Kommentar
14:04 Uhr, 04.12.2008

Die Rückkehr des Vertrauens

KERNAUSSAGEN

• Regierungen rund um den Globus haben umfassende Maßnahmen ergriffen, um das Vertrauen an den Märkten wiederherzustellen und die Konjunktur zu stützen.
• Da wir überzeugt sind, dass im Zuge dieser Maßnahmen bald wieder Normalität einkehren wird, setzen wir jetzt auf eine Rückkehr des Vertrauens.
• Der Weg zu einem neuen globalen Gleichgewicht ist indes steinig und gewunden. Wir gehen daher bei unseren Anlageentscheidungen situationsbezogen vor und konzentrieren uns auf die so genannten True Assets.

Ein kurzer historischer Abriss der Ereignisse von 2008

2008 war ein Jahr sich überschlagender Ereignisse mit weit reichenden Konsequenzen für die Zukunft. Die Kreditkrise und ihre Folgen für die Wirtschaft sind inzwischen jedem eindringlich bewusst. Rund um den Globus brechen Banken zusammen und können nur mit staatlicher Hilfe über Wasser gehalten werden. Eine Pleitewelle grassiert unter den Hedgefonds, McDonalds hat ein besseres Credit-Rating als Irland, Kfz-Hersteller geraten ins Trudeln und sind auf staatliche Rettungspakete angewiesen, einige Länder sind praktisch bankrott. Finanzanlagen und Währungen fluktuieren extrem. Die Aktienmärkte leiden besonders stark unter der Kreditkrise. Der MSCI World Index und der MSCI World Growth Index fielen in den ersten elf Monaten dieses Jahres um 33,8 bzw. 34,3 Prozent (Quelle: Thomson Datastream).

Geteiltes Leid, geteilte Freud

Die Globalisierung hat enorme Fortschritte ermöglicht. Andererseits führt die Kreditkrise deutlich vor Augen, dass die Welt jetzt auch Freud und Leid des globalen Handels miteinander teilt. Wie in früheren Krisen trifft der Anstieg der Volatilität in dieser Krise mit einer stärker synchronen Entwicklung einzelner Unternehmen zusammen. Das bedeutet, dass Diversifikation als Instrument der Risikosteuerung seine Funktion einbüßt, wenn alle Märkte gleichzeitig fallen. Die steigende Korrelation bei Bärenmärkten liegt daran, dass Risiken stärker systemisch wahrgenommen werden und daher alle Aktien betreffen.

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„Der Schwarze Schwan“ – oder die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse

Die aktuelle Kreditkrise ist ein gutes Beispiel für das von Nassim Nicholas Taleb als „Schwarzer Schwan“ beschriebene Phänomen. Ein „Schwarzer Schwan“ ist ein Ereignis, mit dem niemand rechnet, weil es außerhalb der konventionellen Normen liegt. Aufgrund des „Schwarzen Schwans“, den wir Kreditkrise nennen, können wir nicht mehr davon ausgehen, dass gleichartige Wirtschaftsbedingungen sich auch in gleicher Weise auf alle Unternehmen auswirken. Um Fehler zu vermeiden, müssen wir uns von abgehobenen Konzepten und Verallgemeinerungen lösen und genauer hinsehen. Entsprechend müssen unsere Anlageentscheidungen stärker praktisch als theoretisch ausgerichtet und vor allem situationsbezogen sein. Das bedeutet, dass wir uns bei unserer Analyse weniger auf Branchen oder Sektoren konzentrieren sollten, sondern vielmehr auf die einzelnen Unternehmen selbst. Ein Beispiel soll dies illustrieren:

Auch die Entwicklung des Erdölpreises in 2008 könnte als „Schwarzer Schwan“ bezeichnet werden (ein Schwarzer Schwan ist selten allein anzutreffen). Aufgrund der enormen Schwankungen beim Ölpreis haben die Erdölkonzerne Schwierigkeiten mit einer präzisen Langzeitplanung. Bereits jetzt sind einige Konzerne bei der Finanzierung neuer Projekte von schärferen Kreditvergabekriterien betroffen, da die Banken den Kredithahn allmählich zudrehen. Hier bedeutet situationsbezogenes Investieren, dass wir uns dadurch auf die Unternehmen konzentrieren, die ihr Geschäft dennoch ausweiten können. Wenn die Wirtschaft sich in näherer Zukunft wieder belebt, kann es durchaus zu einem erneuten sprunghaften Anstieg der Ölpreise kommen. Erdölkonzerne, die sich mit neuen Projekten darauf vorbereitet haben, werden davon als Erste profitieren, während andere hinter der Entwicklung zurückbleiben werden.

