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13:53 Uhr, 15.03.2001

Die Marktanalyse- von Bullen und Bären

Selten findet man die beiden Lager der Bullen und Bären so gespalten wie in der aktuellen Situation. Die einen sprechen von der großen Trendwende, dem gefundenen Boden und großen Chancen, die anderen prophezeien langjährige Bärenmärkte, eine kollabierende Weltwirtschaft und viel Leid für den Anleger.

Milton Ezrati gehört zu den erst genannten. Der Fondsmanager, der 40 Milliarden $ verwaltet, ist in den letzten Wochen zu einer bullishen Einschätzung umgeschwenkt, nach dem er sich dem "Dot-com-Wahn" ferngehalten hatte und hat nun sein Portfolio agressiver bestückt.
"Wir befinden uns in einer Situation in der der Markt nicht unbedingt als billig zu bezeichnen ist. Vielmehr scheint er zu realistischen Einschätzungen zurückgekehrt zu sein und bietet gute Werte zu vernünftigen Preisen. Daher sehen wir in der Technologie gute Chancen derzeit", erklärte er.

Andere schütteln indessen unverständlich den Kopf angesichts der verheerenden Abwärtsspirale, die in den vergangenen 12 Monaten 4,9 Billionen $ Investorengelder den Jordan herabgespült hat und deren Ende noch nicht in Sicht ist. Außerdem stehe Japan vor dem finanziellen Kollaps und die Weltwirtschaft befinde sich schon jetzt in einer tiefen Krise, argumentieren sie.
Noch weniger verstehen sie diejenigen, die angesichts dieser Tatsachen jetzt schon wieder zum Kauf blasen.
"Die Leute checken das nicht, wir befinden uns in einem Bärenmarkt", äußerte der Analyst Rick Berry, der im letzten Jahr durch sein Sell-Rating auf Cisco für Aufsehen gesorgt hatte, sein Unverständnis.
"Wie kann man in einer solchen Situation so zum Kauf raten? Wir hatten Jahre prosperierender Börsen, nun sind die Bären an der Reihe. Viel Geld wird man nicht mehr verdienen können, wenn überhaupt. Und was wir gesehen haben ist erst der Anfang", erläuterte er seine Prognose.

Die Daten aus Wirtschaft, Unternehmen und der Anlegerpsyche deuten auf eine Pattsituation hin.
Die Optimisten verweisen auf die nachweislich sehr schlechte Stimmung bei den Investoren, die sich dem Nullpunkt nähere, was bislang als guter Indikator für eine Trendwende war.
Die Pessimisten führen in ihrer Begündung die abstürzende Weltwirtschaft an, die den Markt in den nächsten Jahren in tiefem Bärenterritorium behalten könnte.

Die Bullen um Ezrati wollen zur Zeit eine 180-Grad-Wende im Anlegerverhalten gegenüber dem, was in den letzten Jahren an Ansichten vorherrschte, beobachtet haben. Die Euphorie, die die Hightechwerte in schwindelerregende Kurshöhen getrieben hätte, sei nun vollständig verflogen, statt dessen sei nun das krasse Gegenteil eingekehrt: Alles was nach Hightech oder New Economy aussehe werde fast schon verteufelt, der Begriff von der Crash-Economy sei zum geflügelten Wort avanciert.
Nun sei man auf attraktivem Bewertungsniveau angelangt und die Erwartungen seien sehr tief angesetzt.
Wenngleich viele Bullen darauf hinweisen, daß es der Kursverfall noch einige Tage anhalten könnte. Die wichtigste Erkenntnis sei aber, daß eine Bodennäähe zu verspüren sei und die abschlieeßende Bodenbildung kurz und schmerzlos ablaufen würde.
"Genauso schnell wie es weiter nach unten geht, werden wir wieder hochkommen", glaubt Ezrati.
"Ich fühle den Boden unter den Füßen", meint er, "die Leute verhalten sich genau konträr zu dem was sie vor einem Jahr noch geglaubt haben. Der Hype konnte genauso wenig gut gehen wie die aktuelle Stimmung anhalten kann. In beiden Fällen wurden die fundamentalen Bewerungsmaßstäbe durch Übertreibungen ad absurdum geführt", lauten seine Argumente.

In der Tat hat sich die Stimmung in den letzten Wochen noch einmal radikal verschlechtert.
Im Schnitt glauben Analysten beispielsweise beim breitgefächerten S&P500, der alle Sektoren beinhaltet, an einen 6,3%-Rückfall der Unternehmensgewinne im ersten Quartal und an einen Rückgang von 4% durchschnittlich im zweiten Quartal, jeweils auf das Jahr bezogen.
Die gleichen Analysten gingen vor zwei Wochen noch von einem 3,6%-igen Rückgang im ersten Quartal und einem 1,7%-igen Abfall im zweiten Quartal aus.

Die Bären können diese Argumente angesichts der vermeintlich bedeutsameren Wirtschaftsgefahr nicht verstehen.
"Da gibt es noch so viele Unsicherheiten, wie um alles in der Welt kann man jetzt in dieser Lage von einem Boden sprechen?, meint oben zitierter Berry. "Das ist bestimmt nicht die richtige Zeit um Aktien zu kaufen, tut mir leid. Ihr wollt den Boden eines Bärenmarktes austesten, na bitte, geht voran, rennt Euch das Hirn ein, aber beschwert Euch im Nachinein nicht", ruft er den Bullen zu.

Nach Berry´s Prognosen wird der Nasdaq bei 1000 bis 1200 Punkten einen Boden finden, der Dow wird auf 7500 bis 8000 Punkte herunterlaufen. Eine nachhaltige Trendwende am Aktienmarkt sieht er frühestens im Jahre 2002.

Die Wirtschaftsdaten gaben ihm bislang recht, die stets auf eine im Sinkflug befindliche Konjunktur hindeuteten. Auch Präsident Bush zeigte sich besorgt über die Lage der US-Wirtschaft, obwohl er beteuerte, nach wie großes Vertrauen in sie zu haben.

"Es besteht immer noch eine große Gefahr für eine Rezession", glaubt Fondsmanager Jay Mueller, der 45 Milliarden $ verwaltet. "Wir befinden uns gerade auf der Kippe zwischen Bewertungskorrektur und einer ausartender Rezession", meint er zu wissen.

Die jünsgten Meldungen aus Japan scheinen indessen den Bären weiter unter die Arme zu greifen.

"Wenn ein Boden erstmals gefunden ist, bleibt uns immer noch genug Zeit, in die Märkte einzusteigen, die Aktien verschwinden nicht von heute auf morgen", lautet der Tenor der Bären.

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