Die Immobilienbranche vor dem nächsten Boom?
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Kommt bald die Rakete am Immobilienmarkt?
Seit dem jüngsten Zinserhöhungszyklus stehen deutsche Immobilienwerte wie Vonovia, LEG Immobilien und Deutsche Wohnen massiv unter Druck. Aktuell stabilisieren sich die Kurse jedoch und mit der Aussicht auf mögliche Zinssenkungen eröffnet sich hier womöglich ein erhebliches Kurspotential. Allerdings steht die Branche vor enormen Herausforderungen: Die aggressiven Expansionsstrategien und umfangreichen Immobilienkäufe haben zu einem Anstieg der Verbindlichkeiten geführt. Die gestiegenen Zinsen schmälern die Gewinne und trüben die Stimmung in der Branche ein. Um die Gesundheit und Profitabilität der Immobilienbranche besser zu verstehen, werfen wir einen Blick auf das Geschäftsmodell und die Fundamentaldaten einiger Unternehmen in der Branche. Inwiefern können Zinssenkungen die Immobilienbranche beflügeln und welche Unternehmen sind am besten gewappnet, um mit vielleicht dauerhaft hohen Zinsen zurechtzukommen?
Das Geschäftsmodell
Unternehmen der Immobilienbranche kaufen, entwickeln, verwalten und verkaufen Immobilien. Gewinne werden erzielt, indem Immobilien erworben werden, deren Wert anschließend durch Renovierungen oder Entwicklungsprojekte aufgewertet wird. Die nun wertgesteigerten Objekte werden anschließend weiterveräußert. Anderseits erzielen die Unternehmen Gewinne durch die längerfristige Vermietung von Immobilien. Diese Nettogewinne schwanken stark, da der Wert des Immobilienportfolios der Unternehmen Angebot und Nachfrage unterlegen ist. Vonovia beispielsweise konnte 2020 aufgrund unrealisierter Gewinne von fast 3,8 Milliarden Euro eine Nettomarge von über 78 % aufweisen. 2022 machte Vonovia trotz stark gestiegenem Umsatz einen Verlust von über 640 Millionen Euro, unter anderem aufgrund unrealisierter Verluste von fast 1 Milliarde Euro. Verantwortlich dafür sind die gestiegenen Zinsen. Diese haben zu einer Abkühlung des Immobilienmarktes geführt. Eigentum wurde schlichtweg zu teuer. Die Nachfrage brach ein und das Immobilienportfolio von Vonovia verlor an Wert. Hohe Zinsen bergen allerdings noch weitere Gefahren und Herausforderungen.
Deutsche Wohnen und Vonovia
Als kleiner Exkurs wollen wir noch kurz auf die Übernahme der Deutschen Wohnen durch Vonovia eingehen, denn Vonovia ist seit Ende 2021 zu 86,87 % an dem Deutsche Wohnen Konzern beteiligt. Nur 12,29 % der Deutsche Wohnen AG sind noch frei handelbar. Die Integration der Deutschen Wohnen wurde zum 1. Januar 2023 abgeschlossen.
Mehr über Vonovia gibt’s auch in unserem letzten Interview mit der Managementebene von Vonovia.
