Kommentar
09:05 Uhr, 15.03.2016

Die EZB kann doch noch zaubern

Nach einer eintägigen Findungsphase kam der Markt dann doch noch zu dem Schluss, dass die EZB handlungsfähig ist und die beschlossenen Maßnahmen gut sind. Wie gut sind sie aber wirklich?

Einige Beobachter gehen davon aus, dass die EZB in der Pressekonferenz ein klares Signal gegeben hat. Dieses Signal kam nicht von den Maßnahmen, sondern von einem Satz, den Draghi sagte. Sinngemäß sagte er: die Zinsen werden vorerst nicht weiter gesenkt. Das führte zu einem raschen Stimmungsumschwung. Die Marktreaktion auf die beschlossenen Maßnahmen war zunächst positiv, doch als Draghi zu sprechen begann vollführte der Markt eine 180° Wende.
Persönlich stimme ich nicht mit den Analysten überein, die die Aussage Draghis in diese Richtung (keine neuen Zinssenkungen mehr) zu interpretieren. Inzwischen hat die EZB ihren Patzer bei der Pressekonferenz auch korrigiert. Direktoriumsmitglieder führten in den vergangenen Tagen aus, dass die EZB durchaus bereit ist, weitere Maßnahmen zu ergreifen, wenn es notwendig werden sollte.

Auch Draghi wollte wohl genau das sagen. Es kam jedoch vollkommen anders bei Investoren an. Wer die Pressekonferenzen der EZB verfolgt, der weiß, dass Draghi kein besonders geschickter Kommunikator ist. Es beginnt damit, dass so mancher Satz in Englisch überhaupt nicht mehr verständlich ist. Es hilft auch nicht, wenn der Vizepräsident den Präsidenten in der Pressekonferenz korrigieren muss, weil er die Dinge inkorrekt zum Ausdruck bringt.
Wie dem auch sei, das Thema soll nicht Draghis ungewollte Sprachakrobatik sein, sondern vielmehr, was die Maßnahmen bedeuten. Zunächst muss man festhalten, dass die EZB die Assets, die sie kaufen kann, deutlich erweitert hat. Grafik 1 zeigt die „Anleihenpötte“ aus denen sich die EZB bedienen kann.
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Der größte Pott, aus dem sich die EZB bedient, sind Staatsanleihen. Durch die Aufnahme von Unternehmensanleihen hat die EZB ihre Möglichkeiten deutlich erweitert. Derzeit sind ca. 900 Mrd. Euro an Unternehmensanleihen von Nicht-Finanzinstituten ausständig. Davon kann die EZB nicht alle Anleihen kaufen. Sie begrenzt ihre Käufe auf Investment-Grade Anleihen.
Die EZB macht keine Aussagen darüber, ob Unternehmensanleihen eine Mindestrenditeerfordernis für den Kauf haben müssen. Staatsanleihen werden nur gekauft, wenn die Rendite oberhalb des Einlagensatzes für Banken liegt. Nun gibt es nicht viele Unternehmensanleihen, die eine Rendite von weniger als -0,4 % haben, doch das kann sich rasch ändern. Bereits jetzt sind nach Schätzungen des US Finanzsenders CNBC 100 Mrd. an Unternehmensanleihen mit einer negativen Rendite versehen.
Trotz aller Einschränkungen dürfte das Gesamtpotential bei 500 Mrd. Euro liegen. Die EZB kann also kräftig zugreifen. Bedingung dafür ist natürlich, dass die EZB Verkäufer findet. Investoren suchen bereits jetzt händeringend nach positiven Renditen. Unternehmensanleihen waren bisher eine Möglichkeit zumindest eine kleine Rendite zu erwirtschaften.
Selbst bei Staatsanleihen wird davon ausgegangen, dass die EZB nicht mehr als 20-25 % aller Anleihen kaufen kann, selbst wenn sie noch so sehr will. Setzt man diesen Prozentsatz auch für Unternehmensanleihen an, dann bleiben zwischen 100 und 125 Mrd. Euro. Das ist besser als nichts und es verfehlt seine Wirkung auch nicht.
Die Renditen für Unternehmensanleihen sind seit Ankündigung der Käufe kräftig gesunken. Viel wichtiger noch, die Kreditausfallwahrscheinlichkeiten fallen ebenso massiv. Grafik 2 zeigt die Aktie der Deutschen Bank im Vergleich mit den Kosten von Kreditausfallversicherungen (CDS – Credit Default Swaps). Die abgebildeten Kosten sind als Basispunkte dargestellt. CDS werden für gewöhnlich in 10 Mio. Tranchen berechnet. Mitte Februar kostete es im Durchschnitt 130 Basispunkte bzw. 130.000 Euro 10 Mio. an Unternehmensanleihen gegen einen Kreditausfall zu versichern.
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Die Kosten spiegeln die Versicherungsprämien für Unternehmensanleihen mit einer Laufzeit von 5 Jahren wider. Sie stellen den Durchschnitt für Unternehmensanleihen aus Europa dar. Betrachtet man nur bestimmte Branchen, z.B. Banken, dann lagen die Kosten zuletzt sogar noch höher. Die Kosten stiegen innerhalb von nur 6 Wochen seit Jahresbeginn von 80 auf 130 Basispunkte. So etwas deutet massiven Stress im Finanzsystem an. Die Aktienkursentwicklungen haben das ebenfalls gut wiedergegeben. Hätte die EZB nun nicht gehandelt, dann wären die Kosten weiter gestiegen. Im Prinzip stand wir kurz vor einer Kreditklemme. Steigen CDS schnell und stark an, dann steigen auch die Kosten für Fremdkapital massiv an. Das hätte innerhalb von wenigen Monaten zu einer Kreditklemme geführt. Inzwischen haben sich die CDS wieder normalisiert. Gleichzeitig fallen die Renditen für Anleihen deutlich. Das gilt nicht nur für Investment-Grade Anleihen, sondern auch für den Ramschbereich. Hier kauft die EZB zwar keine Anleihen, doch Anleger dürften von Investment-Grade Anlagen in Schuldtitel mit niedrigerem Rating umschichten.

