Kommentar
16:05 Uhr, 12.07.2023

Die nächste Zinswende-Wette läuft noch

Das Fed-Meeting im Juni hat vermeintlich neue Perspektiven für die Anleihemärkte eröffnet: Stichwort „Higher for longer“. Das sehen die Investoren aber anders.

Erwähnte Instrumente

Anfang Mai hatte ich hier das Szenario für eine neue Zinswende vorgestellt. Danach sollte die Fed in absehbarer Zeit die nächste Zinswende einläuten, indem sie die Zinsen wieder senkt. Dieser These hat sie im Juni vermeintlich eine Absage erteilt. Die Investoren sehen das aber anders.

Trotz „Zinsschocks“ der Fed blieben die Anleihemärkte gelassen

Im Juni hatte die Fed zwar eine Zinspause angekündigt, aber indirekt – anhand ihrer „dot plots“, also den individuellen, aber anonymen Prognosen ihrer Mitglieder – zwei weitere Zinserhöhungen für 2023 in den Raum gestellt. Das wäre eine Verschärfung der Geldpolitik, denn bis dato gingen die Märkte von nur einem weiteren Zinsschritt aus.

Was in den Medien ausführlich diskutiert und als „Gefahr“ eingestuft wurde hat an den Anleihemärkten keine Spuren hinterlassen. Die kurzfristigen Renditen blieben unauffällig:

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Quelle: MarketMaker mit Daten von VWD

Die Rendite der 1-Monats-US-T-Bills machten Anfang Mai, nach der vorangegangenen Fed-Sitzung einen kräftigen Sprung nach oben und bildeten dabei eine große Kurslücke (grau) – sehr ungewöhnlich bei Renditeverläufen. Bereits vor dem jüngsten Fed-Meeting (senkrechte Linie) fiel die Rendite aber wieder und schien damit das Zinswende-Szenario zunächst zu bestätigen.

Die Fed-Entscheidung selbst machte es erst einmal hinfällig: An der 5%-Marke war Schluss mit dem Renditerückgang; die Lücke wurde dadurch bisher nur teilweise geschlossen. Allerdings blieb auch der von den Medien befürchtete Schockeffekt aus – die Renditen liefen zunächst seitwärts und stiegen zuletzt nur allmählich an. Die Investoren an den Anleihemärkten blieben also gelassen.

Die Zinsstruktur normalisiert sich schon

Darauf deuten auch andere Indikatoren hin, z.B. die Zinsstruktur:

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Quellen: US. Federal Reserve Bank, eigene Berechnungen

Zwar stiegen seit dem Juni-Fed-Meeting die Renditen über alle Laufzeiten, aber die inverse Zinsstruktur geht langsam (!) zurück. Das ist an der Differenz zwischen den Hoch- und Tiefpunkten zu erkennen.

Die Normalisierung der Zinsstruktur geht vor allem im kurzfristigen Laufzeitbereich voran: Gegenüber dem Vormonat ist der Verlauf zwischen 6- und 12-Monatsrenditen inzwischen nahezu flach. Und mit einer Normalisierung der Zinsstruktur ist in der Regel ein Rückgang der Renditen verbunden.

Klares Votum der Commercials

Dieser fällt am kurzen Ende stärker aus als am langen; die Renditen der Anleihen mit längerer Laufzeit können dabei zunächst auch noch eine Weile steigen. Aber generell gehen die Anleger offenbar weiterhin von fallenden Renditen aus, denn die Positionierung der Commercials an den US-Terminbörsen für 10-jährige US-Bonds ist weiterhin klar long:

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Quellen: MarketMaker mit Daten von VWD und CFTC

Trotz wieder gestiegener Renditen, also gesunkener Kurse erreichten die Netto-Long-Positionen Ende Juni ihren höchsten Stand seit Ende Februar. Die Profis erwarten also weiterhin steigende Kurse, das bedeutet fallende Renditen. Davon haben sie weder das Fed-Meeting noch die wieder steigenden Renditen abgebracht.

Und trotz des Kursrückgangs der vergangenen Wochen ist die übergeordnete Aufwärtstendenz bei den US-Bonds noch intakt:

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Nach der bullischen Umkehr an der grünen Unterstützung ist sogar wieder die Rückeroberung des bisherigen Aufwärtstrends möglich. Das wäre dann auch charttechnisch ein klares Bullensignal.

So können Sie von der Zinswende profitieren

Die nächste Zinswende-Wette läuft also noch! Damit bietet sich auch Privatanlegern eine Einstiegschance. Zum Beispiel mit ETFs auf kurzfristige (WKN A2PBNP) oder langfristige Staatsanleihen (WKN A0X8SJ). Bei ersterem bewegt sich der Kurs schon in die richtige Richtung, aber dafür ist er auch spekulativer, wenn die Stimmung am Anleihemarkt doch noch dreht. Noch spekulativer ist ein Long-Knockout-Zertifikat, z.B. mit Hebel 13 und Stopp Loss (WKN PE19GN).

Zu beachten ist aber das Wechselkursrisiko. Idealerweise nutzt man daher eine Direktanlage in US-Dollar, wobei dann die Auswahl an ETFs und Derivaten ungleich größer ist.

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Über den Experten

Torsten Ewert
Torsten Ewert

Torsten Ewert hat nach dem legendären Crash von 1987 die Welt der Börse für sich entdeckt – und nach und nach alle Möglichkeiten ausprobiert, die sich engagierten Privatanlegern im Lauf der Jahre anboten: Zunächst neben Aktien also vor allem Hebelprodukte, wie Optionsscheine und Zertifikate, später dann auch Futures, Optionen und CFDs. Seit inzwischen mehr als 15 Jahren arbeitet er erfolgreich als hauptberuflicher Trader, hauptsächlich mit Aktien und Aktienoptionen.

Torsten Ewert macht seinen reichen Erfahrungsschatz auch anderen Anlegern zugänglich. So betreut er seit mehr als 10 Jahren erfolgreich zwei Börsenbriefe für langfristige, strategische Geldanlagen, die sich nach wie vor hoher Wertschätzung durch seine Leserinnen und Leser erfreuen. Darüber hinaus gibt Torsten Ewert auch Seminare und hält Vorträge zu verschiedenen Börsenthemen.

Bei stock3 wird Torsten Ewert hauptsächlich über fundamentale und geopolitische Aspekte des Börsengeschehens schreiben sowie auf Spezialthemen eingehen, wie Insidergeschäfte oder Short-Aktivitäten bei Aktien.

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