Fakten und Zahlen zur Übersicht
Stammdaten
Vonovia | LEG Immobilien | Deutsche Wohnen | |
ISIN | DE000A1ML7J1 | DE000LEG1110 | DE000A0HN5 |
Marktkapitalisierung | 16,8 Mrd. EUR | 4,6 Mrd. EUR | 8,8 Mrd. EUR |
Index | DAX | MDAX | SDAX |
Bewertungskennzahlen
Vonovia | LEG Immobilien | Deutsche Wohnen | |
KGV | – | – | – |
KUV | 2,57 | 3,84 | 5,22 |
KBV | 0,64 | 0,6 | 0,59 |
Leistungskennzahlen
Vonovia | LEG Immobilien | Deutsche Wohnen | |
EPS | -4,87 | -13,9 | -3,42 |
FFO | 965 | 226 | 297 |
Die aktuellen Halbjahresberichte der Immobilienkonzerne zeigen, dass die Unternehmen momentan keinen Gewinn machen. Die Unternehmen haben alle negative EPS. Insbesondere LEG Immobilien hat aufgrund von Abschreibungen und Wertminderungen des Immobilienportfolios hohe Verluste gemacht. Nichts desto trotz sind die Unternehmen anhand des Kurs-Umsatz- und des Kurs-Buchwert- Verhältnisses momentan günstig bewertet. Die in der Immobilienwirtschaft wichtige Kennzahl FFO (Funds From Operations, deutsch: operatives Ergebnis) fasst den Jahresüberschuss mit Ab- und Zuschreibungen, nicht liquiditätswirksamen Kosten und den Gewinn aus Veräußerungserlösen zusammen. Aus diesem operativen Ergbnis speist sich auch die Dividende. Positiv anzumerken ist hierbei, dass die Marge der FFO aus dem Umsatz bei allen Unternehmen sehr gut ist und die letzten Jahre auch stabil war. Die soliden Umsatz und EBITDA Wachstumsraten beweisen das stabil laufende operative Geschäft. Insbesondere das hohe Umsatzwachstum, aufgrund vieler Akquisitionen in den letzten Jahren, hatte einen positiven Einfluss auf das operative Geschäft. Auf der anderen Seite wurden so auch hohe Schulden angehäuft, die nun mit den gestiegenen Zinsen zu einem Problem geworden sind.
Der deutsche Immobilienmarkt
Seit 2015 hat die EZB den Leitzins unangetastet bei 0 % belassen. Aufgrund dessen konnte die Immobilienbranche florieren. Mit dem billigen Geld haben Unternehmen wie Vonovia, LEG Immobilien oder Deutsche Wohnen, aber auch Privatpersonen, massiv in den Immobilienmarkt investiert und Eigentum erworben, ohne hohe Zinsen auf die Kredite zahlen zu müssen. Die Immobilienpreise sind aufgrund der hohen Nachfrage stark gestiegen, was bei den Unternehmen zu hohen Gewinne angesichts der Aufwertung ihrer Immobilienportfolios geführt hat. Insbesondere Eigentumswohnungen sind die letzten Jahre im Wert gestiegen.
In ganz Deutschland, aber vor allem in Großstädten, ist Wohnraum ein knappes Gut. Eigentum ist teuer und fast die Hälfte der Deutschen wohnen zur Miete. Deutschland liegt mit nur 51 % Eigentumsanteil deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 69 % Eigentumsanteil (Stand 2019). Die Immobilienunternehmen haben daher nur eine geringe Leerstandsquote von ca. 2 % und organische Mietsteigerungen von durchschnittlich mehr als 3,5 %.
Das Problem mit den Zinsen
Das Positive zuerst: Auch wenn auf den ersten Blick hohe Zinsen die Immobilienbranche vor enorme Herausforderungen stellen, so bieten sie möglicherweise fundamental auch eine Chance. Beim Vergleich der Entwicklung von Eigentums- und Mietpreisen fällt auf, dass die jüngsten Zinserhöhungen die Eigentumspreise gesenkt haben. Die Mietpreisentwicklung hat sich allerdings nicht verändert. Die Mieten steigen ununterbrochen weiter, da die Nachfrage nach Wohnraum hoch bleibt, viele sich allerdings kein Eigentum leisten können und folglich zur Miete wohnen müssen. Immobilienkonzerne profitieren von dieser Nachfrage, was sich in der positiven Entwicklung des bereinigten operativen Ergebnis widerspiegelt (siehe Leistungskennzahlen). Nichts desto trotz haben Zinsen einen negativen Einfluss auf die Immobilienbranche, was sich beispielsweise auch am Aktienkurs von Vonovia zeigt:
Seit die Federal Reserve bereits Anfang 2022 den Leitzins angehoben hat, um die ausufernde Inflation einzudämmen und wenige Monate später die EZB nachzog und auch den Leitzins anhob, kannte die Immobilienbranche nur noch eine Richtung: abwärts. Hohe Zinsen verlangsamen Investitionen in Modernisierungen und Sanierungen und verhindern den Neubau von Immobilien quasi komplett. Außerdem ist der Wohnungsbaumarkt im letzten Jahr stark eingebrochen. Laut dem Statistischen Bundesamt ist die Zahl der Baugenehmigungen für Zweifamilienhäuser im Zeitraum von Januar bis April 2023 um über 50 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken. Auch die Baugenehmigungen für Mehrfamilienhäuser sind um mehr als ein Drittel zurückgegangen. Ein weiteres Problem der gestiegenen Zinsen ist die Verringerung des Wertes der Immobilienportfolios der Unternehmen. Diese unrealisierten Verluste sorgen für Einbrüche in den Bilanzen der Unternehmen.
