Kommentar
09:00 Uhr, 24.01.2007

Die russische Börse hat noch immer Pfeiler im Köcher

Keinen guten Start in das neue Jahr hat die so Erfolgsverwöhnte russische Börse mit einem Minus von rund zehn Prozent in nur zwei Handelstagen erwischt. Nach der feiertagsbedingten längeren Pause zu Jahresbeginn musste der Markt den in der Zwischenzeit deutlich gefallenen Öl- und Rohstoffpreisen Tribut zollen. Als zusätzliche Belastung erwies sich zudem die Auseinandersetzung mit Weißrussland über die Durchleitung von Öl. Diese negativen Faktoren aus dem Umfeld waren vermutlich aber nur eine willkommene Entschuldigung um zur Abwechslung nach einem im Vorjahr beim RTS-Index zu Buche stehenden Plus von mehr als 70 Prozent (wie sehr die Börse boomt, zeigt sich auch an den von 32 Mio. auf 65 Mio. Dollar gestiegenen täglichen Handelsumsätzen) auch wieder einmal Kursgewinne mitzunehmen. Zur Vermeidung einer völligen Marktüberhitzung ist das aber völlig normal und sogar mehr als gesund.

Der schwache Auftakt muss somit kein Vorbote für ein insgesamt schlechtes Börsenjahr 2007 sein. Durch die näher rückenden Duma-Wahlen im Dezember 2007 und die im März 2008 anstehenden Präsidentschaftswahlen wird zwar vermutlich etwas mehr Sand als im Vorjahr ins Getriebe kommen. Aber das politische Gefüge in Russland ist momentan so stabil, dass Wahlen daran nichts Entscheidendes ändern sollten. Und auch vom Nachfolger Putins, wer immer das dann auch sein mag, ist nicht mit entscheidenden Veränderungen in den Weichenstellungen zu rechnen. Zudem dürfte der immer mehr durch inländische Investitionen getriebene Konjunkturboom auch in diesem Jahr anhalten. Natürlich nur vorbehaltlich der Annahme, dass die Rohstoffpreise einigermaßen hoch bleiben. Aber genau davon gehen wir in unserem Grundszenario nach wie vor aus.

Aton setzt auf Infrastrukturwerte

Der Broker Aton schreibt in einer Studie zum Ausblick auf die voraussichtliche Entwicklung am russischen Aktienmarkt folgendes:

Im Jahr 2007 heben wir fünf wichtige Investitionsideen hervor: das durch den Konsum angetriebene Wirtschaftswachstum, die Restrukturierung des Stromsegments, die Infrastrukturentwicklung und die Aktienderivate. Auch wenn die Investoren die starken Ertragsaussichten der Unternehmen Russlands bzw. der GUS aus den Konsum-, Medien-, Mobilfunkbereichen und dem Bankensektor im zweiten Halbjahr 2006 stets berücksichtigt haben, behalten die Papiere einer Reihe dieser Gesellschaften ein gesundes Aufwärtspotenzial bei. Die Konsolidierung im russischen Öl- und Gassektor, dem Metall- und Bergbausegment und im Einzelhandel sowie die Restrukturierung des Stromsegments und die durch den Staat angetriebene Konsolidierung bestimmter strategischer Industriesparten sollten den Investoren interessante Möglichkeiten in Bezug auf die Special Situations und Arbitrage bieten. Zudem glauben die Analysten von Aton, dass die Infrastrukturentwicklung im Jahr 2007 zu einer sehr populären Investitionsidee wird, da private und öffentliche Mittel in die Sanierung der Infrastruktur des Landes fließen werden, insbesondere vor den Wahlen (Parlamentswahlen im Dezember 2007 und Präsidentschaftswahlen im März 2008). Zudem wird erwartet, dass sich die schnelle Entwicklung der russischen Finanzmärkte fortsetzt, einschließlich der steigenden Nachfrage nach anspruchsvolleren Finanzprodukten wie Derivate, die den Investoren im kommenden Jahr gute zusätzliche Erträge liefern könnten.

Banken und Versorger dürften gefragt bleiben

Stimmt die im Text zuvor vertretene These mit einem neu angelaufenen Investitionszyklus, dann dürften davon aus unserer Sicht insbesondere die Banken über eine wachsende Kreditnachfrage profitieren. Im Fokus des Anlegerinteresses dürften aber auch jene Bereiche bleiben, die wie der Versorgersektor grundlegende Reformen durchlaufen. Kurschancen bieten wegen dem guten Konsumklima zudem Unternehmen, die vornehmlich im Inland ihre Geschäfte machen. Insgesamt kommt es inzwischen auch an der russischen Börse mehr als in den Jahren zuvor auf das richtige Stock-Picking an. Denn nach der langjährigen Kursrallye sind längst nicht mehr alle Aktien günstig bewertet, auch wenn einem das zumeist auf rund 13 bezifferte Markt-KGV noch einigermaßen in Sicherheit zu wiegen scheint. Übertreibungen lassen sich auch an dem Boom bei Neuemissionen ablesen. Experten rechnen für 2007 mit der Ausgabe neuer Aktien im Wert von rund 30 Mrd. Dollar. Nicht unrealistisch wenn man bedenkt, dass mit der Sberbank (7,5 Mrd. Dollar) und der Vneshtorgbank (4,5 Mrd. Dollar) alleine schon zwei Kreditinstitute demnächst zwölf Mrd. Dollar einsammeln wollen.

Diese enormen Kapitalwünsche muss der Markt erst einmal wegstecken und es wird sich zeigen müssen, ob das nicht doch als eine gewisse Kursbremse fungieren wird. Das ändert aber nichts daran, dass wir bis auf weiteres auf die in unserem Musterdepot befindlichen Russland-Werte festhalten werden. Mit das meiste Potenzial trauen wir dabei dem Stromkonzern UES (ISIN: US9046882075, 80 Euro) zu. Was hier nach oben noch möglich ist, wenn sich das Unternehmen erst einmal zu einem normal gemanagten Konzern gewandelt hat, lässt sich daran erkennen, dass jede Kilowattstunde an installierten Kapazität bei UES an der Börse nur mit 430 Dollar bewertet wird, während der internationalen Konkurrenz im Schnitt markant höhere 1.600 Dollar zugestanden werden. Die sich darin widerspiegelnde Bewertungslücke sollte sich längerfristig schließen.

Quelle: www.ostboersen-report.de

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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