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21:04 Uhr, 19.06.2009

Die schöne Vision vom Wüstenstrom

München (BoerseGo.de) - Gigantische Solarkraftwerke in der Sahara sollen zukünftig einen Teil des europäischen Energiehungers stillen. Die Idee scheint nur auf den ersten Blick utopisch: Das Jahrhundertprojekt wäre technisch machbar, allerdings dürften Politik und das Geld die Zünglein an der Waage sein.

Wir haben Energie im Überfluss: Wärme, Licht und Bewegung sind fast überall unerschöpflich vorhanden. „In der Wüste kommt in sechs Stunden so viel Energie an, dass der Jahresverbrauch der Menschheit für ein ganzes Jahr gedeckt wäre“, sagt Gerhard Knies vom Desertec-Projekt. Unser Problem ist nur, dass wir sie in Deutschland nicht oder nur schwer einfangen und in Strom umwandeln können.

Also geht man dahin, wo die meiste Energie ist, dachte sich der Club of Rome bereits 2003. Gigantische Solarthermie-Kraftwerke werden, so der Plan der Desertic-Initiative, in der Sahara Energie für die Nordafrikaner und die Europäer produzieren. Der Plan klingt einfach: Parabolspiegel konzentrieren die Sonnenstrahlung auf einen Punkt. Wasser wird erhitzt und der Dampf treibt Turbinen an. Das Prinzip ist ähnlich, als wenn man mit einer Lupe Löcher in Papier brennt.

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Mit Wärmespeichern lässt sich die Stromproduktion solarthermischer Kraftwerke von
den Schwankungen der Sonneneinstrahlung entkoppeln. Solarthermische Kraftwerke,
hier eine Anlage in Spanien, könnten so auch nachts und bei starker Bewölkung
immer gleichmäßig Strom liefern.

Bildquelle: DLR/Markus Steur

„Auf den ersten Blick wirkt das Projekt utopisch. Aber wenn man sich das näher anguckt, macht es durchaus Sinn, dass man dahin geht, wo die Sonne am stärksten scheint“, sagte Olaf Köster. Der Leiter des Fondsmanagements der VCH Investment Group AG und Manager des Fonds VCH New Energy erklärte im Gespräch mit BörseGo, dass in der Sahara zudem ausreichend Platz sei, um dort Energie zu erzeugen und in Länder zu transportieren, wo die Sonne weniger scheint.

Technisch machbar

In das rund 3.000 Kilometer entfernte Mitteleuropa könnte der Strom über spezielle Gleichstromleitungen kommen, die teilweise durch das Mittelmeer führen würden. Durch die Nutzung von Gleichstrom, im Gegensatz zu dem üblichen Wechselstrom, kann der Energieverlust beim Transport auf drei Prozent je 1.000 Kilometer beschränkt werden. „Dies ist keine ferne Vision mehr, sondern technologisch bestechend und auch realisierbar“, jubelte Münchener Rück-Vorstandsmitglied Torsten Jeworrek in der letzten Woche, als eine Gruppe 20 deutscher Konzerne die nicht ganz neuen Pläne wieder aufleben ließ. Mit dabei sind auch einige Schwergewichte wie RWE, Siemens und E.ON.

Die Technik scheint weniger das Problem der Visionäre zu sein. Sowohl bei Kraftwerk und Übertragung handele es sich um erprobte Verfahren, bestätigte Energieexperte Köster. Einige Solarthermie-Anlagen gibt es bereits. Allerdings spiele die Technologie derzeit eher eine Nebenrolle bei den Erneuerbaren Energien. Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gab dem Projekt 2005 in einer Machbarkeitsstudie seinen Segen. Rund 15 Prozent des europäischen Strombedarfs könnten zukünftig aus der Wüstensonne gedeckt werden – CO2-frei und unerschöpflich. 2050 soll es soweit sein.

Konkurrenz aus der Photovoltaik

Selbstverständlich ruft ein so visionäres und ohne Zweifel faszinierendes Projekt wie Desertec auch Zweifler auf den Plan. „Ich rate von voreiligen übertriebenen Erwartungen an dieses Projekt ab“, teilte Hermann Scheer, SPD-Bundestagsabgeordneter und Präsident des Photovoltaik-Branchenverbands Eurosolar, in einer ersten Reaktion mit. „Ein zentraler Einwand ist: Bevor dieses Projekt zum Tragen gebracht werden kann, wird der weitere Ausbau der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland zu niedrigeren Kosten und Preisen möglich sein als der Solarstromimport aus Nordafrika. In weniger als drei Jahren wird die Solarstromerzeugung in Deutschland die sogenannte "grid parity" Schwelle erreicht haben - also zu Kosten, die dem gegenwärtigen Strompreis entsprechen.“

Also warum in die Ferne schweifen? Die Preise für Solarmodule sinken, der Wirkungsgrad steigt. Auch Köster verweist auf die technischen Risiken: „Die Betreiber des Projektes glauben an die Rentabilität. Dafür müssen aber schon erhebliche technologische Fortschritte passieren, die ich in anderen Bereichen wie der Photovoltaik eher sehe, weil dort ein höherer Wettbewerb herrscht.“ Ein zentraler Punkt sei die Frage, inwieweit der Strom aus der Sahara zu konkurrenzfähigen Kosten in Deutschland ankomme. Nicht zu vergessen: Bis 2050 veranschlagt die DLR-Studie bis zu 400 Milliarden Euro Kosten, davon allein 350 Milliarden für die Kraftwerke - nicht inflationsbereinigt.

Politische Risiken

Köster verweist zudem auf ein Problem, das das Projekt am Ende scheitern lassen könnte: „Die politische Seite gibt Anlass zu Skepsis. Bei dem Projekt sind afrikanische Mittelmeeranrainerstaaten involviert, die nicht politisch stabil sind.“ Abhängigkeiten wie bei fossilen Brennstoffen seien denkbar. Noch stärker ist das Argument, das zahlreiche andere Kritiker ins Feld führen: Bei der Anzahl der Länder, die bei dem Projekt involviert sein würden – wie wahrscheinlich ist da eine Einigung?

Auch hier haben die Initiatoren eine passende Antwort. Schließlich sollen nicht nur die Europäer von der Energie profitieren. Auch der Wassermangel lässt sich nach Angaben von Friedrich Führ, Vorstand der Desertec-Foundation, bekämpfen: „Für die Regionen in Nordafrika und im Nahen Osten verspricht dies eine Beschleunigung der Industrialisierung, die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Produktion von sauberem Strom und genügend Energie für die Meerwasserentsalzung für die stark wachsende Bevölkerung.“

Zunächst sind aber die Konzerne am Zug. Als die Meldung von dem Projekt in der letzten Woche durch die Medien ging, hielten sich die Unternehmen mit eindeutigen Bekenntnissen noch zurück. Die erste Bewährungsprobe naht im kommenden Monat. Dann will die Desertec-Foundation als gemeinnützige Initiative „engagierter Bürger aus dem Umfeld des Club of Rome“ eine Kooperations-Plattform etablieren. In der Desertec Industrial Initiative (DII), deren Gründungstreffen am 13. Juli stattfindet, können interessierte Unternehmen zusammenfinden. Erst dann wird sich abschätzen lassen, ob das visionäre Projekt eine Chance hat oder Utopie bleibt.

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Bildquelle: Desertec

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