Vonovia | LEG Immobilien | Deutsche Wohnen | |
Nettoverschuldung | 43,4 | 9,1 | 8,44 |
Nettoverschuldung/EBITDA | 16,0x | 15,2x | 10,9x |
Die Unternehmen haben in den letzten Jahren aufgrund hoher Akquisitionen und teuren Expansionsstrategien einen Berg voll Schulden angehäuft. Solange die Zinsen niedrig blieben, war das kein größeres Problem. Seitdem die Zinsen aber sprunghaft gestiegen sind, haben die Unternehmen eine teilweise um bis zu 60 % höhere Zinslast zu tragen. Auch wenn die Unternehmen letztes Jahr ihre Schulden in langfristige Verbindlichkeiten umgeschichtet haben und die Kredite refinanziert wurden, müssen die Unternehmen sich möglicherweise vom billigen Geld und ihren aggressiven Expansionsstrategien verabschieden.
Fazit
Inflation, Zinsentwicklung und damit Geldpolitik bleiben
wesentliche Treiber für das Investitionsgeschehen;
fundamentaler Rahmen des Geschäfts unverändert
positiv.
Halbjahresbericht H1 2023 Vonovia
Zusammenfassend zeigt die Analyse der Immobilienbranche in Deutschland, dass sie derzeit mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert ist. Die jüngste Erhöhung der Zinsen hat zu einem Rückgang der Immobilienwerte und Aktienkurse der Unternehmen geführt. Die Unternehmen haben hohe Schulden aufgrund ihrer aggressiven Expansionsstrategien und umfangreicher Immobilienkäufe angehäuft. Die gestiegenen Zinsen haben die Gewinne geschmälert und die Bilanzen belastet. Trotz dieser negativen Aspekte könnten Zinssenkungen in der Zukunft eine positive Wende für die Immobilienbranche bewirken. Die starken Fundamentaldaten der Unternehmen könnten ihnen helfen, besser auf dauerhaft erhöhte Zinsen zu reagieren. Es ist anzumerken, dass die negativen Auswirkungen der gestiegenen Zinsen bereits in den aktuellen Bewertungen und Aktienkursen eingepreist sind, was Raum für Erholung und Kursanstiege bieten könnte, wenn sich die Bedingungen verbessern. Der Immobilienmarkt in Deutschland hat in den letzten Jahren von niedrigen Zinsen profitiert, was zu steigenden Immobilienwerten und Investitionen geführt hat. Die hohe Nachfrage nach Wohnraum, insbesondere in Ballungsgebieten, hat zu steigenden Mietpreisen beigetragen, was wiederum die Immobilienkonzerne begünstigt hat. Dennoch haben die gestiegenen Zinsen den Wohnungsbau verlangsamt und die Unternehmen vor die Herausforderung gestellt, mit ihren Schulden umzugehen. Es bleibt abzuwarten, wie die Geldpolitik sich weiterentwickelt und welche Auswirkungen sie auf den Immobilienmarkt haben wird. Eine Kombination aus möglichen Zinssenkungen und angepassten Geschäftsstrategien könnte dazu beitragen, die Branche wieder auf Wachstumskurs zu bringen und die Aktienkurse wieder zu befeuern.
Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte
Der Autor ist in den folgenden besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse investiert: Vonovia