Kommentar
13:45 Uhr, 22.10.2014

Die Krise nach der Krise

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  • Seit einigen Wochen gibt es eine neue Eurokrise auf den Märkten.
  • Sie ist noch relativ klein. Sie kann aber, wenn man nicht aufpasst, größer werden.
  • Die Struktur der neuen Eurokrise unterscheidet sich in wichtigen Punkten von dem, was vor vier Jahren begann. Daher sind auch die Konsequenzen für Anleger andere.

Eine Ursache für die gegenwärtige Verunsicherung der Märkte ist die unbefriedigende Entwicklung in Europa in den letzten Monaten. Es gibt Indizien, dass das Ge­spenst der Eurokrise wieder zurück ist. Die Lage auf dem alten Kontinent ist, so schrieb die Süddeutsche Zei­tung vergangene Woche, so ernst wie seit zwei Jahren nicht mehr. Ist das richtig? Stehen wir wieder am Anfang einer neuen Krise und müssen uns auf Jahre mit Nacht­sitzungen in Brüssel und schmerzhaften Reparatur­ar­beiten einstellen?

Meine Antwort: Ja, es gibt eine neue Krise in Europa. Wichtigstes Indiz ist, dass kein Kapital mehr aus dem Ausland auf den Kontinent kommt. Aber nein, das ist keine Neuauflage der Ereignisse, wie wir sie 2010 hat­ten. Es ist – jedenfalls bisher – kleiner, weniger gefähr­lich und unterscheidet sich in wichtigen Punkten. Es er­scheint nur deshalb so dramatisch, weil die erste Euro­krise noch nicht vorbei ist. Hier die Gründe:

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Schauen Sie sich zunächst die Target-Salden im Euro­päischen Zahlungsverkehr in der Grafik an. Sie sind ein guter Indikator für die Lage in der Währungsunion. Ich habe das in meinem neuen Buch "40 Geldfallen, die Sie bes­ser vermeiden" ausführlich beschrieben. Diese Sal­den sind bis 2012 auf EUR 750 Mrd. gestiegen. Sie ha­ben sich seitdem bis auf EUR 450 Mrd. verringert. In den letzten zwei Monaten haben sie sich gerade mal um EUR 36 Mrd. erhöht (5 % der ursprünglichen Größen­ordnung).

Das sieht nicht nach einer neuen Krise aus. Es ist eher eine Unterbrechung des vorherigen Besserungsprozes­ses. Freilich besteht die Gefahr, dass es, wenn wir nicht aufpassen, größer wird.

Wichtig ist ferner: Anders als in der ersten Eurokrise geht es jetzt nicht mehr um die Existenz der Gemein­schaftswährung. Sie steht nirgendwo mehr zur Disposi­tion. Kaum jemand will zu den früheren nationalen Wäh­rungen zurück. Was allenfalls gefordert wird ist, dass Griechenland aus der Währungsunion austreten sollte. Aber es ist nicht zu erwarten, dass sich dadurch die jetzigen Probleme nachhaltig bessern würden.

Manche argumentieren, der Euro sei aber an den Devi­senmärkten schwach geworden. Natürlich hat sich der Wechselkurs der Gemeinschaftswährung zuletzt abge­wertet. Aber das ist keine Schwäche, sondern allenfalls eine Korrektur früherer überzogener Aufwertungen. Mit Kursen von 1,27 Dollar je Euro ist der Euro immer noch stark. Die Kaufkraftparität liegt nach OECD-Berechnun­gen bei 1,11 Dollar.

Die Ursachen der Krise sind andere als früher. Im Mittel­punkt stehen nicht die zu hohen Staatsschulden. Es sind vielmehr in erster Linie die schwache Konjunktur und die Gefahr einer Deflation. Manche sprechen daher nicht von einer Eurokrise, sondern von einer Eurokonjunktur­krise. So etwas lässt sich leichter reparieren und dauert – weil zyklisch bedingt – in der Regel auch nicht so lan­ge.

Freilich darf man sich die Sache nicht zu einfach ma­chen. Zwei Dinge beunruhigen mich. Das eine ist die Weigerung (oder Unfähigkeit) der französischen Regie­rung zu Strukturreformen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Zudem hält sich Paris nicht mehr an die Regeln der Währungsunion. Das zweite ist, dass in Ita­lien zuletzt Bonitätsprobleme aufgetaucht sind. Es gibt Anzeichen, dass die Bereitschaft der europäischen

Banken abnimmt, Forderungen gegenüber Italien in die Bü­cher zu nehmen. Der negative Target-Saldo Italiens ge­genüber der Europäischen Zentralbank hat sich im Au­gust/September um EUR 67 Mrd. erhöht. Beides ist ernst zu nehmen. Es zehrt am Vertrauen in die gemein­same Währung. Zudem stellt es die Funktionsfähigkeit der Geldpolitik in Frage.

Die betroffenen Staaten sind in der neuen Eurokrise an­dere. Im Mittelpunkt stehen nicht mehr die Peripherie­länder Irland, Portugal und Spanien. Sorgenkinder sind eher die Staaten in der Mitte Europas, also Deutschland und Österreich sowie Frankreich und Italien. Spanien wird in diesem und im nächsten Jahr stärker wachsen als Deutschland. Nur Griechenland war damals wie heu­te ein Problem.

Auslöser der Krise ist nicht die Zahlungsunfähigkeit ein­zelner Staaten. Entstanden ist die Situation vielmehr durch Kapitalabzüge nach dem Ende der sogenannten "Recovery Trades". Das waren Geldanlagen (unter an­derem amerikanischer Hedge-Fonds), die von der Ver­besserung auf den europäischen Märkten im Zuge des Abklingens der Eurokrise profitieren wollten. Sie hatten Anleihen und Aktien der Peripherieländer gekauft und konnten sie im Sommer mit erheblichen Gewinnen ver­kaufen. Diese Kapitalabflüsse sind jetzt weitgehend zu Ende. Nach Befragungen amerikanischer Fondsgesell­schaften ist die Übergewichtung Europas in den Port­fo­lien weitgehend abgebaut.

Für den Anleger

Für eine Flucht aus dem Euro, die bei der ersten Euro­krise von manchem in Erwägung gezogen wurde, gibt es keinen Anlass. Die Währung ist stabil und wird nicht zer­brechen. Man sollte auch nicht alle Euro-Anlagen in Ak­tien und Renten in Frage stellen. Es gibt Märkte (zum Beispiel Spanien), in denen die Regierungen ihre Haus­aufgaben gemacht haben und die sich wirtschaftlich gut entwickeln werden (es bleiben dort allerdings politische Risiken). Freilich ist die Nervosität der Anleger groß. Es kann daher zunächst noch zu größeren Schwankungen kommen. Es empfehlen sich daher defensivere Anlagen. Innerhalb Europas kommen auch Anlagen in Frage, die von dem neuen Trend zur privaten Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen profitieren.

Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen: martin.huefner@assenagon.com.
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Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.

Assenagon Asset Management S.A., Zweigniederlassung München, Prannerstraße 8, 80333 München, Deutschland

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