, was passiert. Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich...

    20:37 Uhr, 26.09.2018
  • hotte38
    hotte38

    so richtig weiss wohl kaum einer von denen, die sich hier negativ über die AfD ausdrücken, was mit dieser Partei los ist . Es werden immer nur bla bla Parolen wiederholt. Schaut Euch mal bei Phönix Bundestagsdebatten an. Da werdet Ihr feststellen, dass von der AfD sehr gute und intelligente Beiträge geliefert werden, während die anderen Parteien sich im Pöbeln gefallen..Wenn Merkel aus der BRD eine DDR gestaltet, wenn Sie unglaubliche und milliarden teure einsame Entscheidungen trifft, dann seid Ihr glücklich, oder?🙈🙉🙊😎

    17:21 Uhr, 26.09.2018
    1 Antwort anzeigen
  • Market Impact
    Market Impact

    Soweit ich weiß ist Frau Merkel bei Onkel Helmut in die Schule gegangen Hauptfach aussitzen 1. Und von Leuten die in der DDR studieren durften kann man sowieso nur Feigheit erwarten.

    15:16 Uhr, 26.09.2018
  • anders
    anders

    Chronologisches Versagen aufgeführt

    https://www.theeuropean.de/kla...

    12:56 Uhr, 26.09.2018
    1 Antwort anzeigen
  • new-agens
    new-agens

    "Die Medien sind schockiert." Applaus, Applaus, Herr Baron. Subtil auf den Punkt gebracht :-) Im Normalfall wäre jetzt ein Rücktritt fällig, habe aber selten jemanden gesehen, der sich derart an die Macht klammert. Ganz schön armselig, naja, kleine Lichter eben. Misstrauensvotum sehe ich auch frühestens nach der Wahl in Bayern, wobei das seitens CDU/CSU fahrlässig ist. Würden sie Merkel jetzt schon aussem Spiel nehmen, wären da locker 10-15 % mehr drin - die AfD als Merkel-Bekämpferin Nr. 1 dagegen würde regelrecht einbrechen...

    11:02 Uhr, 26.09.2018
  • wolp
    wolp

    Vertrauensfrage ist Schmarrn, das weiß der Linder selber-macht aber Schlagzeilen und die Leute reden es nach.... Der Artikel ist sehr gut. Lehrstunde für die Demokratie war das gestern. Klares Zeichen für die 20% Deppen, die der Alternative für Dumme anhängen.

    10:41 Uhr, 26.09.2018
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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