Kommentar
15:18 Uhr, 19.05.2023

Die Kreditvergabe stockt - den Aktienmarkt kümmert das NOCH nicht

Die Bedeutung, die die Kreditverfügbarkeit für die Wirtschaft und den Aktienmarkt hat, lässt sich kaum überschätzen. Zu oft wird sie allerdings unterschätzt.

Ohne Kredit geht wenig. Selbst kerngesunde Unternehmen sind auf Kredit angewiesen. Das gilt ebenso für Haushalte. Selbst diejenigen, die ein stetiges und gutes Einkommen haben, können ohne Kredit kaum ein Haus kaufen. Viele brauchen den Kredit auch für kleinere Investitionen.

Ist es schwerer, an Kredit zu gelangen, schwächt dies das Wirtschaftswachstum automatisch ab. Weniger Kredit bedeutet weniger Nachfrage, etwa auf dem Immobilienmarkt oder in der Autoindustrie. Es bedeutet auch, dass Unternehmen Investitionen überdenken oder streichen.

Die vierteljährliche Umfrage unter Banken, ob die Kreditvergabekriterien verschärft oder gelockert werden, erhielt daher bei der jüngsten Veröffentlichung besondere Aufmerksamkeit. Es war die erste Veröffentlichung nach Beginn der Bankenkrise. Schlimmes wurde befürchtet.

Zur großen Überraschung verschärften Banken die Kriterien im Vergleich zum vierten Quartal 2022 kaum. Der Anteil an Banken, die für Unternehmenskredite ihre Kriterien verschärften, stieg lediglich von 43,8 % auf 46,7 %. Ein Quartal zuvor ging es um über zehn Prozentpunkte nach oben. Der Anstieg im ersten Quartal ist fast statistisches Rauschen.

Viele hatten den großen Knall erwartet. Dass dieser nicht kam, wurde zum Teil mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. Andere, wie auch die Notenbank, atmeten auf. Eine akute Kreditklemme ist nicht zu erkennen. Dabei werden zwei Aspekte vergessen.

Zum einen ist der Anteil an Banken bereits sehr hoch. Das Wachstum sollte bestenfalls stagnieren. Dabei geht die Kreditvergabe dem Wachstum um zwei Quartale voraus (Grafik 1). Im dritten Quartal sollte die US-Wirtschaft gegenüber dem Vorjahr zwischen -2 % und 0 % wachsen. Das sind keine guten Neuigkeiten.

Zum anderen ist ein Großteil der Bankenkrise in den Daten noch nicht reflektiert. Nicht jede Bank wird befragt und die Beantwortung der Fragen fand zum Teil vor der Krise statt. Entwarnung gibt es nicht. In der Vergangenheit haben weitaus weniger dramatische Werte als jetzt Rezessionen herbeigeführt (Grafik 2).


Weniger Kredit bedeutet weniger Wachstum. Wächst die Wirtschaft erst langsamer oder schrumpft, dauert es noch zwei Quartale, bis die Arbeitslosenrate steigt. Kreditvergabekriterien gehen der Arbeitslosenrate um vier Quartale voraus (Grafik 3).

Wer sich nun fragt, welche Bedeutung das für den Aktienmarkt hat, muss nicht lange rätseln. Aktien sind volatiler als die Kreditvergabe von Banken. Generell tendieren beide in die gleiche Richtung (Grafik 4).

Derzeit steigt der S&P 500, während Banken den Kredithahn zudrehen. Das ist eine Neuheit. Den umgekehrten Fall gab es immer wieder. Aktien können auch fallen, selbst wenn Kredit verfügbar ist. Andersherum, wie jetzt, ist neu. Im Zweifelsfall würde ich darauf wetten, dass die Kreditverfügbarkeit richtiger liegt als die Kursentwicklung der letzten Wochen.

Durch die verzögerte Wirkung auf die Wirtschaft (zwei Quartale), wird der Einfluss von Kredit unterschätzt. Genau das geschieht in diesen Tagen wieder.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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