Kommentar
17:12 Uhr, 04.10.2023

Die Ökonomen kapitulieren

Nicht nur Anleger können kapitulieren, auch Ökonomen können das. Hat diese Kapitulation die gleiche Bedeutung wie an der Börse?

Wenn Anleger kapitulieren, gibt es die besten Kaufgelegenheiten. In zwei Fällen kann man von Kapitulation sprechen. Entweder wird panikartig verkauft und es kommt zum Crash oder ein Bärenmarkt dauert so lange und zermürbt, dass Anleger die Hoffnung auf steigende Kurse aufgeben. Kapitulation ist ein Kontraindikator. Es wird gekauft, wenn die Hoffnung aufgeben wurde.

Bei der Ausbildung von Hochs am Aktienmarkt spricht man nicht von Kapitulation. Stattdessen sind Anleger euphorisch. Auch dies ist ein Kontraindikator. Ist die Stimmung ausgelassen, sollte man verkaufen. Beides, besonders schlechte und gute Stimmung, entwickeln sich in einem Prozess. Hoffnungslosigkeit entsteht, wenn Rücksetzer gekauft werden, der Markt danach aber nur kurz steigt und seinen übergeordneten Abwärtstrend weiter fortsetzt. Werden Erwartungen wiederholt enttäuscht, kommt irgendwann Verzweiflung auf.

Im Aufwärtstrend ist es nicht anders. Anleger sind skeptisch. Nach jedem Rücksetzer steigen die Kurse aber. Der Trend wird mit der Zeit erkannt und irgendwann entsteht der Glaube, dass die Kurse gar nicht mehr fallen können. Wechseln Anleger ihre Überzeugung von Hoffnungslosigkeit (Kurse können nicht mehr steigen) zu Euphorie (Kurse können nicht mehr fallen), steht der Trend meist vor der Umkehr. Ist auch der letzte Anleger überzeugt, gibt es keine Verkäufer oder Käufer mehr. Der Trend kann drehen.

Dieses Prinzip gilt bei allem, was auf Erwartungen basiert, also auch Prognosen zum Wirtschaftswachstum. Seit 2022 wird für die USA eine Rezession erwartet. Ende 2022 wurde für die erste Jahreshälfte 2023 negatives Wachstum erwartet. Dieses kam nie. Die Rezession wurde mit jedem Quartal nach hinten verschoben. Anstatt Anfang 2023 zu beginnen, sollte es dann erst Mitte des Jahres und dann Ende des Jahres sein (Grafik 1). Inzwischen wird nur noch eine Verlangsamung erwartet, keine Rezession mehr. Kontinuierlich positives Wachstum hat Ökonomen zermürbt.

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Wie an der Börse, kann dies ein Warnsignal sein. Derzeit ist es das noch nicht. Mit der Zeit werden die Wachstumsprognosen immer weiter nach oben korrigiert. Das tatsächliche Wachstum fällt am Ende noch höher aus als die revidierten Prognosen. Die Fortsetzung dieses Trends ist auch für das abgelaufene Quartal sehr wahrscheinlich (Grafik 2).

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Erst, wenn das tatsächliche Wachstum niedriger ausfällt als erwartet, hat der Trend gedreht. Ökonomen sind dann äquivalent zu Anlegern euphorisch. Das ist noch nicht der Fall. Stattdessen zeigen sich die wirtschaftlichen Lagewerte weiterhin sehr robust. Negatives Wachstum ist fast ausgeschlossen (Grafiken 3 und 4). In Summe (Lage- minus Erwartungswerte) ergibt sich inzwischen sogar wieder eine Trendwende nach oben (Grafik 5). Die US-Wirtschaft dürfte weiterhin deutlich robuster sein, als es die meisten erwarten. Das ist auch für den Aktienmarkt mittelfristig positiv.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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