Kommentar
15:51 Uhr, 15.07.2008

Die Stimmung der Finanzmarktanalysten steht auf Eiszeit

1. Die Stimmung der Finanzmarktanalysten ist auf einem Allzeittief angelangt: Die ZEW-Konjunkturerwartungen sanken um 11,5 Punkte auf -63,9 Punkte (Bloomberg-Median: -55,0 Punkte, DekaBank: -57,0 Punkte). Auch die Lagebeurteilung verschlechterte sich erdrutschartig um 20,6 auf 17,0 Punkte.

2. Auf die Finanzmärkte prasseln zurzeit die schlechten Nachrichten wie ein Sommergewitter ein und aus Sicht der Finanzmarktanalysten mehren sich die Sorgen, dass es sich zu einer Tieffront auswächst. So nehmen die Konjunktursorgen derzeit mit jedem neuen Indikator zu. Dramatische Rückgänge der Produktion, der Exporte, der Auftragseingängen und der Unternehmerstimmung. Wo soll da Zuversicht aufkommen?

3. Immer klarer kristallisiert sich heraus, dass die Konjunktur der Abnehmerländer deutscher Exporte zu lahmen beginnt. So sinken seit geraumer Zeit das DekaWirtschaftsklima der deutschen Handelspartnerländer – ein exportgewichteter Stimmungsindikator für die 30 wichtigsten Abnehmerländer deutscher Exporte – und das ZEW-Klima deutscher Handelspartner, in dem wir die Einschätzung der Finanzmarktanalysten für Frankreich, Italien, das Vereinigte Königreich, die USA und Japan zusammengefasst haben, im Einklang. So sind die Erwartungen für alle Länder spürbar zurückgegangen, in Europa befinden sie sich auf einem Allzeittief und in Japan nahe daran; allein in den USA gibt es noch merklich Luft nach unten.

4. Die hohe und anhaltende Inflation macht die Hoffnung auf ein schnelles Comeback des Konsums zunichte. Sie wird im Jahr 2008 zusammen mit den zu entrichtenden Steuern und Abgaben den hohen Anstieg der Nominaleinkommen von 3,8% komplett aufzehren. Diese Vernichtung der Einkommenszuwächse paart sich mit einer dramatischen Verunsicherung der Haushalte durch die um ein Vielfaches höhere gefühlte Inflation. So äußerten in der Deutschlandtrendumfrage vom Juli 85% der Befragten ihre Angst vor der Inflation und 62% die Furcht, dass „das Geld künftig nicht mehr ausreichen könnte“.

5. Auch wenn die Konjunkturindikatoren für die USA nicht besorgniserregend waren, die Unternehmensmeldungen hingegen waren es. Die Hiobsbotschaften über Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddy Mac sowie über die Insolvenz von IndyMac ließen Ängste über eine neue Welle der Finanzmarktkrise aufkommen.

6. Man muss abschließend kaum noch erwähnen, dass die Aktienmärkte seit der letzten ZEW-Erhebung spürbar nachgegeben haben. Auch das lastet auf der Stimmung der Finanzmarktanalysten.

7. Die Stimmung der Finanzmarktanalysten steht auf Eiszeit. Deren Befindlichkeit hat aber in den vergangenen Jahren mehr und mehr an Erklärungskraft für die Konjunktur verloren. Unsere vorsichtige Konjunkturvorausschau speist sich daher auch weniger aus der Entwicklung der ZEWKonjunkturerwartungen, als aus der sich zunehmend eintrübenden Unternehmensstimmung oder den sich merklich verschlechternden „harten“ Konjunkturindikatoren. Deutschland bewegt sich im zweiten und dritten Quartal am Rande einer technischen Rezession. Für eine echte Rezession ist der gesamtwirtschaftliche Auslastungsgrad immer noch zu hoch.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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