Kommentar
09:00 Uhr, 02.10.2007

Die anhaltende Hausse hat bulgarische Aktien teuer gemacht

Die Bilanz, die der bulgarische Leitindex Sofix aufzuweisen hat, ist einfach grandios. Seit Ende 2000 hat sich sein Wert von knapp 107 Punkten auf aktuell 1.658 Punkte erhöht. Alle Anleger, die seitdem am Ball sind, werden sich heute genüsslich zurücklehnen und sich zufrieden die Hände reiben.

Zumal ein Ende der Hausse nicht absehbar ist. Der Sofix bewegt sich derzeit nahe an seinem Rekordhoch und charttechnisch betrachtet ist der Aufwärtstrend einwandfrei intakt. Das gilt auch für den breiter gefassten BG40 Index, der in diesem Jahr noch um einiges besser gelaufen ist als der Sofix.

Bewertungen inzwischen relativ ambitioniert

Ermöglicht wurden die fulminanten Kursgewinne durch eine gut laufende Konjunktur, steigende Unternehmensgewinne, bedingt durch die EU-Annäherung sinkende Risikoprämien und ganz einfach durch den Umstand, dass bulgarische Aktien zur Jahrtausendwende spottgünstig bewertet waren.

Doch beim zuletzt genannten Punkt hat sich durch die jahrelange Hausse inzwischen ein markanter Wandel vollzogen. Speziell die Aktien aus der ersten Reihe können beileibe nicht mehr als günstig bezeichnet werden. Auf der Webseite der Sofioter Börse wird das Kurs-Gewinn-Verhältnis der im Sofix vertretenen Aktien auf 19,23 beziffert und das Kurs-Buchwert-Verhältnis auf 4,23. Beides Hausnummern, die relativ ambitioniert erscheinen. Zumal Broker das Kurs-Gewinn-Verhältnis der von ihnen beobachteten Aktien im Schnitt eher im Bereich von 30 ansetzen.

Run auf Neuemissionen zeigt ebenfalls Überhitzungssymptome

Dass inzwischen sehr viel Euphorie im Spiel ist, zeigt sich auch an der Neuemissionsfront. Zum einen hat die Zahl der Unternehmen verglichen mit früher, als kaum jemand Interesse an einem Börsengang zeigte, deutlich zugenommen. Zum anderen reißen sich die Investoren förmlich um die neuen Aktien, wie zumeist drastische Überzeichnungen belegen. Dabei kommen die meisten Neulinge nicht gerade zu Lockpreisen an die Börse.

Wie kräftig zugelangt wird, lässt sich am derzeit laufenden Börsengang von Devin ablesen. Am oberen Rand der vorgegebenen Preisspanne käme der Wasserabfüller immerhin auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der für 2007 erwarteten Zahlen von 50. Bulgarische Broker rechnen wegen der günstigen Wachstumsaussichten, die sich auch an die Red-Bull-Lizenz anknüpfen, dennoch mit einer drei- bis vierfachen Überzeichnung der Emission.

Einiges von dem, was momentan in Bulgarien passiert, erinnert an das, was bei uns beim Höhepunkt der Internet- und Telekomblase zu beobachten war. Neben einer zu optimistischen Stimmung mischen an der bulgarischen Börse auch viele noch unerfahrene Anleger mit. Das zeigt sich auch daran, dass Aktien bei Splitankündigung noch immer stets regelmäßig mit spürbaren Kursgewinnen belohnt werden, obwohl sich rein fundamental betrachtet am Wert des Unternehmens durch dieses Schritt überhaupt nichts ändert.

Chance-Risiko-Verhältnis am Aktienmarkt hat sich eingetrübt

Trotz dieser eher kritischen Bestandsaufnahme sprechen zunächst eher mehr Gründe dafür als dagegen für mittelfristig weiter steigende Notierungen. Doch es dürfte nicht schaden, schon jetzt die negativen Begleitumstände der Hausse zu beachten. Mit einem Wirtschaftswachstum von mehr als sechs Prozent und gemessen an der Zahl der Bevölkerung hohen ausländischen Direktinvestitionen hat das volkswirtschaftliche Umfeld derzeit zwar noch überzeugende Pluspunkte zu bieten.

Doch auch in dieser Hinsicht gibt es Risse im Fundament. Sie befindet sich die Inflation, die sich im ersten Halbjahr auf fünf Prozent belief, auf dem aufsteigenden Ast und auch gegen das überbordende Leistungsbilanzdefizit haben die Verantwortlichen bisher kein wirksames Gegenmittel gefunden. So haben die Volkswirte der Raiffeisen Zentralbank Österreich unlängst erst ihre Prognose für das Leistungsbilanzdefizit gemessen am Bruttoinlandsprodukt für 2008 auf 18 Prozent erhöht.

In einer Studie von Economist Intelligence Unit sagten die Autoren auch für die Zukunft Probleme mit dem Leistungsbilanzdefizit voraus sowie steigende Lohnkosten, fallende Auslandsinvestitionen und eine schrumpfende Bevölkerung voraus. Unter dem Strich werde alles das dazu führen, dass sich das Wirtschaftswachstum bis 2011 in den Bereich von vier Prozent zurückbilden werde. Schenkt man dieser Prognose Glauben und berücksichtigt man zudem die gestiegenen Bewertungen, dann ist es sicherlich nicht übertrieben, von verschlechterten Chance-Risiko-Verhältnissen am bulgarischen Aktienmarkt zu sprechen.

Quelle: Ostbörsen-Report

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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