Kommentar
23:43 Uhr, 09.08.2013

Die schwindende Macht der OPEC

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In den Industrieländern ist Sparen angesagt: Das Wachstum in der Eurozone stagniert, in den USA entwickelt es sich zwar dynamischer, aber hier wachsen die Bäume auch nicht in den Himmel. Einige Schwellenländer wie Australien bereiten sich auf eine Rezession vor. Eigentlich sollte das doch zu fallenden Ölpreisen führen. Warum der Preis für ein 159-Liter-Fass des fossilen Brennstoffs dennoch beharrlich über der 100-Dollar-Marke bleibt, liegt maßgeblich am Verhalten der OPEC.

Eigentlich könnte das Kartell im dritten Quartal 2,6 Millionen Barrels pro Tag zusätzlich fördern. Das amerikanische Energieministerium schätzt, dass es zum Jahresende sogar 3,5 Millionen Barrels pro Tag sein könnten. Würde die OPEC diese Menge zusätzlich an den Markt bringen, würde der Ölpreis deutlich unter 100 USD/Barrel tauchen. Diesen Preis sieht die OPEC derzeit als Untergrenze an. Dies liegt freilich nicht im Interesse der OPEC. Vor allem Saudi Arabiens Könighaus äußerte sich in den vergangenen Jahren kritisch gegenüber der expansiven Geldpolitik der US-Notenbank. Sie schwäche die Kaufkraft der Petro-Dollars, die für den Verkauf von Öl bezahlt würden. Gerüchten zufolge spielen dabei aber ganz andere, viel unmittelbarere Gründe eine Rolle. Saudi Arabiens Könighaus benötigt einen Mindestpreis für ein Barrel Öl, um seinen eigenen Haushalt ausgleichen zu können. Dieser Mindestpreis lag im Jahr 2005 noch bei 30 USD pro Barrel, im Jahr 2015 könnte er schon bei 110 USD liegen, schätzt das Institute of International Finance. Autobesitzer auf der ganzen Welt als Financier des saudischen Haushalts? Jedenfalls gelang es der OPEC in den letzten beiden Jahren, ihre oft kommunizierte Untergrenze von 100 USD pro Barrel im Preis von Brent Crude Oil zu verteidigen. Diese Untergrenze kann als natürliche Unterstützung im Ölpreis verstanden werden. Taucht der Preis darunter, macht es Sinn, Öl zu kaufen, also auf einen steigenden Preis zu setzen. Denn man kann sich sicher sein, dass Saudi Arabien, das über den Großteil der ungenutzten Kapazitäten von rund 2,5 Millionen Barrels/Tag (Stand: Juni 2013) verfügt, sofort zu Produktionssenkungen greifen wird, um die Preise wieder über 100 USD zu bewegen.

Es geht um richtig viel Geld. Die OPEC hat im Jahr 2012 nach Schätzungen des amerikanischen Energieministeriums 982 Milliarden USD verdient – 311 Milliarden USD davon entfallen alleine auf Saudi Arabien. Noch nie zuvor hat das Kartell dermaßen viel eingenommen. Dies stellt einen gigantischen Vermögenstransfer von den Nationen, die Erdöl importieren, zu denen dar, die das Öl exportieren. Jahr für Jahr wuchs dieser Vermögenstransfer und damit die Belastung auf die Haushalte der Öl importierenden Nationen weiter an, nun scheint aber eine Kehrtwende eingeleitet zu sein. Das liegt vor allem an den USA. Dank erfolgreichem Einsatz neuer Technologien können die Vereinigten Staaten Naturgas und Erdöl kostengünstig aus Schiefergestein gewinnen. Diese Entwicklung könnte die Energiehandelsdefizite der USA, die zu 40% zur Handelsbilanz beitragen, verringern. Einige Marktbeobachter glauben, dass die USA bis zum Jahr 2020 sogar vollständig unabhängig von Ölimporten werden könnten. Die Situation trifft viele unerwartet. Auch die OPEC muss sich darauf einstellen, dass ihre Macht in den nächsten Jahren schwinden wird. Das amerikanische Energieministerium schätzt, dass die OPEC-Einnahmen im Jahr 2014 nur noch bei 940 Milliarden USD liegen werden. Bis zum Jahr 2015 sollen sie auf 903 Milliarden USD gesunken sein.

Der Ölboom stellt auch die amerikanische Ölindustrie vor neue Herausforderungen. Sie traf die plötzlich steigende Produktion unerwartet. Der Verteilungsknoten im texanischen Cushing, an dem alle wichtigen Öltrassen der USA zusammenlaufen, war durch die plötzlich gestiegene Produktion schnell überfüllt, die Lager erreichten ihr Maximum. Um die Ölpumpen überhaupt weiter betreiben zu können musste sich daran möglichst schnell etwas ändern. So wurden neue Transportmöglichkeiten entwickelt, was allerdings einige Zeit dauerte. Das Resultat war, dass sich in der Zwischenzeit der amerikanische Ölpreis vom Weltmarktpreis von Erdöl komplett abkoppelte. Im Sommer des Jahres 2011 kostete ein Barrel amerikanisches Öl zeitweise 26 USD weniger, als ein und dieselbe Menge Brent Crude Oil. Anfang August 2013 hatte sich diese Differenz auf rund zwei USD pro Barrel verringert, da neue Transportinfrastruktur das Überangebot im texanischen Cushing endlich verringern konnte. Heute wird WTI, die amerikanische Ölsorte, die an der New Yorker Warenterminbörse NYMEX gehandelt wird, jedoch nicht mehr als weltweiter Referenzölpreis betrachtet. Vielmehr nimmt diese Rolle heute das Brent-Öl ein. Das WTI wird eher als Spiegelbild für die Angebots- und Nachfragesituation am amerikanischen Binnenmarkt angesehen.

Das Brent-Öl reagiert sehr stark auf steigende oder fallende Risiken für geopolitische Ereignisse, die sich vor allem im Nahen Osten zutragen könnten. Nachdem der neue iranische Präsident ankündigte, seine Politik freundliche gegenüber den westlichen Nationen gestalten zu wollen, tat sich quasi zur selben Zeit ein neuer Krisenherd in Ägypten auf. Die anhaltenden Spannungen im Nahen und Mittleren Osten stützen den Ölpreis. Sollte sich die Lage etwa in Ägypten zuspitzen, dürfte das zu Kursanstiegen führen, sagt UniCredit-Rohstoff-Experte Jochen Hitzfeld. Der Hintergrund: Durch das Land am Nil werden pro Tag derzeit vier Millionen Barrel Öl transportiert. Wer sich also gegen geopolitische Risiken absichern möchte, sollte einer Long-Position in der Nordseeölsorte Brent den Vortritt gegenüber der US-Ölsorte WTI geben.

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