Kommentar
15:57 Uhr, 12.05.2005

Die Neubewertung des chinesischen Renmimbi

Es ist einfach, Gründe dafür zu finden, weshalb China seine Währung neu bewerten sollte. Die Volkswirtschaft erzielt einen Handelsüberschuss und zieht ein beträchtliches Volumen von Kapitalinvestitionen an. Wegen dieser Kombination müssen die Behörden massive Devisenreserven anhäufen, um die Dollar-Bindung zu halten. Dies führt zu Fragen über die optimale Nutzung der chinesischen Ressourcen, sowie über die Aspekte, wie die Liquidität zu steuern ist und wie man verhindern kann, dass die Intervention in Inflation übergeht.

Diese Probleme haben sich in den letzten Monaten noch verstärkt. Chinas Handelsbilanzüberschuss wächst weiter, vor allem aufgrund einer Exportflut nach dem Auslaufen des Multifaserabkommens. Gründe für eine Neubewertung liegen auch im Kostenvorteil Chinas gegenüber der übrigen Welt. Damit wird das Land zum idealen Produktionsstandort für Kleidung, Textilien und viele elektronische Produkte. All dies wird nicht bestritten, da diese Situation schon seit geraumer Zeit besteht.

Allerdings steigt der Handlungsdruck durch den zunehmenden Druck protektionistischer Kreise in den USA. Es ist durchaus möglich, dass der Gesetzgeber einen Zoll von 27,5% auf chinesische Importe erhebt, wenn Peking nicht innerhalb der nächsten sechs Monate eine Neubewertung vornimmt. Obwohl ein derartiger Druck auch ins Gegenteil umschlagen kann, fördern Kommentare von Entscheidungsträgern in China, die auf eine Veränderung der aktuellen Vereinbarungen hindeuten, die Spekulation des Marktes.

Die Problematik besteht für die Behörden darin, dass sie nichts unternehmen möchten, was die Entwicklung der Wirtschaft bremsen könnte. In dieser Hinsicht erleichtert der wettbewerbsfähige Wechselkurs den reibungslosen Übergang des Arbeitsmarktes von der Landwirtschaft zur Produktionswirtschaft. Daher kann eine signifikante Neubewertung (d.h. über 10%) ausgeschlossen werden. Andererseits könnte eine bescheidene Veränderung riskant sein und eine weitere Spekulationswelle auslösen, weil so keines der Ungleichgewichte, die damit korrigiert werden sollten, angegangen wird.

Voraussichtlich wird es so ablaufen: China könnte von einer Dollar-Anbindung umschwenken auf einen Währungskorb mit einer Veränderung von 2% - 3% gegenüber dem Dollar, und später möglicherweise mehr. Das Risiko weiterer Spekulationen bleibt, aber die chinesischen Behörden werden darauf abzielen, die internationale Gemeinschaft zu besänftigen, ohne ihre eigene Volkswirtschaft zu schädigen. Die Veränderung dürfte auf einen Zeitpunkt festgelegt werden, zu dem sie am wenigsten erwartet wird, vermutlich in einer relativ ruhigen Periode an den Devisenmärkten.

Auswirkung

Aus der Perspektive des Handels wird sich eine derartige Veränderung nur gering auswirken, da China der wettbewerbsfähigste Produzent bleiben wird. Die Auswirkungen auf Exporte oder auf eine Umkehr der Direktinvestitionen aus dem Ausland (FDI) nach China sind zu vernachlässigen. Dies wird belegt durch die Tatsache, dass viele Exportunternehmen in China in die US-Produktionskette integriert sind und sich häufig im Besitz von US-Firmen befinden. Dadurch werden ihre Güterpreise unelastisch, folglich wird sich die US-Handelsposition kaum verbessern. Beim realen Austauschverhältnis ergibt sich ein Gewinn für China, der zur Bezahlung der steigenden Rohstoffkosten beitragen wird. Dagegen erleiden die USA einen Verlust in Bezug auf das reale Austauschverhältnis infolge etwas höherer Preise wegen der schwächeren Währung. Allerdings dürfte dies ein einmaliger Effekt sein und nicht zu einem nachhaltigen Anstieg der Inflation führen.

Dies deutet darauf hin, dass die RMB-Neubewertung - gemessen an den großen Erwartungen - kaum zu Auswirkungen, aber zu Enttäuschungen führen wird. Allerdings könnten zwei indirekte Faktoren von Bedeutung sein.

Erstens könnten andere asiatische Währungen - der koreanische Won, der Taiwan-Dollar und der japanische Yen - aufwerten, da in der Region die Meinung vorherrscht, diese könnten die von China vorgenommene Veränderung auf handelsgewichteter Basis ausgleichen. In einem derartigen Umfeld wird der Euro wahrscheinlich schwächer tendieren, da er nicht länger stellvertretend für die allgemeine Dollar-Schwäche steht.

Zweitens wird sich die größte Unwägbarkeit bei Interventionen am Devisenmarkt abspielen. Sollte China die Interventionen verringern, würde sich dies auf die Renditen der US-Bundesanleihen auswirken und sie in die Höhe treiben. Dies könnte dann auch negativ auf die Aktienmärkte durchschlagen.

Der erste Aspekt der Auswirkungen ist ziemlich wahrscheinlich und wurde in gewissem Maße von den Devisenmärkten bereits vorweggenommen. Der zweite ist weniger wahrscheinlich, da die Neubewertung nach unserer Meinung nicht als Reaktion auf die Ungleichgewichte der Weltwirtschaft gedacht ist. Folglich werden ständige Interventionen am Devisenmarkt erforderlich sein, um die RMB-Anbindung aufrechtzuerhalten, wenn auch auf höherem Niveau.

Quelle: Schroders

Die Schroders-Gruppe ist eine führende internationale Vermögensverwaltungsgesellschaft, die 1804 gegründet wurde. Schroders verwaltet Anlagen für Pensionsfonds, Regierungsbehörden, Wohltätigkeitsorganisationen, Körperschaften, Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen weltweit und ist ein führender Verwalter von Investmentfonds. Schroders bietet Anlagen in allen wichtigen Vermögenskategorien in entwickelten Ländern und Schwellenländern an: Aktien, Schuldtitel, Geldmarktinstrumente, Beteiligungen und Immobilien. Das weltweit verwaltete Vermögen betrug zum 31. März 2004 rund 147,9 Mrd. Euro.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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