Kommentar
09:28 Uhr, 16.08.2005

Die Renditen geben wieder nach

Die Stimmung an den Anleihemärkten hat wieder gedreht. Nach der spürbaren Korrektur von Ende Juni bis Anfang August haben die Renditen in der vergangenen Woche wieder nachgegeben und Bondinvestoren damit Kursgewinne beschert. Schwächere Konjunkturdaten und vor allem der hohe Ölpreis - binnen einer Woche fast acht Prozent teurer - haben diese Entwicklung gefördert. Interessanterweise wird Rohöl derzeit aber mehr als Wachstumsbremse wahrgenommen, denn als Inflationstreiber. Die US-Notenbank FED hat den Leitzins erwartungsgemäß um 25 Basispunkte auf 3,50 Prozent heraufgesetzt.

USA: Ölpreis nur Wachstumshemmnis?

In ihrer Pressemitteilung zur Entscheidung erklärte die FED, ihre Geldpolitik sei weiterhin entgegenkommend und unterstütze die wirtschaftliche Aktivität. Die Nachfrage habe trotz der hohen Energiepreise seit Winter zugenommen und der Arbeitsmarkt verbessere sich. Die Inflation bleibe unter Kontrolle, wenngleich der Druck auf die Teuerung zugenommen habe, hieß es. Dieser Druck kommt von zwei Seiten. Zum einen von den Löhnen, wie aus dem Arbeitsmarktbericht von Freitag vor zwei Wochen hervorging. Zum anderen vom Ölpreis, der binnen einer Woche um fast acht Prozent kletterte und seit Jahresanfang 54 Prozent zulegte. Die Marke von 60 USD pro Barrel hat ihren Schrecken verloren. Jetzt sind es 70 oder gar 80 USD, die am Markt die Runde machen. Kurz vor der Jahrtausendwende notierte Rohöl übrigens bei 10 USD. Der US-Finanzminister Snow sagte mit Blick auf diese Entwicklung, dass unsere Wirtschaft die extremen Steigerungen bisher gut weggesteckt hat und dass eine Fortsetzung dieses Trends nachhaltig auf das Wachstum durchschlagen wird. Aus diesem Denkmuster schöpfte der US-Bondmarkt in der vergangenen Woche einen Großteil seiner Kraft: Öl kann der Inflation nichts anhaben, sondern nur das Wirtschaftswachstum verlangsamen! Diese Ansicht muss man nicht zwingend teilen. Der Arbeitsmarkt belebt sich und die Löhne steigen. Warum soll in diesem Zuge nicht auch die Preismacht der Unternehmen wachsen, Preiserhöhungen stärker als bisher auf die Verbraucher überzuwälzen? Das Resultat wäre dann eine anziehende Inflation, mit steigenden Zinsen als Folge. Insofern bleiben wir für den US-Rentenmarkt vorsichtig gestimmt. Ein weiterer Renditeanstieg erscheint uns wahrscheinlicher als ein neuerlicher Rückgang in Richtung 4 Prozent.

Eurozone: Nachhaltiges, langsames Wachstum

Das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone ist nach einer ersten amtlichen Schätzung im zweiten Quartal nur um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal gestiegen. In den drei Auftaktmonaten 2005 stand immerhin noch ein Zuwachs von 0,5 Prozent zu Buche. Der schwächere Wert geht vor allem auf die zwei führenden Euro-Volkswirtschaften zurück. Deutschland stagnierte, Frankreich legte lediglich um 0,1 Prozent zu. Dagegen konnten die einstigen Sorgenkinder Italien und Niederlande positiv überraschen. Die Europäische Zentralbank sieht nach ihrer jüngst im Monatsbericht August geäußerten Einschätzung die Wirtschaft ihres Hoheitsgebietes nachhaltig, wenngleich langsam expandieren. Nachhaltig ist das entscheidende Wort. An eine Zinssenkung ist nun auch aus konjunktureller Sicht nicht mehr zu denken. Schon eher könnte die Äußerung ein Teil des Fundaments für eine Erhöhung darstellen. Am Geldmarkt wird ein solcher Schritt für das erste Halbjahr 2006 erwartet. Das momentane Bild des Euro-Rentenmarktes, das von Bewegung in engen Grenzen geprägt ist, sollte also noch eine Weile Bestand haben. Ein Faktor, der die Marktlage stärker beeinflussen könnte, ist die in gut zwei Wochen anstehende vierteljährliche Projektion der Währungshüter zu BIP-Wachstum und Inflation. Eine wichtige Frage wird dabei sein, wie die EZB die Entwicklung am Ölmarkt reflektiert. Der Projektion von Juni lag ein Ölpreis von 50,6 USD für 2005 zugrunde, der von März sogar nur 44,7 USD.

China: Details zu Renminbi-Währungskorb

Die chinesische Regierung hat erste Angaben über den Währungskorb gemacht, an den der Renminbi gekoppelt ist. Danach sind USD, Euro, Yen und koreanischer Won die Schwergewichte, während Pfund Sterling, Singapur-, Kanada- und Austral-Dollar sowie Rubel, malaysischer Ringgit und thailändischer Baht in kleineren Anteilen enthalten sind. Zur Funktionsweise oder den Gewichtungen des Korbs wurde nichts bekannt.

Ausblick: Verbraucher- und Erzeugerpreise in den USA

Die laufende Woche ist mit Terminen nur dünn besetzt. Eingerahmt von den Fed-Indizes aus New York (Montag) und Philadelphia (Donnerstag) werden vor allem die Preisdaten der USA im Blickpunkt stehen. Dann gibt es einen weiteren Hinweis, ob und ggf. wie sich der Ölpreisanstieg im Wirtschaftskreislauf fortpflanzt. An der Industrieproduktion lässt sich die Schnelligkeit der Veröffentlichung ablesen. Während der US-Wert für Juli am Dienstag kommt, meldet die Eurozone erst einen Tag später die Juni-Zahl.

Quelle: Union Investment

Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 122 Mrd. Euro verwaltet die Gesellschaft per Ende Dezember 2004. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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