Kommentar
23:32 Uhr, 06.11.2024

Die Bundesregierung zerlegt sich selbst

Bundeskanzler Olaf Scholz hat angekündigt, im Januar die Vertrauensfrage zu stellen. Das Ziel sind Neuwahlen. Zuvor hatte der Kanzler Finanzminister Christian Lindner entlassen.

Auf das politische Erdbeben in den USA folgt das politische Erdbeben in Deutschland: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Mittwochabend angekündigt, am 15. Januar im Bundestag die Vertrauensfrage zur Abstimmung zu bringen. Anschließend dürfte es vorgezogene Neuwahlen bis Ende März geben. Zuvor will Scholz bis Ende 2024 allerdings weitermachen und noch Maßnahmen zur Stabilisierung der Rente und Stützung der Wirtschaft auf den Weg bringen.

Im Lauf des Abends hatte Scholz nach gescheiterten Verhandlungen zur Rettung der Koalition Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen. Es gebe keine Vertrauensbasis mehr für die weitere Zusammenarbeit, sagte Scholz, nachdem Lindner ein erneutes Kompromissangebot im Haushaltsstreit abgelehnt hatte. Scholz wollte eine höhere Neuverschuldung durchsetzen, u.a. um die Energiepreise für die Wirtschaft zu deckeln und die Unterstützung für die Ukraine erneut zu erhöhen. Lindner hatte hingegen auf die Einhaltung der Schuldenbremse bestanden. Die FDP kündigte am Abend an, sämtliche Minister aus der Bundesregierung abzuziehen.

Das Ende der Ampelkoalition hat sich schon längere Zeit angedeutet: Der Fokus von SPD, Grünen und FDP war zuletzt vor allem, sich für die im kommenden Jahr ohnehin anstehenden Neuwahlen in eine gute Ausgangslage zu bringen. Jetzt haben die Koalitionäre den Schlussstrich gezogen. Dass SPD und Grüne der FDP die Schuld geben, während die Liberalen die Schuld vor allem bei Rot-Grün sehen, dürfte keine Überraschung sein. Denn die Verbindung der drei Parteien war aus der Not geboren und von Anfang an keine Liebesheirat.

Fazit: Die politische Glanzleistung dieser Bundesregierung dürfte bleiben, dass sie ihr eigenes Ende beschlossen hat, nachdem sie das Land an den wirtschaftlichen Abgrund manövriert hat. Im neuen Jahr hat wieder der Souverän, der Bürger, das Wort. Das ist die eigentliche Stärke der Demokratie, dass das Volk die Möglichkeit hat, eine ungeliebte Regierung auch wieder loszuwerden. An den Börsen könnte die heutige Entscheidung die Phase der politischen Unsicherheit weiter erhöhen. Für Wirtschaft und Bürger bedeutet der Rückzug der Regierung aber vor allem, dass diese in einer ohnehin kritischen wirtschaftlichen Situation keinen weiteren Schaden mehr anrichten kann.

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13 Kommentare

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  • TomHof
    TomHof

    Schon erstaunlich, wie leicht man hier die Sicherheitsarchitektur Europas, Stichwort Ukraine, für unwichtig und nicht unser Ding hält. Sehr, sehr kurzfristig gedacht!

    16:52 Uhr, 07.11.
  • P_44
    P_44

    Na toll, der entlässt den Finanzminister, nur weil der zu sagen wagt, dass man nicht einfach für die ganze Industrie den Phantasie-Strompreis ("Wind und Sonne schicken keine Rechnung") subventionieren und noch dazu die Ukraine mehr "unterstützen" kann.

    Finde ich jetzt nicht so gut, wenn eine Stimme der Vernunft in die Wüste geschickt wird, und dann ein Kinderbuchautor selber Finanzminister spielt.

    09:59 Uhr, 07.11.
    1 Antwort anzeigen
  • FANofStockpicking
    FANofStockpicking

    Extrem geil das dieses Desaster nun beendet ist.

    Zum Glück hat die FDP drei Jahre das schlimmste verhindert. Die Vorgänge sind auch unfassbar aus Steuerzahlersicht - wir haben hier eine Wirtschaftskrise, es geht bei unseren Schlüsselindustrien bergab ohne Ende und ein Ende der Talfahrt ist nicht sichtbar - danke EU - und Herr Scholz will Herrn Lindner nötigen, die Schuldenbremse auszusetzen, damit hier erwirtschaftete 15 Milliarden € an die Ukraine gehen. Unfassbar. Unfassbar, dass es in diesem Land Leute gibt, die die SPD und Herr Scholz wählen !!!! Unfassbar.

    DANKE LINDNER.

    09:33 Uhr, 07.11.
    1 Antwort anzeigen
  • masi123
    masi123

    Stimmt alles. Nur war es nicht Mutti allein, sondern eine "große" Koalition, die dem grünen Zeitgeist hinterhergerannt ist (Stichworte: Atomausstieg, Willkommenskultur) bzw. diesen begründet hat. Bis heute sieht allerdings keine der beteiligten Parteien ihre eigene Schuld am wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands ein. Und in Brüssel organisiert eine CDU-Kommissionspräsidenten den Niedergang der Schlüsselindustrie Deutschlands und Europas (Stichwort Verbrennerverbot). Vergessen darf man allerdings nicht, dass diese Politiker ja von der Bevölkerung seit Jahren (wieder-) gewählt wurden und werden.

    08:46 Uhr, 07.11.
    1 Antwort anzeigen
  • Berggeist
    Berggeist

    Soll die überaus grandiose "Mutti" wieder reaktiviert werden, die uns einen Großteil der Probleme eingebrockt hat ??

    04:19 Uhr, 07.11.
    1 Antwort anzeigen
  • Heramafa
    Heramafa

    Einfache Gegenfrage, die CDU CSU ist ja so selten an der Macht gewesen, das sich niemand daran erinnern kann... was soll jetzt besser werden, was dieser Verein in den sehr wenigen Jahren an der Macht nicht erledigen konnte? Btw die einzige Regierung die Ernsthaft was bewegt hat war Rot Grün! Fakt aber als FDP Fanboys schwer zu ertragen.

    01:45 Uhr, 07.11.
    2 Antworten anzeigen
  • Sascha Huber
    Sascha Huber Experte für Kryptowährungen

    Auf den Punkt. Danke, Oli!!

    00:30 Uhr, 07.11.

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Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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