Kommentar
00:00 Uhr, 16.08.2007

Die Kernschmelze könnte erst noch bevor stehen!

Weltweit ruppige Aktienmärkte, nachdem wir noch vor wenigen Wochen ein Allzeithoch beim DAX von 8151 Punkten aufstellten./> Seither geht’s nun ständig bergab. Doch was ist bislang passiert? Nun, es gibt eine immer offensichtlichere Schieflage bei den US-Hypothekenfinanziers. Plötzlich merkt man, dass die Refinanzierungen von milliardenschweren Private-Equity-Deals nicht mehr ruckizucki funktionieren. Die Restrukturierung von vielen schlechten Risiken durch Neuverpackung (CDO = Collateralized Debt Obligations = besicherte Schuldverschreibungen) scheint von den Märkten auch mehr und mehr als Taschenspielertrick durchschaut zu werden.

Das hat zur Folge, dass hier in erster Linie Banken davon betroffen sind. Sie haben sich nämlich in diesen CDOs und allen artverwandten Produkten massiv engagiert. Für die hiesige IKB musste schon ein Milliarden-Rettungspaket geschnürt werden. Aber es ging in den letzten Tagen munter weiter. BNP Paribas hat vorübergehend die Rücknahme von Anteilen einiger Fonds wegen der US-Hypothekenkrise eingestellt. Wegen mangelnder Liquidität im amerikanischen Markt könne der Fondswert nicht berechnet werden. Eine potenzielle Schieflage gibt es auch bei der WestLB: Die WestLB-Tochter Brightwater verfügt über strukturierte Finanzierungen im Volumen von satten 35 Mrd. USD – ein Wert, der das Eigenkapital deutlich übersteigt. Obwohl in diesem Betrag auch Subprime-Kredite enthalten sind, wurden hierfür keinerlei Rückstellungen gebildet. Die BaFin nahm vergangene Woche die turmhohen Risiken bei der Landesbank Sachsen ins Visier: Das Finanzinstitut wird bei einem Eigenkapital von nur 1,5 Mrd. EUR in einer brisanten Analyse von S&P als einziger Liquiditätsspender der Firma Ormond Quay Funding (Kapitalausstattung: 17,5 Mrd. USD) aufgeführt.

Die Europäische Zentralbank EZB, FED und die Bank of Japan haben in den letzten Tagen ganz kurzfristig riesige Geldmengen bereitgestellt, um das Bankensystem mit Liquidität zu versorgen. Bedenken Sie: Das war eine Aktion, wie es sie seit den Tagen nach dem Terroranschlag am 11. September 2001 nicht mehr gegeben hat!

Wenn Sie das so lesen, möchte ich Ihnen damit erstens mitteilen: Es gibt eine klare Schieflage einer (!) Asset-Klasse auf der Welt – und zwar die der US-Immobilien. Dementsprechend gehen inzwischen diverse Fonds und US-Immobilienaktien den Bach runter. American Home Mortgage war noch vor einem viertel Jahr ein Milliarden-Unternehmen – jetzt ein insolventer Pennystock-Wert.

Ich will Ihnen damit aber auch zweitens sagen: Der Rest der weltweiten Industrien – Automobil-, Hightech- oder Rohstoff-Branche, um nur ein paar Beispiele zu nennen – befindet sich weiter in einem nach wie vor andauernden Konjunkturaufschwung. Der wird auch noch weiter anhalten. Das Gros der Unternehmen aus diesem Segment verzeichnet steigende Gewinne, und das dürfte auch in der nächsten Zeit noch so bleiben.

Aber wir dürfen natürlich nicht die Augen vor den Ereignissen auf dem Finanzmarkt verschließen. Fonds und Banken, die sich im US-Immobiliensektor verspekulierten, müssen jetzt einfach andere Asset-Klassen auflösen, um liquide zu bleiben. Wer hier also über kurz oder lang wen mit runterzieht ist schwer zu sagen. Ich gehe deshalb davon aus, dass wir die Nachwehen der letzten Beben noch einige Zeit zu spüren bekommen. Denn im Prinzip ist ja in den Indizes noch nichts passiert. Der Dow Jones steht erst läppische 5% unterm Allzeithoch, der DAX hat gerade erst mal runde 10% abgegeben. Das ist eine Korrektur, und kein Crash!

Allerdings muss ich auch konstatieren: Wenn die Notenbanken die Probleme der notleidenden Kredite nicht bald in den Griff bekommen, dann steht einem neuerlichen Abschwung nichts entgegen. Wir müssen uns also darauf einstellen, dass der eigentliche Einbruch wohl erst noch kommt. Im August wird noch geflickschustert, gelogen, verbogen, geheftelt und übertüncht, aber danach kommt die Wahrheit ans Licht. Saisonal bietet sich der September sowieso wie kein anderer Monat dafür an. Im Herbst ist dann nach dem Gewitter wieder echtes Investieren und Stockpicking angesagt.

Falls die Kernschmelze kommt: Trennen Sie sich also beizeiten von den ein oder anderen gut gelaufenen Engagements. Beziehungsweise ziehen Sie auf jeden Fall Ihre Stopploss-Levels megaeng nach. Und ein Put-Optionsschein oder Dax-Short-Zertifikat zur Depotabsicherung dürfte auch nicht schaden.

Autor: Engelbert Hörmannsdorfer - Chefredakteur des Betafaktor.de

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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