Bereits jetzt ist der Markt für Unternehmensanleihen eng. Das heißt, dass es kaum noch verfügbare Anleihen gibt, die man kaufen könnte. Investoren wissen einfach nicht mehr, wohin mit dem Geld. Für Unternehmen hat das den Effekt, dass sie sich immer günstiger verschulden können. Das wiederum wird Firmen hoffentlich motivieren Anleihen auszugeben und die Gelder zu investieren. Unternehmen entscheiden nach der erwarteten Rendite der Investition, ob sie investieren. Das Wachstum ist in Europa eher moderat. Investitionen bringen entsprechend auch nur geringe Renditen, z.B. 5 %. Muss ein Unternehmen für die Investition Schulden aufnehmen und kostet das ebenfalls 5 %, dann macht die Investition keinen Sinn. Muss das Unternehmen jedoch nur 3 % an Zinsen zahlen, dann rentiert sich die Investition plötzlich. Das ist die Hoffnung der EZB: Die Senkung der Renditeanforderung für Investitionen.

Blickt man nun in die Zukunft, dann hat die EZB nach wie vor viele Möglichkeiten ihr QE Programm auszuweiten. Der Markt für Unternehmensanleihen ist vergleichsweise klein, wenn Banken und andere Finanzinstitute ausgeklammert werden. Nicht-Banken (aber Finanzinstitute) haben Anleihen von knapp 2,4 Billionen ausstehend. Banken können auch noch einmal 3,2 Billionen beitragen. Wenn die EZB will, dann könnte sie ihr Programm problemlos auf 100 Mrd. pro Monat ausweiten. Vermutlich wird das nicht notwendig sein. Die jetzt beschlossenen Maßnahmen sind so tiefgreifend und vielschichtig, dass man wohl erst in 6 Monaten evaluieren kann wie gut sie funktionieren. Das Potential für einen extrem positiven Effekt ist vorhanden.

