Die Fed am Pranger der Weltöffentlichkeit
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Der Gipfel der großen 20 (G20) in Seoul sollte aus Sicht der USA zum Druckkessel für China werden. Die Front gegen China war offen ersichtlich – der Schuss ging aber nach hinten los.
Der Gipfel der großen 20 (G20) in Seoul sollte aus Sicht der USA zum Druckkessel für China werden. US-Finanzminister Geithner koordinierte im Vorfeld des Ministergipfels eine gemeinsame Front gegen China und signalisierte, dass Euro und Yen ausreichend hoch bewertet seien. Außerdem machte er den Vorschlag, Handelsüberschüsse weltweit einheitlich zu begrenzen, und zwar auf 4% der Wirtschaftsleistung des jeweiligen Landes. Nur Rohstoff exportierende Länder sollen von dieser Regelung ausgenommen werden. Die Front gegen China war offen ersichtlich – der Schuss ging aber nach hinten los. Die G20 wurden zu einer Beschwerdeplattform gegen QE2 der US-Notenbank. Auch in den Tagen nach G20 hagelt es Kritik, auch aus Berlin. Die USA hätten bereits „unendlich viel Geld in die Wirtschaft gepumpt“, klagt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, die Ergebnisse seien aber „trostlos“. Die Maßnahmen würden nur „zusätzliche Probleme schaffen“.
Schäuble ist erbost über die US-Geldpolitik. Zu Recht: Auch Deutschland wurde auf der Weltbühne vor zehn Jahren abgeschrieben. Die Industrie wanderte nach Asien oder Osteuropa ab, unbewegliche Staatsbetriebe mit hohen Kostenstrukturen verlangsamten das Wachstum. Nur wenige hatten Deutschland als Wachstumsmotor auf der Agenda. Zu Unrecht, wie sich heute herausstellt. Wir haben die Kosten dramatisch gesenkt und Staatsbetriebe privatisiert und an die Globalisierung angeschlossen. Mit niedrigen Kosten und Preismacht können wir heute von den Früchten des Exportbooms profitieren. Die USA haben ähnliche Probleme wie wir vor zehn Jahren. Sie setzen aber nicht auf Strukturreformen (oder können es nicht mehr nach Obamas Wahldebakel) und machen ihre Probleme zu einer Wechselkursfrage. Statt Restrukturierung suchen die USA nach einer schnellen Lösung, die es nicht gibt.
Die Nationen der Erde schichten Sandsäcke gegen eine kommende Flut billigen Geldes auf, schreibt Andi Xie, unabhängiger Volkswirt aus Asien. Australien hat gerade erneut seine Leitzinsen angehoben. China hebt die Mindestreservesätze an. Die Märkte eskomptieren vier chinesische Leitzinserhöhungen in den kommenden zwölf Monaten. Auch Indien hat an der Zinsschraube gedreht. Hongkong fürchtet, dass das „hot money“ aus dem Ausland den Immobilienmarkt verzerrt, spekulativ überhitzt und zum Platzen bringen wird. QE2 scheint jede Nation der Erde, besonders aber die schnell wachsenden Schwellenländer, von der Notwendigkeit von Zinserhöhungen und Kapitalkontrollen überzeugt zu haben, um Inflation und schädliche Spekulationsblasen zu verhindern.
Die Federal Reserve steht enorm unter Druck. Nach der verlorenen Zwischenwahl hat die Regierung Obama die Kontrolle über das Repräsentantenhaus verloren, was die Verabschiedung dringend notwendiger Strukturreformen in den USA um mindestens zwei Jahre verzögern dürfte. Die Federal Reserve dürfte – so wird es zumindest in US-Medien wie dem „Wall Street Journal“ dargestellt – angehalten sein, vermehrt Wirtschaftspolitik zu machen. Das hat wohl auch William C. Dudley, Präsident der Federal Reserve Bank of New York, im Sinne, wenn er darüber klagt, dass Unsicherheit über die Wirtschaftspolitik der Regierung Obama die Konjunkturerholung lähme. QE2 solle seiner Meinung nach aber nicht dazu dienen, „den Dollar zu schwächen“, sondern solle eine „schnellere, stärkere Erholung der Wirtschaft“ auslösen, was auch gut für das weltweite Wachstum sei. Neben Dudley haben sich auch andere Mitglieder der Federal Reserve an die Öffentlichkeit gewandt, um ihre Geldpolitik zu erklären. Die „New York Times“ bezeichnet die Tatsache, dass sich die Fed dazu hinreißen lässt, sich zu rechtfertigen, als „ungewöhnlich“. Eine Institution wie die Fed muss sich nicht rechtfertigen, zumindest galt das in der Vergangenheit. Auch Kenneth A. Froot, der International Finance an der Harvard Business School unterrichtet, bezeichnet es als einen „extrem seltenen Umstand“, dass „die grundsätzliche Autorität, die wir Institutionen wie der Fed zugestehen, mehr als jemals zuvor an den Pranger gestellt wird“ von Politikern und Volkswirten, die selbst eine Parteizugehörigkeit haben.
Die Zeitung spekuliert, dass die Federal Reserve um ihre Glaubwürdigkeit und um ihre zukünftige Unabhängigkeit bei der Geldpolitik kämpfe. Auch die Vizepräsidentin der Federal Reserve, Janet L. Yellen, ist „nicht glücklich darüber, dass wir in einer politischen Debatte feststecken.“ Wie geht es mit der Fed weiter? Diskutieren Sie mit uns!