Unser Anlageprozess beruht auf der Definition, dem Erkennen und der Umsetzung von Wachstumsthemen. Unsere Themen orientieren sich überwiegend an langfristigen Trends wie Bevölkerungsentwicklung und alternative Energien. Zudem haben wir Themen erfasst, die für das gesamte Portfolio gelten, wie „Transparenz, Liquidität und Klarheit“. Diesmal haben wir es mit einem „Schwarzen Schwan“ als systematisches Risiko zu tun, das sich für all unsere Investments unter dem Gesamtthema „Rückkehr des Vertrauens“ zusammenfassen lässt.

Neues Thema: Rückkehr des Vertrauens

Unserer Auffassung nach ist ein völliger Vertrauensverlust der Grund für die mangelhafte Funktion vieler Märkte. Letztendlich wird sich der Zustand allerdings wieder normalisieren und eine Rückkehr des Vertrauens stattfinden. Dies ist keine Frage des Ob, sondern des Wann. Wichtig ist dabei die richtige Deutung der Frühzeichen, wie z. B. die Normalisierung der Marktsituation, eine Verengung der Credit-Spreads und nachlassende Volatilität. Bei der Umsetzung dieses Themas in unser Portfolio setzen wir vor allem auf Aktientitel mit den folgenden Merkmalen: (1) sie stellen einen wirtschaftlichen Vermögenswert dar („True Asset"), (2) beruhen auf einem Asset-Light- Geschäftsmodell und (3) sind in Ländern mit stabilen und allgemein zugänglichen Finanzmärkten ansässig.

Zu (1): Unter True Assets verstehen wir alle finanziellen Vermögenswerte, die Aktienanlegern einen unmittelbaren Eigentumsanspruch verschaffen. Das sind beispielsweise Unternehmen mit niedriger oder gar keiner Verschuldung, geringen Fixkosten, hohen variablen Kosten und einer völlig sauberen Bilanz.

Zu (2): Wir führen einen Asset-Light-Test durch, um zu prüfen, ob Unternehmen niedrigere Transaktionskosten nutzen, indem sie ein Geschäftsmodell umsetzen, das sich vorrangig auf Kernkompetenzen stützt. Dabei achten wir auf temporäre Allianzen, Outsourcing, gemeinsame Nutzung von Ressourcen und dynamische Partnerschaften. Hierbei kommt der Informationstechnologie besondere Bedeutung zu: das so genannte „Cloud Computing“ ist das beste Beispiel für strukturelle Kostenersparnisse und höhere Effizienz.

Zu (3): Die Ländergewichtung ist wichtiger als je zuvor. Die Wahl des politischen Systems wirkt sich entscheidend auf die Risiko- und Ertragsprofile von Unternehmen aus. Von ihr hängt zudem ab, inwieweit Investoren Gewinne in Anspruch nehmen können.

Diese Merkmale sind bei der Umsetzung des Themas „Rückkehr des Vertrauens“ am wichtigsten. In der Praxis haben wir all unsere Kapitalanlagen sieben verschiedenen Tests unterzogen, um sicherzugehen, dass wir Aktien mit den gewünschten Eigenschaften halten. Die Erläuterung eines jeden einzelnen Tests würde allerdings den Rahmen dieses Updates sprengen. Der Punkt ist, dass wir durch Umsetzung dieser Themen über ein stärkeres Portfolio verfügen, dem auch anhaltende Marktvolatilität nichts anhaben kann und das auf kurze Sicht potenziell besser als die globalen Aktienmärkte abschneidet.

Weiterhin Morningstar-Rating von vier Sternen

Emerging Markets, Rohstoffe, Industrialisierung, digitale Revolution und alternative Energien zählten letztes Jahr zu den am besten abschneidenden Anlagethemen, haben aber in diesem Jahr nur unbefriedigende Erträge erbracht. Das einzige Thema, das dem ING (L) Invest Global Growth nachhaltigen Zusatzwert gebracht hat, war „Transparenz, Liquidität und Klarheit“. Wir hatten dieses Thema im September 2007 als Risikothema für alle anderen Themen und Titel im Fonds eingeführt. Leider war dadurch der Renditeverfall an den globalen Aktienmärkten nicht abzuwenden. Es ist uns gleichwohl gelungen, von Zahlungsausfällen heimgesuchte Produkte zu vermeiden, die sich katastrophal auf einige Hedgefonds und stärker risikoorientierte Aktienfonds ausgewirkt haben. Das beeinträchtigt allerdings nicht die Erfolgsbilanz des Fonds über einen Drei- bzw. Fünfjahreszeitraum. Vor dem Hintergrund drastischer Herabstufungen unserer Wettbewerber konnten wir unser 4-Sterne-Rating von Morningstar halten.

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