Kommentar
08:20 Uhr, 19.04.2005

Die Renditen haben deutlich nachgegeben

Die Kurse der US-Staatsanleihen haben in der vergangenen Woche kräftig angezogen und die Renditen deutlich zurückgehen lassen. Die Bonds der Eurozone folgten diesen Vorgaben, wenngleich die Rückgänge hier geringer ausfielen. Das für Anleihen jüngst freundliche Umfeld ist Folge unerwartet schwacher Wirtschaftszahlen.

Den Boden für die markant gesunkenen Renditen in den USA bereitete die Veröffentlichung des Sitzungsprotokolls der Fed vom 22. März. Es gab den Märkten nach den Sorgen vor der Inflationsentwicklung und der möglichen Reaktion der Notenbank die Sicherheit, dass die Geldpolitik mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit weiter nur "maßvoll" gestrafft werde. Die in den darauf folgenden Tagen veröffentlichten eher enttäuschenden Konjunkturdaten hatten damit ein günstiges Umfeld. Sie verfestigten die Einschätzung, dass sich die US-Wirtschaft zumindest kurzfristig abkühlen könnte. So sind beispielsweise die Einzelhandelsumsätze ohne Autos im März gegenüber dem Vormonat lediglich um 0,1 Prozent gewachsen, nachdem die Zuwachsrate von Januar auf Februar noch 0,6 Prozent betragen hatte. Für den Rückgang dürften zwei Gründe wesentlich sein. Zum einen hat sich das Stellenwachstum in den USA verlangsamt. Nach 243.000 neuen Jobs im Februar waren es im März nur noch 110.000. Zum anderen hat der hohe Ölpreis in Form kräftig verteuerten Benzins das für den Konsum zur Verfügung stehende Einkommen der Amerikaner geschmälert. Der private Verbrauch hat also zunächst an Antriebskraft für das Wirtschaftswachstum verloren. Im engen Kontext mit der Entwicklung beim Konsum ist zu sehen, dass die amerikanischen Unternehmen im März ihre Lagerbestände aufgestockt haben. Sollte die Konsumlust nun nicht wieder zurückkehren, wird der Lagerabbau über eine gedrosselte Produktion erfolgen, was zumindest kurzfristig das Wachstum bremsen würde. Allerdings hat der jüngst rückläufige Ölpreis das Bild wieder aufgehellt. Ob gebremst oder ungebremst, die Zeichen stehen in den USA momentan jedenfalls weiter auf Wachstum. Somit ist im Jahresverlauf auch mit steigenden Zinsen zu rechnen, weshalb wir zu großer Vorsicht bei Engagements in US-Bonds raten.

Die Anleihen der Eurozone folgten ihren nordamerikanischen Gegenstücken - allerdings in einem geringeren Tempo. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand: Hierzulande ist der Rentenmarkt spätestens seit Anfang März auf ein schwaches Wirtschaftswachstum eingestellt. Zwar steht seit der jüngsten Sitzung der Europäischen Zentralbank fest, dass ihr nächster Zinsschritt aufwärts gerichtet sein wird. Doch deutete die EZB ebenso an, dass dieser Schritt eher später als früher kommen wird. Die vergangene Woche lieferte für eine Eingrenzung des "Termins" indes keine Hinweise. Konjunkturdaten, die Rückschlüsse zuließen, waren rar gesät. Wir rechnen im Jahresverlauf mit steigenden Zinsen, was für Besitzer von Anleihen mit langer Restlaufzeit Kursverluste bedeuten würde. Wir raten daher in lang laufenden Anleihen trotz der jüngsten Kurskorrekturen zu Vorsicht.

Ausblick: In der laufenden Woche können sich die Akteure ein detailliertes Bild über die Preisentwicklung machen. Nach den zahlreichen Verbraucher- und Erzeugerpreise für März folgen am Freitag die vorläufigen deutschen Verbraucherpreise für April. Angesichts des im Vergleich zu April 2004 deutlich höheren Ölpreises sind weiter kräftige Steigerungen wahrscheinlich. Große Beachtung wird zuvor allerdings am Mittwoch das "Beige Book" der Fed zur konjunkturellen Entwicklung in den USA finden. Aus Sicht der Eurozone sind das Verbrauchervertrauen in Italien und der BNB-Frühindikator in Belgien von Bedeutung.

Quelle: Union Investment

Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 113,2 Mrd. Euro verwaltet die Gesellschaft per Ende März 2004. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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