Kommentar
13:00 Uhr, 24.09.2007

Die Auswirkungen der Liquiditätskrise sind nicht ohne

Im Augenblick scheint der Finanzmarkt zweigeteilt zu sein zwischen risikoreichen Anlagen, die sich zumindest auf den ersten Blick von einem sehr schwierigen August zu erholen scheinen, und dem Geldmarkt, an dem die bereits historisch knappe Liquidität noch knapper wird.

Der Volatilitäts-Index VIX (Chicago Board Options Exchange), ein handelbarer Maßstab für die Schwankungsbreite der US-Aktienpreise, ist gegenüber früheren Monaten zwar noch erhöht, jedoch längst nicht mehr auf seinem August-Hoch. Dagegen liegt der britische Aktienindex FTSE 100 inzwischen 7% über seinem Tiefpunkt von Mitte August. Trotz dieser Erholung herrscht jedoch noch Ungewissheit bezüglich der Bewertung forderungsbesicherter Wertpapiere (ABS - asset-backed securities) und anderer strukturierter Kreditinstrumente.

Die Anleger zögern mit dem Kauf forderungsbesicherter Geldmarktpapiere (ABCP - asset-backed commercial papers), die die bilanzneutralen Portfolios finanzieren, in denen wiederum viele ABS gehalten werden. Die Finanzierung musste daher durch die Mutterbanken erfolgen (wodurch die Papiere und die entsprechende Finanzierung bilanzwirksam werden) oder durch Kredite, die mit Fremdbanken ausgehandelt werden müssen.

Insofern haben die Ungewissheiten in der Bewertung im August den ABCP-Markt festgefahren und sich dann auf den Kreditverkehr unter Banken ausgeweitet. Die großen US-Geschäftsbanken, die normalerweise die Liquidität bereitstellen, horten jetzt diese Liquidität - und zwar einerseits, um die Vermögenswerte zu bezahlen, die sie in ihre Bilanzen aufnehmen, und andererseits, weil man über das gestiegene Kontrahentenrisiko beunruhigt ist. Die Spanne für die 3-Monats-LIBOR-Sätze über dem Basiszinssatz der Bank of England liegt jetzt bei 105 Basispunkten und damit mehr als drei Standardabweichungen über seinem Langzeitdurchschnitt von nur 15 Basispunkten. Ähnliches geschieht an den Geldmärkten aller bedeutenden Währungen.

Was passiert als Nächstes?

Die Probleme, denen sich die Geldmärkte gegenübersehen, sind eigentlich das Ergebnis eines Vertrauensmangels unter den Marktteilnehmern. Sie werden sich nach einiger Zeit von selbst lösen, wenn die Banken und ihre jeweiligen Kontrahenten mehr Gewissheit über die Bewertung der jetzt in ihrem Besitz befindlichen Vermögenswerte haben.

Das Fehlen befristeter Liquidität bedeutet, dass die Neubewertung dieser Vermögenswerte länger dauern wird, als es bei einem normal funktionierenden Markt der Fall wäre. Die festgefahrene Situation verstärkt sich daher in gewisser Weise selbst, und es könnte Monate dauern, bis sie bereinigt ist.

Die Zentralbanken könnten diese Dynamik durch Bereitstellung befristeter Liquidität - anstelle der bisherigen Übernachtkredite - "kurzschließen". Eine Verlautbarung der Bank of England vom 5. September zeigt jedoch, dass dies nicht vorgesehen ist. Die EZB hält einen 3-Monats-Repo-Tender, bei dem jedoch nicht alle Gebote ausgeführt wurden, sodass in diesem Markt weiterhin Mangel herrscht.

Die Berichte zum 3. Quartal, in denen die Banken ihre tatsächlichen bzw. neu bewerteten Verluste offenlegen müssen, könnten hier etwas Transparenz bringen. Andererseits wird selbst dies schwierig werden angesichts des Fehlens eines liquiden Marktes, anhand dessen eine Neubewertung stattfinden kann, so dass die Ungewissheit wohl bleiben wird.

Je länger das gegenwärtige Niveau des Interbankensatzes gleich und das Volumen begrenzt bleiben, desto wahrscheinlicher wird sich dies auf das Kreditverhalten der Banken auf die reale Wirtschaft und damit auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Wie stark, das lässt sich allerdings nur schwer bestimmen. Die Unsicherheit wird zusätzlich noch dadurch verstärkt, dass wir nicht wissen, wie lange die gegenwärtigen Marktbedingungen anhalten werden.

Beim britischen Markt fällt auf, dass die Bedingungen für Hypothekenkredite am privaten Immobilienmarkt über das letzte Jahr stark gelockert wurden. Dies wurde auch von der Bank of England als ein Grund für die Widerstandsfähigkeit des Wohnungsmarktes trotz des Basissatzanstiegs hervorgehoben.

Ein mögliches Ergebnis dieser Krise könnte daher eine Verschärfung der Bedingungen für Hypothekenkredite und damit eine stärkere Verbindung zwischen der Geldpolitik der Bank of England und dem Konsumentenverhalten sein, die sich über das letzte Jahr gelockert hat.

Eine erfolgreiche Auflösung dieser Krise ist daher abhängig von drei Kriterien:

1. Die Banken quantifizieren und legen ihre Verluste über die letzten Monate offen, damit Transparenz und Liquidität wieder in den Interbankenmarkt zurückkehren.

2. Die Zentralbanken unterstützen diesen Prozess, indem sie, am besten zu einem Terminsatz, Liquidität bereitstellen.

3. Das Wichtigste: Die beiden ersten Kriterien werden erfüllt, bevor Umfragen zum Konjunkturoptimismus oder Zahlen zu den Kreditzuwächsen der Banken zu zeigen beginnen, wie sich dies auf die reale Wirtschaft tatsächlich auswirkt und damit einen Hintergrund für die Wiederherstellung des Marktvertrauens bildet.

Quelle: Schroders - Der Artikel wurde auf http://www.fonds-reporter.de veröffentlicht.

Die Schroders-Gruppe ist eine führende internationale Vermögensverwaltungsgesellschaft, die 1804 gegründet wurde. Schroders verwaltet Anlagen für Pensionsfonds, Regierungsbehörden, Wohltätigkeitsorganisationen, Körperschaften, Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen weltweit und ist ein führender Verwalter von Investmentfonds. Schroders bietet Anlagen in allen wichtigen Vermögenskategorien in entwickelten Ländern und Schwellenländern an: Aktien, Schuldtitel, Geldmarktinstrumente, Beteiligungen und Immobilien. Das weltweit verwaltete Vermögen betrug zum 31. März 2006 rund 184,2 Mrd. Euro.

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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