Das überraschendste an der ganzen Sache ist jedoch, dass Investoren ihr Vertrauen in die Notenbank noch immer nicht verloren haben. Persönlich hatte ich den Eindruck, dass dieses Vertrauen bröckelte, insbesondere nach dem Fehlschlag der letzten Lockerung in Japan. Nun scheint das Vertrauen zurückgekehrt zu sein. Das ist absolut bemerkenswert, denn die Maßnahmen sind zwar gut strukturiert, doch wenn solche Maßnahmen überhaupt notwendig sind, dann kann man sich vorstellen, wie düster die Lage sein muss.

Für mich ist daher noch vollkommen offen wie lange die Euphorie auf dem Markt anhält. Kurzfristig dürfte die Lage freundlich bleiben. Es gibt jedoch bisher nur sehr geringe Anzeichen dafür, dass Anleger ihre positive Grundüberzeugung zurückerlangt haben. Der Markt ist noch nicht über den Berg. Die Stimmung kann wieder ganz schnell drehen.

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20 Kommentare

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  • bembes
    bembes

    Man sieht und hört wird blöd Super-Mario ist. Er kann nichtmal kommunizieren, so wie er es will. Der Vize.... muss übersetzen....welch eine Pleite..................aber seine Südländer kann er weiter ungestraft retten..............

    Wir ( die Deutschen ) werden das noch bitte bezahlen müssen !!

    14:12 Uhr, 15.03.2016
  • LAMBO_BABY
    LAMBO_BABY

    Dax taummelt wieder... bin immer wieder überrascht was für gute Marktberichte die Kollegen von Ntv bringen:

    http://www.n-tv.de/wirtschaft/marktberichte/Dax-ge...

    14:05 Uhr, 15.03.2016
  • LAMBO_BABY
    LAMBO_BABY

    Das wird der AFD noch mehr Zulauf geben - Berlin = Istanbul 2.0?

    http://www.bild.de/regional/berlin/leiche/raetselh...

    Jetzt auch schon Sprengstoff Attentate in der Hauptstadt! Mist, diesen Freitag fahren wir nach Berlin... tolles Schlamassel, besser 3x unter das Auto schauen bevor man einsteigt & losfährt.

    11:14 Uhr, 15.03.2016
    1 Antwort anzeigen
  • 1 Antwort anzeigen
  • Joe-Cool
    Joe-Cool

    Sorry, wollte im Blog schreiben!

    10:20 Uhr, 15.03.2016
  • Joe-Cool
    Joe-Cool

    http://www.godmode-trader.de/artikel/die-ezb-kann-...

    Sehr guetr Artikel con C. Schmale, der die möglichen Auswirkungen des EZB-Beschlusses nach mM gut beschreibt. Manchmal geht sowas ja unter.

    LG Joe-Cool

    10:19 Uhr, 15.03.2016
  • xarcox
    xarcox

    Investoren haben ihr Vertrauen in die EZB noch nicht verloren?Ich schon lange .Und nicht nur in die EZB.

    10:09 Uhr, 15.03.2016
  • 2 Antworten anzeigen
  • Mitdenker
    Mitdenker

    und die wird es in Deutschland nicht geben... Frankreich, Spanien und Italien haben Steuererleichterungen für die Bürger vollzogen... In Deutschland würden sich die Amateure aka Politker sich das Geld lieber selbst einstecken als es an die Bürger zu geben... Wahnsinn.. Und AfD mag eine Protestpartei sein, aber die amtierenden Parteien scheinen nicht zu begreifen, dass Protest eine Art von Unzufridenheit ist.....

    10:07 Uhr, 15.03.2016
  • LAMBO_BABY
    LAMBO_BABY

    Ich warte auf Draghis Helicopter Geld - bitte 50.000 zinsfrei aufs Girokonto überweisen, wird dann weitergeleitet zum Broker und investiert. Spaß beiseite, die Helicoptermoney Idee ist scheisse, wenn jede Familie plötzlich 100.000€ zur Verfügung hat bring das gar nichts. Die IMMO Preise werden noch steiler anziehen weil die Nachfrage sprunghaft steigt, somit ist heli-money ein absoluter placebo.

    09:48 Uhr, 15.03.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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